Antisemitismus im Börseninformationsdienst

Die Natur des Konspirativen

Der Börseninformationsdienst Prior Börse aus Frankfurt am Main schlug kürzlich Alarm: »Israelische Firmen am Neuen Markt: Geldbeschaffung für den Mossad?« »Schwerwiegende Indizien« deuteten darauf hin, dass »zumindest einige der acht am Neuen Markt notierten israelischen Gesellschaften im Auftrag des Mossad handeln, dem schlagkräftigsten Geheimdienst der Welt. Sichere Beweise für eine solche These werden Sie allerdings selten finden. Das liegt in der Natur des Konspirativen.«

Als Beispiel dient eine Firma, die einen »Mini-Scanner in der Kugelschreiberspitze« herstelle. Dieses im Alltag »ziemlich unsinnige Produkt« eigne sich aber, so Prior Börse, »zum Kopieren von geheimen Dokumenten in Sitzungen, etwa bei den Camp-David-Verhandlungen«. Damit nicht genug: »Ein schönes Beispiel« sei auch »der jüngste Börsengänger aus dem gelobten Land«. Das Unternehmen vermarkte nämlich drahtlose Datenerfassungs- und Übertragungssysteme, die auch zur optischen und akustischen Raumüberwachung eingesetzt werden können. Zwei vage Beispiele genügen, schon schreitet Prior Börse zur Verallgemeinerung, mit einer Tabelle. Diese zeige, dass »eigentlich alle Produkte der israelischen Firmen aus einer geheimdienstlichen Anwendung stammen«. Auch die »Herkunft des Managements« wird zum »Indiz«: »Durch die Bank (!) waren Vorstände in leitender Stellung im israelischen Militär.« Daher müssten sie wissen, dass der Mossad »Hand in Hand mit der Armee arbeitet«.

So weit die »Indizien«, die dafür sprechen, dass der Mossad der Strippenzieher ist. Daran knüpft Prior Börse übergangslos wie folgt an: »Wie sehr es die israelischen Firmen auf das Kassemachen abgesehen haben, zeigt Ihnen unsere zweite Tabelle.« »Kassemachen« ist, wie praktisch für den Kritiker, tatsächlich im Original hervorgehoben. Das will den Lesern wohl sagen, dass es sich dabei um eine an der Börse recht ungewöhnliche Absicht handelt. Im Unterschied zu gemeinwohlorientierten deutschen Investoren, die aus dem Sparstrumpf schaffendes Kapital für die Entwicklung des Standortes Deutschland lockermachen, sind »die israelischen Firmen« aufs Raffen aus.

Diese Entgegensetzung ist aus dem völkischen Antikapitalismus hinlänglich bekannt, doch diese Geschichte kümmert den in die Zukunft schauenden Börsen-Informationsdienst nicht. Nicht dass Prior Börse keinen Sinn für deutsche Geschichte hätte. Der von der äußersten Rechten weit in die Mitte gewanderte deutsche Geschichtsdiskurs, nach dem »die Juden« die deutsche Geschichte instrumentalisierten, wird auch hier weitergetrieben. Altaktionären der genannten israelischen Firmen werden »Insider-Verkäufe« nach gehyptem Börsengang vorgeworfen. Da es für diese Verkäufe am Neuen Markt keine Meldepflicht gebe, bevorzugten »so viele Israelis die deutsche Wachstumsbörse«. Zudem sei es »politisch kaum vorstellbar, daß sich ein israelisches Unternehmen eines Tages wegen Prospekthaftung bzw. Prospektbetruges ausgerechnet vor einem deutschen Gericht verantworten sollte«. Hätte die National-Zeitung eine Börsenseite, sähe die so ähnlich aus.