Euro-Referendum in Dänemark

Dabei sein oder nicht dabei sein

Vor der Abstimmung über Dänemarks Beitritt zur Euro-Zone gewinnen die Gegner der gemeinsamen Währung an Boden.

Keine Minute länger wollte Dänemarks Außenminister Helveg Petersen am Dienstag vergangener Woche warten: Die EU-Gremien berieten noch über die Aufhebung der Sanktionen gegen die österreichische Rechts-Regierung, da trat der Sozialdemokrat bereits vor die Kameras und verkündete, »in einigen Stunden« würden die Strafmaßnahmen wegen der Regierungsbeteiligung der postfaschistischen FPÖ aufgehoben. Volle sieben Stunden dauerte es von da an noch, bis die französische Ratspräsidentschaft das Ende der Sanktionen verkündete.

Auch wenn Petersen keineswegs ein Rechtsextremist vom Schlage eines Jörg Haider ist - er handelte doch höchst eigennützig. Der Mehrzahl seiner Landsleute gilt die europäische Intervention gegen Österreich nämlich als abschreckendes Beispiel dafür, wie in der EU in Zukunft mit Abweichlern verfahren wird - und damit als handfestes Argument gegen eine stärkere Integration des Königreichs in die Europäische Union. Steht doch mit der Volkspartei (Dansk Folkeparti, FP) in Dänemark eine Wiedergängerin der FPÖ bereit, die äußerst gute Aussichten hat, nach den nächsten Wahlen zumindest als Mehrheitsbeschafferin eine gewichtige Rolle bei der Regierungsbildung zu spielen.

Was die Dänen von der EU halten, das ist Petersen in diesen Tagen so wichtig wie selten zuvor. Denn wenige Tage vor dem Referendum über den Beitritt Dänemarks zur Europäischen Währungsunion am 28. September haben die Regierungsvertreter allen Anlass, in Panik zu geraten: Ein merkwürdiges Anti-Euro-Bündnis, das linke EU-Skeptiker mit rechten Nationalchauvinisten vereint, könnte ihnen die zweite Niederlage innerhalb eines Jahrzehnts bescheren.

Bis zum Auftreten der FP, die erst seit vier Jahren eine Rolle in der dänischen Politik spielt, war die EU-Gegnerschaft von linken und liberalen Gruppen dominiert. Sie reichte von der radikalen Linken über parlamentarische Gruppen wie die linksradikale Enhedslisten bis hin zur gemäßigten, ehemals eurokommunistischen Sozialistischen Volkspartei (Socialistik Folkeparti, SF). Auch innerhalb der Sozialdemokratischen Partei des Premierministers und Euro-Befürworters Poul Nyrup Rasmussen gab es immer eine starke Minderheit von EU-Gegnern. Die linke Euro-Opposition richtete sich vor allem gegen die Gefährdung des dänischen Wohlfahrtssystems. Hinzu kam die Sorge, die »Lobbykratie« im weit entfernten Brüssel könnte hinter den Kulissen nach Dänemark hereinregieren.

Als die EU-Gegner 1992 eine knappe Mehrheit der dänischen Bevölkerung davon überzeugten, gegen eine Ratifizierung des Maastrichter Vertrages zu stimmen, war die nationale Euphorie groß. Ein Jahr später kam es jedoch - nach einem unausgesprochenen Angebot zur Regierungsbeteiligung - zum so genannten Nationalen Kompromiss zwischen den Pro-EU Parteien und der Sozialistischen Volkspartei.

Im Mai 1993 unterzeichnete Dänemark den Maastrichter Vertrag mit einem Appendix, der vier Sonderklauseln für Dänemark enthielt: Dem Land wurde eine begrenzte Teilnahme an der militärischen und polizeilichen Zusammenarbeit zugestanden. Außerdem sollte Dänemark eine Sonderrolle bei der Vereinheitlichung der Ausweis-Dokumente in Europa spielen und vor der Umsetzung des dritten und letzten Stadiums der Währungsunion eine Abstimmung durchführen dürfen.

