Website für Türken in Deutschland

Sturm im Fencheltee

Bei vaybee chattet die türkische Community über Sport und Heiligen Krieg, BMWs und Fahrräder.
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Wir haben eine Seite vermisst, die speziell den Interessen der in Deutschland lebenden Türken gerecht wird«, erklärte Tamer Kulmac, Sprecher von vaybee, zum Start der ersten türkischen Online-Community im Mai. Das Angebot umfasst Chats, Nachrichten sowie Free-SMS- und E-Mail-Service. Ursprünglich rechnete man mit 15 000 Anmeldungen und einem Umsatz von 150 000 Mark bis zum Ende des Jahres.

Im Juni stand bereits fest, dass man die vorsichtigen Erwartungen wohl übertreffen wird. 13 000 User hatten sich da schon angemeldet, darunter zehn Prozent Deutsche. www.vaybee.de ist schließlich bilingual, »viele Türken der jungen Generation sprechen auch lieber Deutsch als Türkisch«.

Gegründet wurde vaybee von den Brüdern Tamer, Hasim und Akgün Kulmac und ihrem Schwager Ufuk Senay; der Frankfurter Risiko-Kapitalgeber IVC hat die Kölner Firma, die wegen des großen User-Interesses auch als Werbeplattform interessant ist, finanziert. Die Zielgruppe, junge, gut ausgebildete und kaufkräftige Menschen, kann man bei vaybee schließlich problemlos erreichen. Wenn sie nicht gerade damit beschäftigt sind, sich gegenseitig in den Foren die Meinung zu sagen. Vom »türkischen Lifestyle« über den Sport bis hin zur Religion reichen dort die Themen, die meisten Beiträge gibt es zur Zeit unter der Rubrik »Religion«.

Unter der Überschrift »Das kotzt mich an« erklärt dort z.B. »Aytekin»: »Wenn ich mir vorstelle, wie modern die islamischen Länder waren und wo sie jetzt gelandet sind... Während die Europäer noch auf ihren Affenbrotbäumen herumgeklettert sind, haben die Moslems schon gewusst, dass die Erde eine Kugel ist. Aber jetzt sieht es ja ganz anders aus. Sie bekämpfen sich erst einmal gegenseitig, weil einer Sunni und der andere Alevi ist, anstatt zusammenzuhalten (...). Während die Japaner einen Wolkenkratzer bauen wollen, wo 100 000 Menschen Platz haben, die Amis, Russen usw. auf den Mond fliegen, ziehen unsere Leute immer noch mit Fas, schwarzem Schleier, Turban und Holzgewehr in der Hand durch die Gegend und wollen uns einreden, was unsere Religion ist. Es gibt sogar Leute, die sich nur deswegen so anziehen, weil sich H.Z. Mohammed auch so angezogen hat. Hey Leute, das war zu seiner Zeit modern!«

Solche Beiträge rufen regelmäßig User »MalikMucahid« auf den Plan, der auch diesmal unter der Überschrift »Islamischer Weltstaat« prompt erklärt: »Mein einziger Wunsch auf dieser Welt ist der Hilafet (Bedeutung: Islamische Länder verbinden sich zu einem einzigen großen islamischen Land). Wenn wir das schaffen und die islamischen Gesetze richtig einsetzen, werden wir auf jeden Fall zu einem Weltstaat. Danach muss der Heilige Krieg ausgerufen werden, um den Namen Allah in der ganzen Welt zu verbreiten (aber ohne Zwang, das heißt keine Menschen mit Zwang bekehren, nur die Länder erobern).«

Falls »MalikMucahid« mit breiter Zustimmung gerechnet hat, dann muss er ziemlich enttäuscht über die Reaktionen gewesen sein. »Weißt du, eigentlich hat hier keiner Bock auf Krieg!« wird ihm prompt geantwortet, während »Nail1« fragt: »Was machst du denn dann hier in Deutschland? Das ist ein demokratisches Land (...). Du kannst dir ja einen Mullah-Bart wachsen lassen, eine Verhüllte zur Frau nehmen, richtig viele krasse 'Islam-Ordusu-Kämpfer' mit der Frau zeugen und dein Ding hier machen. Sei dir mal nicht so sicher, dass die Meinungsfreiheit hier in diesem Lande so weit geht, dass solches Gedankengut geduldet werden würde! Die Neo-Nazis vermeiden doch bewusst solche Aussagen, wie z.B. die Türken müssten ihren Glauben wechseln, danach würden wir sie abschieben. Deine Statements lassen erahnen, dass du eine krasse Gehirnwäsche im Mullah-Style hinter dich gebracht hast.«

