Anti-Eta-Kampagne in Spanien

Geliebte Feinde

Spaniens Regierung mobilisiert gegen die Eta - und freut sich insgeheim über die Destabilisierung des Baskenlandes.

Zahlreiche soziale Brandherde im Baskenland, Aufrüstung des Polizeiapparats sowie Einschnitte beim öffentlichen Nahverkehr und Uneinigkeit unter den Mehrheitsparteien - das ist die vorläufige Bilanz nach 14 Tagen der Konfrontation im Konflikt um die Autonomie des Baskenlandes.

Vor allem aber sind sieben Todesopfer zu beklagen. Am 29. Juli wurde Juan Maria Jáuregui (PSOE) ermordet, ein ehemaliger Regierungspräsident der Provinz Guipœzcoa, zehn Tage später der Präsident des den baskischen Konservativen (PNV) nahe stehenden Unternehmerverbandes Adegi in der gleichen Provinz und am folgenden Tag Francisco Casanova, ein Unteroffizier der spanischen Armee. Vier Angehörige der Eta starben am Montag vergangener Woche bei einem Sprengstofftransport. Eine Demonstration mit etwa 30 000 Teilnehmern am vergangenen Freitag in Iru-ea (Navarra) war neben kleineren Schweigekundgebungen aber die einzige bedeutende Mobilisierung gegen die Eta.

Die Madrider Regierung setzt unterdessen weiter auf ihr Prinzip, die Anschläge der Eta mit Repression zu beantworten. Das passt ganz ausgezeichnet in die Pläne des Chefideologen des konservativen Partido Popular (PP), des Innenministers Jaime Mayor. Er hofft insgeheim, die politische Stabilität in der baskischen Regierung unter Führung der PNV zu brechen, um Neuwahlen anzusetzen.

Mayor ist PP-Kandidat für das Amt des Lehendakari, des baskischen Präsidenten. »Ein Lehendakari des PP wäre ein wunderbares Geschenk für die Eta«, kommentierte Julio Anguita, Chef der Vereinigten Linken (IU), auf einer Pressekonferenz am 10. August Mayors Ambitionen. An die Regierungspartei richtete IU die Aufforderung, den »Krieg« gegen den PNV aufzugeben. Stattdessen solle ein Runder Tisch den Dialog aller Parteien - außer der Eta-nahen Herri Batasuna (HB) - organisieren und die Eta vom Morden abbringen.

Die Volkspartei lehnt aber jedes Gespräch mit den baskischen Konservativen ab, solange diese nicht auf überregionaler Ebene das Bündnis mit den Linksnationalisten von HB und der ebenfalls Eta-nahen EH aufkündigen.

Bei der Bestattung des Eta-Opfers Casanova verlangte der Präsident der Provinz Navarra, Miguel Sanz (PP), von der Zentralregierung einen »Angriffsplan in allen Facetten« und neue Mittel zum »Kampf gegen den baskischen Unabhängigkeitskampf«. Die Sozialisten dagegen haben zwar der Regierung Aznar mehrfach ihre Unterstützung im Kampf gegen die Eta zugesichert, stehen aber weiterhin mit der PNV in Kontakt.

Die selektiven Kontrollen, Verhaftungen sowie die erhöhte Präsenz von Polizeieinheiten, Sondereinsatzkommandos und Paramilitärs der Guardia Civil sind weithin spürbar. In Madrid wird die Bevölkerung mit der Suche nach Bomben in der Kanalisation und mit Medienberichten beruhigt, im Baskenland wurden während der Trauer-Proteste für die vier Eta-Aktivisten, die die sich selbst in die Luft gesprengt hatten, Linksnationalisten verhaftet.

Ins Visier der Staatsanwaltschaft ist vergangene Woche HB-Sprecher Arnaldo Otegi geraten. Er hatte die verstorbenen Eta-Mitglieder »unsere Kampfgenossen« genannt. »Man kann mit ihrem Vorgehen einverstanden sein oder nicht, aber fast niemand wird in Frage stellen, dass es baskische Patrioten waren.« Die Staatsanwaltschaft leitete ein Verfahren wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ein. Falls die derzeitigen Rechtsmittel zur Verurteilung Otegis nicht ausreichten, müsse das Strafrecht geändert werden, forderte ein Staatsanwalt.

