Rückkehr eines Flüchtlings

Jammeh wartet schon

Um der Abschiebung zu entgehen, ist Bakary N. nach 18 Jahren in Deutschland »freiwillig« nach Gambia zurückgekehrt. Gut sind seine Chancen dort nicht.

Mehr als 18 Jahre war er in Deutschland. Nun hat es Bakary N. vorgezogen, »freiwillig« zurückzukehren. In das Land, aus dem er über den Maghreb und Südeuropa nach Deutschland gekommen ist: Gambia. Er wollte damit seiner Abschiebung zuvorkommen.

Sein Asylantrag war nach 15 Jahren von den deutschen Behörden als unbegründet eingestuft worden. Überraschend wurde auch die Anwendung des Härtefallerlasses von 1997 abgelehnt, obwohl seine Aufenthaltsdauer die im Erlass geforderte deutlich überstieg und seine wirtschaftliche und soziale Integration die Voraussetzungen erfüllte. Eine Petition an den Ausschuss des zuständigen Landtags, Bakary N. aus humanitären Gründen ein Aufenthaltsrecht zu gewähren, wurde im vergangenen Jahr zurückgewiesen. Die »freiwillige« Rückkehr bedeutet für ihn, seine soziale und wirtschaftliche Existenz der letzten 18 Jahre zu beenden. Nach über 20 Jahren Abwesenheit sei er in Gambia ein »Fremder«, versichert Bakary N.

Schwierig wird es für ihn sein, sich irgendwo in dem westafrikanischen Kleinstaat niederzulassen. Es gibt nur selten Arbeit, und wenn doch, so ist sie meist von der Saison abhängig. In den urbanen Zentren von Serrekunda, Brikama und Basse gibt es für ungelernter Landarbeiter keine geregelten Einkommensmöglichkeiten. Die gibt es allein an der touristisch erschlossenen Küste des Landes. Nach Schätzungen arbeiten dort rund 60 Prozent der Jugendlichen für ein paar Monate im Jahr. Und die Tatsache, dass Bakary N. aus einem europäischen Land kommt, macht ihn für viele in Gambia zu einem Objekt von besonderem Interesse: Um ein offizielles Dokument zu bekommen, sind zum Beispiel Extra-Zahlungen an die Behörden notwendig.

Mit dem »Revolution« genannten Putsch vom 22. Juli 1994 unter dem ehemaligen Militärkapitän Yahya Jammeh hat sich in Gambia an der Politik der Patronage nichts geändert. Die von der Alliance for Patriotic Reorientation and Construction (APRC) gestellte Regierung lässt zudem häufig Gegner und Oppositionelle verschwinden. Versammlungs- und Pressefreiheit existieren faktisch nicht.

Vor den für das kommende Jahr angekündigten Wahlen hat die Regierung die Repression noch einmal verstärkt. Im April wurden bei einer Demonstration von Schülern und Studenten in Bakau 14 Menschen erschossen - vermutlich von der paramilitärischen Sicherheitspolizei. Im Juni gab es Tote und viele Verletzte, als militante Jugendkader der APRC eine Wahlveranstaltung der größten Oppositionspartei United Democratic Party (UDP) angriffen.

Bei der Einreise hatte Bakary N. Glück: »Zur Prüfung der Angaben« wurde nur sein Pass eingezogen. Alles ging sehr schnell, zu schnell um zu realisieren, dass er jetzt keine gültigen Ausweispapiere mehr hat. Am Ausgang des internationalen Flughafens Yundum erwartete ihn ein entfernter Verwandter. Bakary N. sagt seiner Verwandtschaft: »Ich bin nur zu Besuch gekommen, vielleicht bleibe ich drei oder vier Monate, dann ...«

Solche Geschichten kennt man in Gambia: Nach zwei, fünf, zehn oder 20 Jahren kehrt die Schwester, der Onkel, der Bruder aus Europa zurück. Im Gepäck befinden sich vor allem Geschenke und Erinnerungen. Ein oder zwei Abende wird gefragt, wie es denn in Düsseldorf, Lyon oder Kopenhagen gewesen sei. Allen wird schnell klar, dass die Rückkehrer nicht reich geworden sind.

Dennoch wird Bakary N. darauf achten müssen, dass er das Ersparte - bei ihm sind es wenige hundert Mark - nicht bald schon los ist. »Was soll ich machen«, sagt er, »sie erwarten einfach, dass ich für das Essen, die Fahrtkosten, für die Zigaretten und kleine Geschenke bezahle. Solange ich keinen eigenen Platz habe, muss ich das tun.« Auch Mohammed B., der seit 18 Monaten aus Europa zurück ist, gibt sich pessimistisch: »Bis du hier wieder Boden unter den Füßen hast, sind fünf bis sechs Monate vergangen. Mein Traum ist es, einen Kühlwagen zu haben um den Frischfisch von der Atlantikküste hierher zum Markt zu transportieren. Das bringt genug Geld, um alle versorgen zu können.« Denn das Problem, so sagt er, seien auch die großen Familienverbände. »Wenn du etwas Geld verdienst, dann erwarten alle, dass sie etwas davon abbekommen.«

Als Staatspräsident Yahya Jammeh seine kurze Ansprache zum sechsten Jahrestag der »Revolution« beginnt, versammeln sich die Nachbarn um den Fernseher im Haus von Bakarys Verwandten. Jammeh lobt das »Niveau hoher Selbstachtung« im Land und die »phänomenalen Fortschritte« unter seiner Führung. Jammeh hat die Verantwortung für den Tod der 14 Schüler und Studenten von Bakau bestritten und der Oppositionspartei UDP vorgeworfen, »unschuldige Kinder« aufgehetzt zu haben. Der Chef der UDP, der Rechtsanwalt Ousainon Darboe, sowie weitere 24 Anhänger der Opposition sind wegen Mordes angeklagt.

Nichts Gutes verhießen auch die Erklärungen des Präsidenten, die er bei einem Treffen der Partei mit Kadern der militanten Parteijugend Ende Juli abgab. Bei Polizei und Justiz werde jetzt auf alle Ebenen »ausgemistet«, verkündete er dort. Alle staatlichen Bediensteten, die die Regierungspolitik falsch darstellen oder mit der Opposition sympathisieren, sollen ihren Job verlieren.

»Wir in Gambia haben unsere eigene Vorstellung von Demokratie«, wies Jammeh gleichzeitig Mahnungen aus den USA und der EU ab, die Unabhängigkeit von Polizei und Justiz bei den anstehenden Prozessen zu den Ereignissen vom April zu garantieren. Nicht wenige erinnert Jammehs »Demokratie« an die Zeit der Militärregierung 1994 bis 1996. Befürchtet wird, dass Polizei und Justiz immer mehr in die Hände der militanten Jugendkader und anderer paramilitärischer Verbände fallen werden, die gelegentlich schon jetzt Polizeiaufgaben übernehmen.

»Ich bin jetzt ganz abhängig von anderen Leuten, fast wie ein Tourist. Ständig kommen Leute vorbei, die wissen wollen, ob ich etwas für sie habe.« Bakary N. ist in das Dorf gefahren, in dem er vor 20 Jahren aufgewachsen ist. Es liegt weit entfernt von den städtischen Zentren und den »Tourist Development Areas« an der Küste. Ob er dort bleiben kann, weiß Bakary N. noch nicht.