Auch »DomestoS« will definitiv keinen islamischen Weltstaat: »Junge, Junge, immer ruhig Blut. Sag mal, hat dir irgend jemand was in deinen Fencheltee getan? Auf einen weiteren Scheiß-Krieg hat nämlich eigentlich momentan keiner so richtig Bock. Versuch's doch mal mit Quake3 oder UnrealTournament ... Macht tierisch Spaß und du kannst einen Clan nach deinen eigenen (perversen) Vorstellungen, gründen! Z.B. ITF (Islamic Terror Front(c)). Damit kannst du dann auf Jagd gehen und jeden niedermetzeln, der deine frommen Gedanken stört (Christen, Juden, Gavurs, Homos, Jungfrauen, Drachen ...). Psssst: Bei einer Million Fraggs gibt's ein 24teiliges Kaffeeservice.«

»Nuovo« dagegen kann sich nicht vorstellen, dass »MalidMucahid« ein agent provocateur im Auftrag des türkischen Geheimdienstes ist, der sich einen Überblick über fundamentalistische Strömungen im Ausland verschaffen will. Er mutmaßt: »Dieser Beitrag ist wohl eher ein Witz! Kann nur nicht darüber lachen! Ich glaube, die großen Häuptlinge der türkischen Armee sind hier und gehen auf Tuchfühlung, um zu sehen, wer so was ist!« »Sagun« wiederum passt der Häuptlings-Vergleich nicht und er warnt: »Ich würde mir überlegen, wen ich beleidige. Die Armee ist die letzte Bastion vor der Dunkelheit, die das arabische Wort bringt!!!!«

Bei den Fußballanhängern geht es dagegen eher gelassen zu. Zumal es beim vaybee-Start noch viel Grund zur Freude gab, hatte doch gerade Galatasaray den Europa-Cup geholt. »yoshie« erklärte daher auch den Nicht-Fans die Lage und die damit verbundenen Chancen: »Gute Laune bei türkischen Eltern! Wer heiraten möchte und meint, der Partner würde nicht in das Ideal der Eltern fallen, hat jetzt die Gelegenheit, die es seit 40 Jahren nicht gab, seinen Eltern ein Ja abzuknöpfen. Wir danken Galatasaray!!!«

Wer sich damals nicht beeilte mit dem Ehe-Deal, war selber schuld, denn kurz darauf war die Laune wieder ausgesprochen schlecht. »Das schlechteste Spiel! fazla üzerinde durmayim ...«, beklagte sich »AnaCan« über die Leistung der türkischen Nationalelf bei der Euro gegen Schweden, »aber warum hält denn keiner diesen wahnsinnigen M. Denizli auf? Sergen sitzt auf der Bank und Fußballer, die ich nicht kenne, sind im Spiel ... Ist das normal?« Nein, ist es nicht, das müssen auch die anderen zugeben.

Da wendet man sich doch lieber wieder den anderen Foren zu, wo ratlose Deutsche wie »webjunkie« sich die Welt erklärt lassen wollen: »Es geht heute darum, was ich häufig gesehen habe, türkische Jungen/Männer bekommen sehr oft z.B. das Auto (BMW, Benz usw.) von ihren Eltern geschenkt usw. Wieso ist das so? Ist das Tradition? Aber wo bleiben die Töchter? Werden sie auch so behandelt?«

So typisch für die türkische Community sei das allerdings nicht, findet »DomestoS»: »Hee, also ich habe nur zwei Fahrräder ... Das eine hat 30, das andere 150 Mark gekostet.« Und auch die anderen bemühen sich, die im Lifestyle-Forum grassierenden deutschen Vorurteile zu entkräften. Eigentlich sei das alles ja ziemlich lustig, findet einer, »mich bei vaybee einzutragen hat sich in jedem Fall schon gelohnt«.

Zumal die Firma ihre Internetseite weiter ausbauen will und z.B. viel mehr Türkei-Informationen, auch für Urlauber, einbauen will. »Wir wollen Shops anbieten und Raum für virtuelle Marktplätze schaffen«, erklärt Marketing-Chef Tamer Kulmac. Und noch ein bisschen internationaler werden: Ein englischsprachiges Angebot ist fest eingeplant, denn »wir wollen ja niemanden ausgrenzen«.