Endkampf um Deutschland

Die NPD und mit ihr assoziierte Neonazis verkörpern die terroristische Option der deutschen Rechten. Außer Prügeln und Pöbeln bleibt den Rechtsradikalen kaum etwas übrig.

Die NPD ist die älteste Partei der extremen Rechten in der Bundesrepublik. Sie entstand 1964 aus der Deutschen Reichspartei um Adolf von Thadden und anderen Gruppierungen der extremen Rechten. Doch die NPD von heute hat mit der Partei, die in den sechziger Jahren bei etlichen Landtagswahlen reüssierte und 1969 bei einer Mitgliederzahl von 28 000 den Einzug in den Bundestag mit 4,3 Prozent relativ knapp verpasste, abgesehen vom Namen und einigen programmatischen Axiomen, nicht mehr viel gemein. Eigentlich verdient sie den Namen Partei nicht. Die Süddeutsche Zeitung brachte die Metamorphose der NPD auf die Formel: »vom biederen Altherrenbund zur rechten APO des Ostens«. Woran nur zu bemängeln ist, dass Westdeutschland dabei zu gut wegkommt.

Heute zieht die NPD mit einem »Drei-Säulen-Konzept« in den Kampf. »Kampf um die Köpfe«, »Kampf um die Straße«, »Kampf um die Parlamente« heißen die Parolen, unter denen sie sich im konkurrierenden und kooperierenden Geflecht von Gruppen und Organisationen der extremen Rechten positioniert. Nach diesen drei Optionen lassen sich alle Aktivitäten von Organisationen der extremen Rechten sortieren.

Mit dem »Kampf um die Köpfe« ist die häufig auch metapolitisch genannte Option des Kampfes um die »kulturelle Hegemonie« gemeint. Diese Option ist bis zum Erbrechen zum Thema gemacht worden, als die Neue Rechte sich im wiedervereinten Deutschland unter Kohl, bestärkt durch die völkisch-nationalistische Welle anlässlich der Asylkampagne, Hoffnungen auf politischen Einfluss machen konnte. Symbolisch standen dafür etwa die Ausrufung Steffen Heitmanns zum CDU/CSU-Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten im Herbst 1993, die Proklamation des »Kulturkampfes« durch Eckhard Fuhr in der FAZ und die Umstellung der Zeitung Junge Freiheit (JF) auf wöchentliches Erscheinen Anfang 1994.

Bekanntlich blieb Heitmann in der Provinz. Der JF als erträumtem Flaggschiff im Kampf um die Köpfe blieb zwar die finale Havarie erspart. Doch der einzige Erfolg des durch Spenden gedopten Blattes besteht darin, bei karger Auflage das Vorbild für die Umgestaltung des NPD-Organs Deutsche Stimme abzugeben. Der Marsch »Ruck-wärts in die Zukunft« (so der Buchtitel von Annelie Buntenbach u.a.) mit Roman Herzog und Wolfgang Schäuble, der etliche Ideologeme der von der Neuen Rechten gepushten »Konservativen Revolution« der zwanziger Jahre in modernisierter Gestalt aufgegriffen hatte, endete bei Rot-Grün. Die kürzlich angekündigte Gründung eines »Reemtsma-Instituts von rechts« ist das Eingeständnis, dass die großspurig angekündigte geistespolitische Offensive materiell auf zu schwachen Füßen stand.

Relativ erfolglos waren auch diejenigen Organisationen, die sich vor allem der populistisch-parlamentarischen Option, dem »Kampf um die Parlamente«, verschrieben. Bundesweite parlamentarische Erfolge blieben aus. Die Republikaner konnten sich in Baden-Württemberg unter Rolf Schlierer als Partei des strammen Wohlstands-Chauvinismus parlamentarisch etablieren. In den anderen Bundesländern scheiterten die Reps mehr oder minder deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Deutsche Volksunion (DVU), das parteiförmig organisierte Unternehmen des Münchener Verlegers Gerhard Frey, war in mehreren Bundesländern bei Wahlen erfolgreich, erweist sich aber als Partei und in Parlamentsfraktionen als unfähig.

Allen Organisationen, die sich der metapolitischen oder der populistisch-parlamentarischen Option verschrieben, blieben die Erfolge im Kampf um politische Posten sowie in Mark und Pfennig zu beziffernde Mitnahme-Effekte versagt. Zwar hatten sie gerade in den Fragen Asyl und »Ausländerkriminalität« Forderungen vorgegeben, die dann Regierungspolitik wurden, doch konnten sie ihren Einfluss kaum in greifbare Erfolge für die Organisation und ihre Funktionäre umsetzen. Für völkisch-nationalistische Burschenschafter etwa ist der Karriereversuch innerhalb der Unionsparteien mit Abstand aussichtsreicher und materiell lukrativer als der analoge Schritt in Richtung Reps & Co., auch wenn dort der Konkurrenzdruck geringer ist.

Welche Grenzen das Karriere-Jogging in Organisationen hat, die auf die metapolitische Option spezialisiert sind, zeigt der Fall Rainer Zitelmann. Anfang der neunziger Jahre als verlegerischer und publizistischer Tausendsassa bei Ullstein und der Welt ein Hoffnungsträger für die extreme Rechte, stolperte er bald politisch und wurde redaktionsintern degradiert. Voller Häme meldete die JF, er werde nun als selbstständiger Unternehmer »Positionierungs-Beratung« für Immobiliengesellschaften betreiben. »Am Gelde hängt alles, zum Gelde drängt alles«, kommentierte die JF spöttisch.

