Hungerstreik nach dem Parteitag der Republikaner in Philadelphia

Die Philly-Verschwörer

US-Amerikanische Parteitage zeichnen sich traditionell durch ein hohes Maß an demokratischer Kultur aus. Am Rande des Parteitags der Republikaner in Philadelphia vom 1. bis 4. August sind deshalb 391 Demonstranten verhaftet worden. Über die Hälfte von ihnen saß bis Redaktionsschluss weiter hinter Schloss und Riegel, weil sie entweder ihre Namen nicht nennen wollten oder die extrem hohe Kaution nicht aufbringen konnten. Fast alle Gefangenen sind aus Protest gegen ihre Verhaftung und die Haftbedingungen in den Hungerstreik getreten.

Zunächst hatte sich Philadelphias Polizei, eigentlich berüchtigt für Brutalität und Korruptionsskandale, merklich zurückgehalten. Tausende von Demonstranten jeglicher politischen Couleur durften auf den vorgegebenen Routen protestieren. Polizeichef John F. Timoneys Sondertruppe war nicht in Uniform erschienen, sondern in T-Shirt und kurzen Hosen herbeigeradelt. Doch der smarte Look täuschte: Die Polizei war wieder überaus motiviert bei der Arbeit. Sogar die konservative Lokalpresse wirkte verunsichert. Der Philadelphia Inquirer brachte täglich Artikel über offensichtlich brutale Polizeiaktionen, und die Philadelphia News zitierten jede Menge Beschwerden über die Haftbedingungen. Es war sogar von illegaler Schutzhaft die Rede. Sechs Protestführer seien nur zu dem Zweck eingesperrt worden, sie an der Reise nach Los Angeles zu hindern. Dort findet diese Woche der Parteitag der Demokraten statt.

Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberty Union (ACLU), deren Anwälte die Mehrheit der Verhafteten vertreten, prangerte vor allem die Kautionssummen an: »Seit wann ist gewaltfreier Ungehorsam in Amerika ein kriminelles Delikt? Wieso gelten Organisatoren gewaltfreier Aktionen als Verschwörer, die mit einer Million Dollar Kaution festgehalten werden dürfen?«

Solch ein exorbitant hoher Betrag ist in den USA noch nie bei Delikten wegen zivilen Ungehorsams angesetzt worden. Doch Philadelphia ging mutig voran. John Sellers, Direktor der kalifornischen Ruckus-Gesellschaft für gewaltfreie Aktion, wurde verhaftet, als er fernab der Demonstrationen mit seinem Handy am Ohr herumspazierte. Sellers Handy wurde als Indiz einer Verschwörung zum Aufruhr identifiziert - gefährlich genug für eine Kaution in Höhe von einer Million Dollar. Sechs Tage saß Sellers hinter Gittern, bevor die Summe auf 100 000 Dollar heruntergesetzt wurde.

Hätte Polizeichef Timoney das Sagen gehabt, wäre die Kaution für Sellers und andere »Rädelsführer« nicht gesenkt worden. Timoney will die bekanntesten Aktivisten vor das Bundesgericht bringen: »Diese Menschen planen eine Verschwörung, indem sie von Stadt zu Stadt reisen, um Chaos zu verursachen, Körperverletzungen an Polizisten und Bürgern zu begehen und großen Sachschaden anzurichten.« Dass bei den Protestaktionen nur geringer Sachschaden entstanden war, interessierte ihn nicht.

Die Protestorganisation R2K network (Republikaner-2000-Netzwerk) und die Ruckus-Society haben inzwischen eine Haft-Beschwerdeliste veröffentlicht. Darin wird sexuelle Belästigung beklagt, Entzug von Wasser und Schlaf, brutale Behandlung durch Wärter sowie in vier Fällen die Verweigerung ärztlicher Hilfe. Die Polizei hat die Vorwürfe zurückgewiesen: Alle Inhaftierten würden gleich und »mit Respekt« behandelt. Ob die Behörden in L.A. dasselbe Verständnis von Respekt haben wie die in Philadelphia, bleibt abzuwarten.