»Schatten der Wahrheit«

Kamera und Boden

Michelle Pfeiffer und Harrison Ford leben in einem großartigen Haus an einem tollen See irgendwo oben in Neu-England. Harrison Ford ist Norman Spencer, ein erfolgreicher Forscher, Michelle Pfeiffer ist Claire, liebende Mutter und leidenschaftliche Hausfrau. Nachdem die Tochter die Familie verlässt, um aufs College zu gehen, verbringt Doris Day - ich meine natürlich Michelle Pfeiffer - viel Zeit in dem tollen Haus und schaut so lange aus dem Fenster auf das Nachbargrundstück, bis sie plötzlich auf die Idee kommt, ihr Nachbar habe seine Frau umgebracht. Das stimmt aber nicht. Dann beginnt es in ihrem Haus zu spuken. Nun hat sie die Idee, dass in ihrer eigenen Umgebung irgendetwas nicht in Ordnung ist. Diesmal hat sie recht. Ford hat vor nicht allzu langer Zeit eine junge Frau kennen gelernt, und die ist seitdem verschollen.

»He's a spectacular craftsman«, sagt Harrison Ford über Robert Zemeckis. Es gibt nicht viel gegen gutes Handwerk zu sagen, gegen spektakuläres vielleicht aber doch. In diesem Film geht das so: Wie in anderen Gruselfilmen gibt es auch hier die schöne Idee einer durch den Raum schwebenden Kamera. Sie fährt auf Wandvorsprünge und Türöffnungen zu, von denen wir nicht wissen, was sich dahinter verbirgt. Manchmal passiert das in der Subjektiven von Michelle Pfeiffer, manchmal so, als sei eine unheimliche andere Person im Raum, vielleicht oder sogar ganz sicher diejenige, vor der Pfeiffer gerade Angst hat. Das heißt: Wir Zuschauer verlieren zuweilen die Orientierung (das ist ziemlich wichtig in einem Gruselfilm) und können durch den Perspektivwechsel auf die Idee kommen, wir selbst seien eventuell diejenigen, vor denen wir gerade noch gezittert haben (dann zittern wir noch ein wenig mehr).

Weil die Produzenten dieses Films spektakuläre Handwerker sind (und dazu noch Streber) schwebt die Kamera aber nicht nur in der Horizontalen, sondern sinkt im Laufe der Zeit immer weiter nach unten, Richtung Fußboden und zum Schluss sogar ein wenig darunter, buchstäblich zur Illustration des Titels »What Lies Beneath«. Dort liegt aber dann nur ein Drehbuchklischee, und dazu noch ein voraussehbares, und lügen tut dieses Klischee leider auch nicht. Ford und Pfeiffer spielen ihre Rollen, als sei ihr Foto gescannt und dann digital animiert worden.

Erst gegen Ende des Films hat man den Eindruck, als seien beide während der Dreharbeiten tatsächlich anwesend gewesen. Erst dann wird aus dem edlen Gruselschinken ein hübsches B-Movie. Und das ist ungewöhnlich, denn aus den meisten Filmen kann man getrost 20 Minuten vor dem Ende hinausgehen. Und zwar genau dann, wenn diese die traurige Pflicht erfüllen, die phantasiereich entworfene Exposition zu einem halbwegs sinnvollen Ende zu bringen. Der Zuschauer eines solchen Films täte also gut daran, sich zu diesem Zeitpunkt in den parallel laufenden Film »What Lies Beneath« in den Nachbarsaal zu schleichen, um sich dort die schönen finalen Szenen einer Ehe zwischen Michelle Pfeiffer und Rock Hudson anzusehen.

»Schatten der Wahrheit«, USA 2000. R: Robert Zemeckis. Start: 28. September