»Mad Dog« hinter Gittern

Nordirische Kampfhunde

Um Jahre zurückversetzt fühlen sich seit Mitte August die Einwohner Belfasts: Straßensperren von Polizei und Armee, schwer bewaffnete Patrouillen, hasserfüllte Blicke. Im Fernsehen Bilder aus der Vergangenheit: Maskierte Bewaffnete ziehen durch die Straßen der Provinzhauptstadt; Familien mit Kindern packen eilig ihre Habseligkeiten in Umzugslaster und schwören, nie wieder hierher zurückzukommen.

Es scheint, als sei die Zeit der »Troubles« zurückgekehrt. Doch wer sich durch Belfasts katholische Wohnviertel bewegt, merkt davon kaum etwas. Denn diesmal bekriegen sich nicht Republikaner und Loyalisten, sondern königstreue Paramilitärs untereinander.

Seit Ende 1999 schon herrscht zwischen den loyalistischen Milizen Ulster Defence Association (UDA) und Ulster Volunteer Force (UVF) der offene Krieg. Ideologie spielt dabei kaum eine Rolle. Beiden Gruppierungen geht es eher darum, sich als kriminelle Straßengangs eine gute Ausgangsbasis für eine Zeit zu verschaffen, in der sie ihre Berechtigung als bewaffnete Fraktion des Kampfes gegen die irische Wiedervereinigung schwinden sehen. Die Auseinandersetzung hatte bereits vier Menschenleben gekostet, als sie vorvergangenes Wochenende eskalierte.

Am 19. August führte Johnny »Mad Dog« Adair, einer der meistgefürchteten Killer in den Protestanten-Milizen, auf dessen Konto 22 Morde gehen sollen, einen Aufmarsch der UDA vom unteren Teil der berüchtigten Shankill Road hinauf in den oberen, der von der UVF beansprucht wird. Dabei ließ sich Adair, ein kahlrasierter Bodybuilder mit einem ausgesprochenen Hang zur Selbstdarstellung, von vermummten Bewaffneten begleiten. Auf der anschließenden Abendveranstaltung verlas er unter großem Applaus die Namen von 20 Familien, die er aus dieser Gegend vertreiben werde. Aus der Shankill Road werde er einen »UDA-Staat« machen.

In der folgenden Nacht marodierten Adairs Gefolgsleute in der Nachbarschaft; sie überfielen einen Pub und mehrere Wohnungen von UVF-Leuten, darunter diejenige des UVF-Gründers Gusty Spence. Die UVF reagierte prompt. Zwei Tage später erschoss sie in einem Auto, das vor einem Buchmacher-Lokal in Nord-Belfast geparkt war, Bobby Mahood, einen engen Mitarbeiter Adairs, sowie dessen Freund Jackie Coulter.

Die UDA, die auf eine solche Gelegenheit nur gewartet hatte, schwor Rache. An vier verschiedenen Orten in Nordirland beschoss sie am folgenden Tag Häuser von UVF-Leuten. Da beschloss Nordirland-Minister Peter Mandelson, dem Treiben Einhalt zu gebieten. Auf offener Shankill Road ließ er Adair, der vor einem Jahr im Zuge des nordirischen Friedensabkommens auf Bewährung freigekommen war, von einer Spezialeinheit festnehmen und direkt ins Gefängnis Maghaberry südlich von Belfast fliegen.

Zur Begründung listete er Adairs Sündenregister auf, wie es in einem neuen Polizeibericht erscheint: Waffenhandel, Verbindungen zur Loyalist Volunteer Force - der radikalsten der pro-britischen Milizen -, Vorbereitung von Terroranschlägen in Belfast mit dem Ziel, Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten zu erzeugen, und Drogenhandel. »Eine Mafia-Kultur, die in Jahrzehnten paramilitärischer Auseinandersetzungen entstanden ist«, kommentierte Mandelson. Was er vergaß zu erwähnen: Die Mafia-Gangs, die zur Zeit um die Macht in Belfast kämpfen, nehmen alle für sich in Anspruch, im Namen der britischen Sache zu handeln.