Vor der Wahl in Jugoslawien

Salon-Serben

Hundert Prozent Baumwolle mit einer schwarzen Faust: Dieses T-Shirt, Propaganda-Massenware der studentischen Widerstandsbewegung Otpor, ist fünf Wochen vor den jugoslawischen Wahlen immer noch das bevorzugte Objekt der polizeilichen Repression niedriger Intensität. Kein Tag vergeht, ohne dass irgendwo ein Otpor-Aktivist festgenommen wird, weil er oder sie das T-Shirt trägt.

Otpor mobilisiert zum 24. September, dem Tag, an dem der jugoslawische Präsident, die beiden Kammern des Bundesparlaments und die Stadträte in Serbien gewählt werden. Und auch diesmal hält die Organisation an ihrer neuen inhaltsleeren Massenlinie »Wir alle gegen Milosevic« fest. Die Otporisten reisen durchs Land und spielen Diplomaten für oppositionelle Einheit. Letzte Woche erklärten sie, dass sie jeden Kandidaten unterstützen, der gegen Milosevic antritt. Hauptsache, weg mit S.M. Diese Woche trafen sie den montenegrinischen Präsidenten Milo Djukanovic, um ihn vom Wahlboykott abzubringen. Gleichzeitig sprachen sie beim Metropoliten Amfilohije Radovic vor. Auch er, der während des Bosnien-Krieges für Paramilitärs betete, ist für Otpor ein Gesprächspartner, wenn es darum geht, die Kirche für »Wahl ja, Milosevic nein!« zu gewinnen.

Während Otpor seiner nationalen Einheitspolitik treu bleibt, setzt nun auch die Vereinigte Demokratische Opposition auf die serbisch-nationale Karte. Sie nominierte letzte Woche den Vorsitzenden der Demokratischen Partei Serbiens (DSS), Vojislav Kostunica, zum Präsidentschaftskandidaten: ein Votum für veredelten großserbischen Nationalismus mit historischem Qualitätssiegel.

Kostunica hat mit dem schäumenden Tschetnik-Kult um den historischen Tschetnik-Hauptsitz Ravna Gora nie etwas zu tun gehabt. Der promovierte Jurist wurde 1974 von der Universität relegiert, weil er für die Freilassung des Belgrader Professors Mihajlo Djuric eintrat, der die berühmte Verfassung von 1974 von rechts kritisiert hatte. Er war nie Parteimitglied, dafür immer Antikommunist. 1990 war er bei der Gründung der Demokratischen Partei dabei, die er während des Bosnienkriegs unter dem Motto »Serbien zuerst« verließ. Das Salon-Serbentum von Kostunica ist vor allem eine Waffe gegen die Wahlkampfstrategie der Regierung, die Opposition als Nato-Agenten hinzustellen.

Der bürgerliche Nationalist hätte gegen Milosevic eine reale Chance, wäre da nicht Draskovics Serbische Erneuerungsbewegung (SPO), die den Plan der Vereinigten Opposition letzte Woche durchkreuzte. Gleichzeitig mit der Nominierung von Kostunica gab die SPO ihre bisherige Boykott-Linie plötzlich auf und ernannte den Belgrader Bürgermeister Vojislav Mihajlovic zum Präsidentschaftskandidaten. Der Enkel des Tschetnik-Führers Draza Mihajlovic hat außer der symbolischen Übercodierung seines Namens nichts vorzuweisen. Chancen auf den Sieg hat er nicht. Die Nominierung dient allein zwei Optionen: Entweder sie funktioniert als Druckmittel auf die Opposition, die monarchistisch-reaktionäre SPO als stärkste oppositionelle Partei noch nachträglich bei den gemeinsamen Wahllisten und vielleicht sogar bei der Präsidentschaftskandidatur zu berücksichtigen. Oder sie wird zur stillen Dienstleistung für die Regierung, die der SPO auf kommunaler oder vielleicht sogar auf Bundesebene ein Koalitionsangebot gemacht haben könnte.

Die Regierung setzt indes auf ihre alte Parole »Wiederaufbau und Patriotismus« und punktet beim Repressionsspiel: Nachdem B2-92 geschlossen, Studio B übernommen, der kritische Journalist Miroslav Filipovic zu sieben Jahren verknackt worden ist, durchsuchte die Polizei neulich das letzte große Haus der außerparlamentarischen Opposition, das Zentrum für Kulturelle Dekontamination.