Auch in der Ortschaft Berriozar, wo die Eta den Unteroffizier Casanova erschossen hat, wird gegen Parteipolitiker ermittelt. EH muss hier wegen der Weigerung, das Attentat zu verurteilen, auf Antrag der anderen Parteien voraussichtlich das Bürgermeisteramt abgeben. »Es gibt keinerlei Zweifel daran, dass zwischen den Mitgliedern von EH in Berriozar und der Terroristenbande Eta Verbindungen bestehen«, so der Regierungsvertreter der Provinz Navarra, José Carlos Iribas. Er versicherte, dass die Sicherheitskräfte mit allen Mitteln daran arbeiten, die Verbindungen aufzuklären, »um diese Leute zu schnappen und ins Gefängnis zu schicken, wo sie nie wieder rauskommen dürfen«. Mit der Eta müsse abgeschlossen werden wie mit der RAF in Deutschland und den Roten Brigaden in Italien, so der Bürgermeister von Salamanca, Julián Lanzarote (PP).

Der Generalsekretär der PSOE in Kantabrien bemerkte doppeldeutig, die Exekutive habe keine Rechenschaft abzulegen, wie sie »die Terroristen erledigt«. Ob er sich dabei auf die Todesschwadronen der GAL bezog, die unter der sozialistischen Regierung Felipe Gonzales aktiv waren? Bis zu welchem Grad der Manipulation die Auseinandersetzung um den Konflikt im Baskenland ausufert, zeigte eine jüngst in der Tageszeitung El Pa's veröffentlichte Analyse des Dekans am Institut für Politische Theorie der Universität Madrid, Antonio Elorza. Er verglich die Gewalt der Eta mit dem Massenmord der Nationalsozialisten.

Seitdem die Eta auch die Reihen der dem PNV nahestehenden Unternehmer mit dem Leben bedroht, strecken die baskischen Konservativen die Fühler vermehrt zum Verhandlungstisch nach Madrid aus. »Das ist keine Befreiungsbewegung mehr«, erklärte der Sprecher von PNV, »das ist eine reine Mafia.« Selbst der Eta an sich nahe stehende Kräfte wechseln im Verlauf der neuen Offensive die politische Strategie, weil nun ihre Eigeninteressen tangiert werden. Den Brandanschlag, den Unbekannte in der Nacht zum Donnerstag auf ein Lokal der PNV in Legazpi verübten, bezeichnete EH erstmals als »unverständlich, besonders jetzt, wenn die nationalistischen Kräfte zusammenhalten müssen«.

HB/EH kann es sich nicht leisten, die Verbindungen zu den Konservativen abreißen zu lassen. »Wir werden uns zwar mit den Unternehmern nicht auf ein soziales Modell einigen, aber wir suchen den Konsens«, so Arnaldo Otegi. Die baskischen Unternehmer wissen genau, dass für sie nur ein Dialog von Nutzen sein kann. Deshalb gilt die Madrider Regierung in diesen Kreisen als unfähig. Das Problem sei nicht ideologischer Natur und auch nicht parteienabhängig, vielmehr »wandeln sich die Politiker in eine Art Stimmenguerilla, und die baskische Gesellschaft steht derart unter Druck, dass sie sich immer mehr dem sozialen Zerfall nähert«, so der Generalsekretär von Adegi, José Mar'a Urchegui.

Die Meinungen darüber, wie stark die Eta im Moment wirklich ist, gehen auseinander. »Wenn die Bestie um sich schlägt, dann ist sie verwundet«, meint etwa ein Sprecher der Regionalregierung von Navarra. »Die Eta wird dieses Duell nicht gewinnen«, ist sich Verteidigungsminister Federico Trillo (PP) gewiss und wirbt um »das Vertrauen in die Macht der Gesetze«. Der Ex-Regierungspräsident der Provinz Vizcaya, Daniel Arranz, sieht Eta hingegen so stark wie nie zuvor.

HB räumt ein, dass innerhalb der Eta eine neue, junge Generation den bewaffneten Kampf übe. Deren Sympathisanten zeigten ihre Mobilierungsfähigkeit am vergangenen Donnerstag, als »in Trauer um die vier umgekommenen Eta-Aktivisten« Tausende an Kundgebungen im Baskenland teilnahmen und sich heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei lieferten. Als Folge der »Straßengewalt« entstanden Sachschäden in Millionenhöhe, neben Banken und Zugstrecken waren vor allem die lokalen Buslinien in Bilbao und Donostia (San Sebastián) Ziel der Anschläge. Beide Stadtverwaltungen ließen den Regionalverkehr einstellen, da die Sicherheit nicht mehr gewährleistet sei, und baten EH, die ihnen nahe stehenden Aktivisten aufzurufen, das Abfackeln der Busse einzustellen. Innerhalb von drei Tagen sind in der letzten Woche 15 Busse ausgebrannt.