Steigende Erdölpreise

Öl in Wellen

Bauxit, Eisen, Kupfer - wer spricht schon über diese Rohstoffe, obwohl ihre Preise gelegentlich enormen Schwankungen unterliegen? Wenn aber das Öl mit 35 Dollar pro Barrel auf den höchsten Stand seit zehn Jahren klettert, überschlagen sich Zeitungen, Politiker und die Interessensvertreter der Industrie mit Erklärungsversuchen.

Wer ist schuld? Das ist die Frage, die alle bewegt. Die Regierungen, wegen der hohen Steuern, so lautet die am meisten verbreitete Erklärung der Oppositionsparteien, nicht nur in Deutschland. Dabei gibt es keinen einzigen Staat, in dem Steuererhöhungen maßgeblich mit der aktuellen Preisbewegung in Verbindung stehen.

Ist also die Opec schuld? Das zumindest behauptet der deutsche Wirtschaftsminister Werner Müller. Schließlich bestimme das Erdöl-Kartell die Fördermengen und treibe die Preise bewusst in die Höhe, um die Gewinne zu steigern. Dabei liegt der Anteil der Opec-Staaten an der weltweiten Ölproduktion unter 50 Prozent. Zudem haben die Opec-Staaten ihre Förderquoten allein in diesem Jahr schon dreimal erhöht und die technischen Grenzen ihrer momentanen Kapazität erreicht.

Wieder andere machen die Erdöl-Konzerne aus, wenn es gilt, Schuldige zu finden. Mittels Preisabsprachen trieben sie die Preise in die Höhe, argumentieren diejenigen, die plötzlich gegen das große Kapital wettern müssen. So etwa der deutsche Kanzler Gerhard Schröder oder dessen Verkehrsminister Reinhard Klimmt, der den Konzernen Raffgier vorwirft.

Doch auch wenn alle drei Aspekte ein klein wenig die Höhe des Ölpreises mitbestimmen: Tatsächlich sind die steigenden Preise fast ausschließlich eine Art Spiegelbild der zyklischen Konjunktur der Weltwirtschaft.

Ein Blick in die jüngere Vergangenheit macht das deutlich. Vor zwei Jahren, im Gefolge der Asienkrise, als die russische Wirtschaft beinahe zusammenbrach, die EU sowie Japan ökonomisch dahindümpelten und Teile Lateinamerikas an den Rand einer gewaltigen Rezession schlitterten, rutschte der Ölpreis wegen der sinkenden Nachfrage auf ein Tief von elf Dollar pro Barrel. Deshalb reduzierten die Opec-Staaten sowie die multinationalen Ölkonzerne ihre Fördermengen und verzichteten auf die Exploration weiterer Ölfelder.

Heute dagegen explodieren die Preise, und auch die Erdölproduzenten investieren wieder - eine Folge der zyklischen Erholung der Weltwirtschaft und der daraus resultierenden erhöhten Nachfrage. Durchschnittlich dauert es über ein Jahr, bis den Investitionen höhere Fördermengen folgen. Die meisten Analysten sind der Meinung, dass der Ölpreis aus diesen Gründen schon in den nächsten Monaten wieder fallen wird - unabhängig von Steuersenkungen und ähnlichen Maßnahmen.

Mit dem nächsten zyklischen Einbruch der Weltwirtschaft wird das Spiel von Neuem beginnen, mit den gleichen irreführenden Diskussionen, wie wir sie in den letzten Wochen ebenso wie Anfang der neunziger Jahre schon erleben konnten.

Ein anderes Thema sind die Folgen dieser Entwicklung. Vor allem in Europa trieb der schwache Euro die Ölpreise weiter nach oben. Besonders die unteren Einkommensschichten werden belastet, da sie einen verhältnismäßig großen Teil ihres Einkommens für Benzin oder Heizöl ausgeben müssen. Zudem kann die Industrie höhere Produktionskosten in der Regel an die Konsumenten weitergeben. Aber hätte jemand erwartet, dass die ärmeren gesellschaftlichen Schichten von den Bewegungen der großen Märkte profitieren?