Vorbereitung auf den nächsten Castortransport

Nix hoch x

Atomkonsens am Ende? In Ahaus bereitet sich die Anti-Atom-Bewegung auf den nächsten Castor-Transport vor.

Der nächste Castor kommt bestimmt. Daran hatte nach der Zustimmung des Grünen-Parteitags zur Weiternutzung der Atomkraft im Juni schon Bundesumweltminister Jürgen Trittin keinen Zweifel gelassen. Knapp drei Monate später nun scheinen die ersten Transporttermine klar. So rief die Bürgerinitiative Kein Atommüll in Ahaus vergangene Woche Castor-Alarm aus (»Stoppt die Atomindustrie! X - Wir stellen uns quer!«). Zwar dementiert die Düsseldorfer Landesregierung weiter, dass ein konkreter Termin bereits feststehe, der Ahauser Antiatom-Gruppe jedoch liegen verschiedene Informationen vor, die auf einen Transport der verbrauchten Brennelemente ab dem 6. November hinweisen.

Demnach sollen für diesen Zeitraum im nordrhein-westfälischen Rheine Bundeswehr-Kasernen als Unterkünfte für Einsatzgruppen des Bundesgrenzschutzes (BGS) bereit gestellt, Gefangenensammelstellen eingerichtet und der Militärflugplatz Bentlage für BGS-Hubschrauber freigehalten worden sein. Für die zum BGS gehörende Bahnpolizei und die Beschäftigten des Brennelemente-Zwischenlagers in Ahaus (BZA) sei ab der 45. Kalenderwoche, d. h. vom 6. November an, eine Urlaubssperre verhängt worden.

Insgesamt hat die Bürgerinitiative aus fünf voneinander unabhängigen Quellen Hinweise auf die laufenden Vorbereitungen erhalten. Die Informationen decken sich mit dem Wunsch der Atomindustrie, in diesem Herbst noch zwei Castor-Transporte aus den süddeutschen Atomkraftwerken Biblis und Neckarwestheim ins westfälische Ahaus zu schicken. Entsprechenden Bedarf hatten die Energieversorger bei einem Treffen mit den Innenministern der Länder und dem Bundesinnenminister am 18. August in Düsseldorf angemeldet. Nordrhein-Westfalens Innenminister Fritz Behrens (SPD) bestreitet allerdings, dass ein fester Termin vereinbart worden sei und verweist auf eine aus Sicherheitsgründen notwendige, mindestens sechsmonatige Vorbereitungszeit, die bis zur nächsten Fuhre des nuklearen Materials eingehalten werden müsse.

Auch die in Nordrhein-Westfalen für die Transport-Abwicklung zuständige Münsteraner Polizeiführung gibt sich ahnungslos. Bei einem Treffen des Runden Tisches Ahaus am 21. August bestritt der leitende Polizeidirektor Wilfried Kampmann den Beginn polizeilicher Transport-Vorbereitungen. Was nichts zu sagen hat: Der grüne Polizeipräsident von Münster, Hubert Wimber, wollte schon von der überraschenden Vorverlegung des letzten Castor-Transports im März 1998 erst erfahren haben, als der Termin längst bis zur Bürgerinitiative durchgesickert war.

Damals hatte die rot-grüne Landesregierung versucht, die Anti-Atom-Bewegung mit einem fingierten Termin zu überlisten. Unter anderem wegen dieser Informationspolitik gründeten Vertreter der Stadtratsparteien, der Ahauser Verwaltung, von Handwerks- und Industrieverbänden, Kirchen sowie Jugendorganisationen gemeinsam mit der Bürgerinitiative Kein Atommüll in Ahaus einen Runden Tisch.

Auch CDU-Bürgermeister Dirk Korte ist mit von der Partie und fordert nun gemeinsam mit dem örtlichen Industrieverband, mindestens acht Wochen vor dem nächsten Transport vom Innenministerium informiert zu werden. Kaum eingehen wird Düsseldorf dabei auf den Wunsch einiger Ahauser Betriebe und Schulen: Um persönlich an den Protesten teilnehmen zu können, fordern sie einen Samstag als Transport-Tag. Und selbst die Gewerkschaft der Polizei schloss sich dem Anti-Castor-Bündnis an - auch wenn die Transport-Begleiter lediglich Formfehler monieren: Wegen der Gesundheitsgefährdung müsste den am Einsatz beteiligten Beamten Strahlenschutzanzüge zur Verfügung gestellt werden.

Zu schaffen machen der Atomindustrie aber nicht nur lokalpolitische Nörgeleien und Bedenken der Sicherheitsorgane. Zweieinhalb Jahre nach dem Castor-Kontaminationsskandal haben die Konzerne die technischen Probleme beim Beladen der Castor-Behälter immer noch nicht im Griff. Obwohl bereits im Januar vom Bundesamt für Strahlenschutz jeweils zwei Transporte aus Neckarwestheim, Biblis und Philippsburg nach Ahaus genehmigt wurden, konnten bisher lediglich sechs Behälter in Neckarwestheim und zwei Behälter in Biblis erfolgreich beladen werden.

Alle weiteren Versuche, das neu verordnete Beladeverfahren anzuwenden, scheiterten an der Restfeuchtigkeit im Deckel- und Dichtungsbereich, sodass die geforderten Strahlenwerte überschritten wurden. Als möglicher Ausgangsort für einen den Aufwand lohnenden »Castor-Six-Pack« kommt deshalb eigentlich nur Neckarwestheim infrage.

Die akuten technischen Schwierigkeiten stehen einer grundsätzlichen Wiederaufnahme der Castor-Transporte jedoch nicht im Wege. Schließlich steht die Bundesregierung bei den Energieversorgungsunternehmen in der Pflicht. Dem Atomkonsens stimmten die Betreiber nur zu, nachdem Rot-Grün ihnen versichert hatte, bis zum Bau von Zwischenlagern direkt an den AKW-Standorten Transporte nach Ahaus und Gorleben sowie in die Wiederaufbereitungsanlagen in La Hague und Sellafield zu genehmigen.

Fraglich ist aber, wie die Atomindustrie jene 20 bis 25 Castor-Transporte durchführen will, die bis 2005 geplant sind. Denn auch wenn die Konsens-Verhandlungen zwischen Regierung und Industrie ohne merklichen Protest der Anti-Atom-Bewegung über die Bühne gingen, regt sich nun Widerstand. Unter dem Motto »Atomausstieg? Alles Lüge« ruft etwa die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg für den 23. September zu einer bundesweiten Anti-Konsens-Demonstration ins Wendland auf. Und gegen den Bau dezentraler Zwischenlager, die die Standorte Gorleben und Ahaus ersetzen sollen, entwickelt sich überall neue Opposition. Aufschluss darüber, ob diese von Dauer sein wird, kann allerdings erst die Mobilisierung gegen den Castor-Transport bringen.

Sollte der nächste Transport wieder nur im polizeilichen Ausnahmezustand unter Einsatz Dutzender Hundertschaften durchzusetzen sein, dürften sich die ehrgeizigen Transport-Vorgaben der Energieversorger politisch kaum halten lassen. Auch der Atomkonsens geriete dann ins Wanken. Und ob die von Umweltminister Trittin im Falle eines Scheiterns der Transporte angebotene Bereitstellungslagerung atomrechtlich überhaupt zulässig ist, bleibt ebenfalls unklar. So könnte das ungelöste Entsorgungsproblem der rot-grünen Regierung noch einige Schwierigkeiten bereiten.