Hessens CDU-Chef Roland Koch

Kohls Erbe

Seine Loyalität kennt keine Grenzen. Unverzagt steht er zu Helmut Kohl, und sollte Roland Koch eines Tages doch noch für seine Lügen in der CDU-Affäre zur Rechenschaft gezogen werden, dann sicher nicht, weil er es an rechten Ehrbeteuerungen hätte mangeln lassen.

Das Herz des hessischen Ministerpräsidenten schlägt rechts - in fester Treue zu den alten Autoritäten. Als die Krise der deutschen Konservativen im vergangenen Herbst begann, legte er von allen Unions-Politikern den entschiedensten Treueschwur auf den Altkanzler ab: »In 20 oder 30 Jahren werden Straßen und Plätze nach Helmut Kohl benannt werden. Mit etwas Abstand werden bei der Betrachtung seines Lebenswerks die großen Leistungen seine Fehler überwiegen.« Als der Jurist im Januar dann sein eigenes Vertuschen in der Affäre gestand, erteilte er sich den Freispruch im Prinzip gleich mit: »Wer Wähler getäuscht hat, kann nicht mehr für die CDU sprechen.«

Doch seit seiner Beichte kriegt Koch den Mund gar nicht mehr zu - nicht nur zur Freude der CDU-Wähler. CSU-Generalsekretär Thomas Goppel schlug ihn schon im Mai als Kanzlerkandidaten vor, und als Koch vorige Woche bei einem Sommerfest in Bayern der Bundesregierung vorwarf, »zurzeit den Rechtsradikalismus hoch (zu reden)«, werden sich die Besucher höchstens gefragt haben, warum Edmund Stoiber ihnen das nicht schon früher erzählt hat. Auch dass Rot-Grün im Ausland den Eindruck erwecke, »die Machtergreifung der Nationalsozialisten« stehe bevor, hatte der CSU-Chef seinen Anhängern bislang verschwiegen.

Was die Lage Deutschlands betrifft, so verschweigt Koch nichts, weshalb der 41jährige seinem Anspruch, »brutalstmögliche Aufklärung« zu betreiben, politisch durchaus gerecht wird. Schon 1999 machte er die Hessen-Wahl im Alleingang »zu einer Abstimmung über die doppelte Staatsbürgerschaft»; mit seinem Versprechen, bei einem Sieg den »härtesten Strafvollzug aller Bundesländer« durchzusetzen, band er auch die letzten zwischen Republikanern und Union Schwankenden an die CDU. Deutschland sah er lange vor Otto Schily an der »Grenze der Aufnahmefähigkeit von Ausländern angekommen« und »für Gespräche zur Änderung des Asylrechts« steht er jederzeit bereit - allerdings nur, wenn neben der Sozialhilfe auch die Klagemöglichkeiten von Asylbewerbern »drastisch eingeschränkt werden«.

Wenn Koch Anfang August in der FAZ erklärt, die CDU müsse sich schon »einer entsprechenden Sprache bedienen«, damit die rechten Wähler nicht zu den Radikalen abwanderten, und Leitartikler Volker Zastrow dort eine Woche später schreibt, der ausländerpolitische Ausweg liege »in einer Abschaffung des überflüssig gewordenen deutschen Asylgrundrechts«, ahnt man, dass sich da zwei gefunden haben.

Mit der Doppelspitze Merkel/Merz ist die Führungsfrage in der Union zwar bis zur nächsten Bundestagswahl geklärt, nach dem Abgang Kohls steht die Neudefinition christdemokratischen Selbstverständnisses aber weiter aus. Wer könnte der FAZ da gelegener kommen als ein junger, redegewandter Nationalkonservativer, der sich vom Rest des zunehmend liberaleren CDU-Nachwuchses dadurch wohltuend unterscheidet, dass er rechts und noch dazu erfolgreich ist?

Im Gegensatz zu den »Aufklärern«, die die CDU als bürgerliche Reformpartei neuen Milieus öffnen wollen, sieht Koch sich als legitimer Erbe Kohls »geistig-moralischer Wende«. In Zeiten schwindender Macht des Nationalstaats hält am etatistischen Paternalismus des Altkanzlers ebenso fest wie am Erhalt »deutscher Identität« in der werdenden Berliner Einwanderungsrepublik. Brutalstmöglich: »Kommen in einem Jahr besonders viele Asylbewerber, können im nächsten Jahr entsprechend weniger andere Ausländer aufgenommen werden«, heißt das dann bei Koch. Und: »Wer das sagt, ist kein Rechtsradikaler.« Weil: Aufklärung hat in der Union bekanntlich ihre Grenzen, Brutalität nicht.