Die auf ein honoriges Image zielende Publizistik der extremen Rechten, der Reps und der DVU nnimmt durchweg ostentativ Abstand von Akteuren, die sich der terroristischen Option verschrieben haben. Glaubwürdig ist das kaum: Bei der Schaffung eines dem rechten Straßenterror dienlichen Klimas steht sie an vorderster Front, ebenso als Stichwortgeberin für Theorieversatzstücke und für eine Heroenpflege, die auf die gesamte Tradition des europäischen Faschismus zurückgreift. Von selbst wären die kämpfenden Dumpfbacken gewiss nicht auf Vorbildfiguren wie Corneliu Zelea Codreanu und seine Eiserne Garde oder den »Kshatrya« genannten Krieger des italienischen spirituellen Faschisten Julius Evola gekommen - mittlerweile liest man über sie auch im NPD-Organ Deutsche Stimme.

Die NPD, ihre Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) und der Nationaldemokratische Hochschulbund (NHB) der neunziger Jahre nehmen weit weniger Rücksicht auf ein honoriges Image und ernten gezielt auf dem von der rechten Parteikonkurrenz wenig beachteten Feld. Über die Unsitten von kampffähigen glatzköpfigen Komasäufern allenfalls die Nase rümpfend, suchen sie den Kontakt, ja das Bündnis mit den Militanten, die auch im NPD-Vorstand repräsentiert sind. Diese haben ihrerseits ein großes Interesse daran, nach dem Verbot einiger ihrer Organisationen Anfang der neunziger Jahre ein neues parteiförmiges Dach zu finden, das sie bei der Anmeldung ihrer Aufmärsche vom Parteienprivileg profitieren lässt.

Reibungslos geht diese Kooperation indes nicht vonstatten, wie auch andere Erfolgskapitel zu Konflikten führen. So stagniert die in den letzten Jahren unter dem Vorsitzenden Udo Voigt gestiegene Mitgliederzahl der Bundespartei trotz Zuwächsen in einzelnen Landesverbänden bei 6 000, da andere Landesverbände unter Austrittswellen leiden. Anfang 1999 verließen etliche Mitglieder um den ehemaligen Landesvorsitzenden Ronny Grubert den Landesverband Mecklenburg-Vorpommern und gründeten die Soziale Volkspartei (SVP), die bald in der Versenkung verschwand. In Thüringen spaltete sich der Bund Deutscher Patrioten um den ehemaligen NPD-Landesvorsitzenden Frank Golkowski ab. Für Konfusion in der gesamten Partei sorgte die programmatische Debatte um den »nationalen Sozialismus«, die vor allem antikommunistisch geprägten Altmitgliedern im Westen Angst und Schrecken einflößte - grundlos, versteht sich.

Die terroristische Option wird nicht immer mit einem rationalen Erfolgskalkül verbunden; häufig will man mit dem Kopf durch die Wand ins Reich stürmen. Ihr Reich wird nicht kommen, so effektiv - im fürchterlichsten Sinne - ihr Kampf auch ist. Überlegungen über die Partei als Karrieresprungbrett entfallen hier oder werden auf die Zeit nach der Machtübernahme verschoben.

Bereits jetzt ist deutlich zu sehen, dass das Treiben der Nazis die Konsolidierung des neuen Deutschland auf Platz eins in der EU und Platz zwei in der G7 stört. Das - und nicht die zahlreichen vollendeten Tötungsdelikte, die in der herrschenden Diskussion gar nicht vollzählig vorkommen - ist die Ursache des hektischen Engagements der ganz großen Koalition von Beckstein bis zum BDI für den antinazistischen Widerstandsort Deutschland.

Dieser staatliche Aktivismus mag vorübergehend den Nazis den Wind aus den Segeln nehmen. Die herrschende neoliberale Politik, die unter dem Schlagwort Globalisierung gefassten Phänomene sowie die daran gekoppelte Produktion von »Normalität«, insbesondere in ihrer paranoiden Gestalt fester Grenzziehung und Reinigung, werden indes dazu führen, dass für rechten Nachwuchs gesorgt ist.

Das reicht nicht zur Machtübernahme, langt aber für die handlungsleitende Phantasie der Machtübernahme mit den Mitteln des Terrors. In NPD-Parteiorganen wird dies offen ausgesprochen. Unter dem Titel »NPD 2000. Mit geschlossenen Reihen vorwärts« äußerte sich der sächsische NPD-Landesvorsitzende Winfried Petzold im Parteiorgan Sachsen Stimme begeistert über die »volkstreue Jugend«, die sich »zunehmend in Freien Kameradschaften zusammen(findet)«, und stellte kraft seines Amtes fest: »Diese bilden wichtige Vorfeldorganisationen für unsere Partei«, und zwar für nichts Geringeres als den »Endkampf»: »Der zweifellos bevorstehende Endkampf«, so der sächsische Nationalapokalyptiker weiter, »bedarf gut geschulter politischer Soldaten, die aus voller Überzeugung bereit sind, im Notfall alles zu opfern, ja das Letzte zu geben.« Der Kamikaze lässt grüßen.