Diese Abstimmung soll nun am 28. September stattfinden. Erneut bemüht die sozialdemokratische Regierung den Nationalen Kompromiss und bittet die Öffentlichkeit, die dänische Teilnahme am Euro zu akzeptieren. Die jüngsten Umfragen deuten jedoch darauf hin, dass sie abermals eine Niederlage erleiden könnte. Die enttäuschte SF, die versprochene Regierungssitze nie erhalten hat, hat sich dieses Mal wieder den traditionellen EU-Gegnern angeschlossen.

Dazu hat jedoch mit der FP und ihrer Vorsitzenden Pia Kjærsgaard ein chauvinistischer Populismus der extremen Rechten an Boden gewonnen. Während die EU-Befürworter mit dem Problem kämpfen, dass die unmittelbaren Auswirkungen des Euro so gering sind, dass sie nicht kampagnentauglich eingesetzt werden können, erzeugt die FP mit einer populistischen Kampagne Ängste und Unsicherheiten. Die EU bedrohe die dänische Monarchie, die EU werde Renten verbieten, sie werde das Land für moslemische EinwanderInnen öffnen und bedrohe die staatlich verankerte Dänisch-Lutherische Kirche, die EU werde Dänemark zwingen, Moslems auf christlichen Friedhöfen zu beerdigen.

In nur vier Jahren ist die FP mit solchen Schlagworten zur drittstärksten Kraft in den Umfragen geworden. Sie profitiert dabei von einer politischen Stimmungslage, die von einem wachsenden Misstrauen in die politische Führung und besonders von einem Glaubwürdigkeitsschwund des Premierministers Poul Nyrup Rasmussen geprägt ist. Ein Übriges tut der schwache Euro-Kurs, der die dänische Krone, die seit Anfang 1999 mit einem festen Leitkurs bei einer Toleranz von lediglich 2,25 Prozent an den Euro gebunden ist, mit hinunterzieht.

Die FP verdankt ihr Wachstum in erster Linie frustrierten ArbeiterInnen und RentnerInnen, die bisher vor allem sozialdemokratisch wählten. Geschickt schafft es die FP-Vorsitzende Pia Kjærsgaard, Sorgen um die Sicherheit des Arbeitsplatzes und der Renten gegen ausländische Arbeitskräfte zu richten und auch gegen EU-Direktiven zu instrumentalisieren, welche angeblich die Besitzstände der Empfänger von Sozialleistungen angreifen könnten.

Bei diesem letzten Kritikpunkt finden sich auch Berührungen mit linken Euro-Gegnern. Dennoch hätte Rasmussen, wenn er sich bei seiner Kritik auf den Chauvinismus der Euro-Gegner konzentriert hätte, auch viele linke Skeptiker überzeugen können. Anstatt jedoch die geringen Risiken des Euro zu seinem Hauptargument zu machen, um noch zögernde Sozialdemokraten von den Vorzügen der gemeinsamen Währung zu überzeugen, zog es Rasmussen vor, die linken Euro-Gegner zu denunzieren, indem er sie in dieselbe Ecke steckte wie die Rechten.

In seinem beharrlichen Kampf für ein Ja beim dänischen Referendum versuchte Rasmussen alle Parteien für eine »Garantie-Erklärung« zu gewinnen, das dänische Pensionssystem bleibe auch im Falle der Euro-Einführung unangetastet. Dieser Vorschlag wurde allgemein als Lippenbekenntnis gewertet, vergleichbar mit Versprechen, wie sie auch in Dänemark in der Hochphase von Wahlkämpfen gegeben und nach gewonnener Wahl alsbald zurückgenommen werden.

Doch Rasmussen setze noch eins drauf und bemühte sich, von den anderen EU-Regierungschefs eine ähnliche Garantie-Erklärung zu den dänischen Volkspensionen zu erhalten. Diese weigerten sich allerdings, sich in interne Angelegenheiten der dänischen Sozialpolitik einzumischen.

Der Autor ist Chefredakteur der dänischen Wochenzeitung Socialisten Weekend.