Die junge Welt im Abokampf gegen Rechts

Genosse Kamerad

»Gegen Rechts« - mit diesem Argument wirbt die junge Welt um neue Abos. Manche Leser haben das Ostblatt allerdings ganz anders verstanden.

Das Thema Rechtsextremismus bzw. Antifa muss in diesen Tagen nicht nur zur Selbstdarstellung politischer Parteien und Initiativen herhalten. Auch die Medien, die diesen deutschen Dauerbrenner im Sommer plötzlich zum Ereignis erklärten, versuchen ihren Nutzen aus der Debatte zu ziehen. Das Thema schien geeignet, um das Sommerloch zu füllen, taugte aber auch als Zugpferd für Abo-Kampagnen. Die konservative Berliner Morgenpost aus dem Haus Springer etwa initiierte eine über Wochen laufende Aktion »Wir gegen rechte Gewalt«, bei der Promis völlig beliebige Erklärungen gegen Rechts bzw. gegen Nazis bzw. gegen Gewalt abgaben bzw. sich einfach für ein tolerantes Miteinander aussprechen durften.

Bei der stark angeschlagenen grün-alternativen taz heißt die Werbekampagne zum Thema »Aktion Z«, wobei »Z« für Zivilcourage oder auch für Zivilgesellschaft steht, da ist man sich auf der taz-Homepage nicht so ganz sicher. Jedenfalls sollen die Mitglieder der Zivilgesellschaft bei der Firma Energie Konzert & VeranstaltungsGmbH für 25 Mark ein schwarzes T-Shirt mit orangefarbenem »Z« erwerben. »Die Mehrheit zeigt sich«, so die Losung. Dabei beweist die Aktion das Gegenteil, nämlich, dass die Mehrheit eben keine Zivilcourage hat. Oder ist schon mal irgendjemand mit so einem T-Shirt gesichtet worden?

Aus der Anti-Nazi-Debatte Kapital zu schlagen versucht auch die sich gerne als linksradikal gebärdende junge Welt. Auch dieses Blättchen muss sich nur wenige Monate nach der letzten Rettungskampagne um seine Existenz sorgen. Und auch hier wird der Erhalt der Zeitung als Akt gegen den rechten Terror verkauft. »Sozialabbau, staatlicher Rassismus, Naziterror: 3 000 Abos gegen Rechts.«

Wieso es jedoch eine antifaschistische Aktion sein soll, die junge Welt zu abonnieren, kann wohl kaum jemand erklären. Zwar leistet sich das Blatt nach wie vor eine aus besseren Tagen stammende Antifa-Seite. Dort wird der Begriff Antifaschismus von Redakteur Werner Pirker jetzt zwischen Gänsefüßchen gedrängt, so in seinem Beitrag »Wider den politisch korrekten Antifaschismus« vom 21. September, der darauf hinausläuft, dass Antifa-Politik und Antirassismus eigentlich total überflüssig sind.

Und: Nicht etwa die SED mit ihrer rassistischen Ausländerpolitik und die marodierenden Nazihorden haben nach Ansicht von Pirker Ostdeutschland fast zur ausländerfreien Zone gemacht, sondern einzig die »Entfesselung des Kapitalismus, die Marktbarbarei« sei an der Gewalt schuld. Der DDR werde die Verantwortung völlig zu Unrecht »angedichtet«, und die Neonazi-Szene sei zu »marginal«, als dass man sich mit ihr um »die Straße« prügeln müsse. Den Antirassisten wirft er vor, mit ihrer »ständigen Denunziation ðdeutscher RassistenЫ nichts zur Veränderung der Verhältnisse beizutragen. Kein Wunder, dass die junge Welt in Zusammenarbeit mit ihren Unterstützern von der DKP und der Kommunistischen Plattform nur wenige Gelegenheiten auslässt - wie im Fall Gollwitz -, ostdeutsche Rassisten als Opfer der sozialen Krise in Schutz zu nehmen.

Beispielhaft dafür auch ein Leserbrief, den die junge Welt vor wenigen Wochen unkommentiert abdruckte. Überschrift: »Antikapitalismus national«. Ein Leser namens Alexej Brykowski aus Berlin wetterte darin gegen »die wahrlich apokalyptische Form der imperialistischen Weltdiktatur«, gegen Amerikanisierung und das internationale Kapital, um auf der anderen Seite den »Willen der Völker« und die eigenen nationalen Interessen zu verteidigen: »Was können wir für uns (Hervorhebung im Original) selbst tun? Vor allem - versuchen, die Gemeinsamkeit unserer Schicksale und Interessen - in der Nachbarschaft, in Deutschland, in Europa und weltweit - im Gegensatz zu den Ambitionen und Interessen der Mächtigen und Reichen zu begreifen.«

Weil also auch in dieser vermeintlich linken Zeitung die völkisch-deutsche Schicksalsgemeinschaft ihr Zuhause hat und der Rassismus auf einen natürlichen Reflex gegen den Krisenkapitalismus reduziert wird, findet die junge Welt ihre Leser - und vielleicht ihre künftigen »3 000 Abos gegen Rechts« - durchaus auch in rechtsextremen Kreisen. Der faschistische Kampfbund Deutscher Sozialisten (KDS) etwa hat auf seiner Homepage in der Linkliste zwischen Verweisen auf übelste Nazi-Seiten wie NPD, Frank Rennicke, Arnulf Priem, Siegener Bärensturm, Nationaler Widerstand usw. auch einen Link auf die junge Welt gelegt.

Auf Nachfrage per E-Mail gibt KDS-Chef Michael Koth folgende Einschätzung der jungen Welt: Die Zeitung habe einen »Doppelcharakter«, neben »Multikulti-Ergüssen« finde man darin eine »hervorragende Berichterstattung in den Bereichen Jugoslawien, Irak und auch Venezuela«. Auch in Sachen Libyen und China bringe die Zeitung »hervorragend recherchierte Artikel«. Während des Kosovo-Krieges habe sich die junge Welt »bleibende antiimperialistische Verdienste erworben«.

Koth erklärt, dass »ein Teil der Macher der jungen Welt - im Gegensatz zum wirklichen Zeckenblatt Jungle World - nicht unbedingt als unsere Feinde anzusehen« sind. Jungle World, so Koth in seiner E-Mail weiter, sei auch deshalb indiskutabel, weil diese Zeitung - anders als die junge Welt - »jede Form der Befreiung der Völker vom internationalen Kapital aufgrund ihrer Multikulti-Wahnvorstellung ablehnt«. Die junge Welt habe beispielsweise »sehr sachliche Artikel über geschichtliche Fragen des Dritten Reiches aus der Feder von Harald Wessel« gedruckt. Dessen Ausscheiden aus dem »Redaktionsstab« wird von Koth sehr bedauert. Im Übrigen, so Koth über die junge Welt, müsse man im Sinne der »Volksgemeinschaft« eben auch den Dialog mit »irregeleiteten Volksgenossen« führen.

Koth vom KDS ist kein harmloser Spinner, sondern durchaus eine Größe im Nazi-Milieu (Jungle World, 11/99). Er ist Betreiber der Homepage des Nazi-Rockers Arnulf Priem, schreibt regelmäßig in NPD-Postillen, gründete die Partei der Arbeit (PdAD) und die Gesellschaft zum Studium der Dschutsche-Ideologie, die die Lehren Kim Il Sungs verbreitet, und ist ein Freund des ehemaligen Kühnen-Stellvertreters Thomas Brehl.

Kontakt zur Linken ist jedoch für Koth nichts Ungewöhnliches. Schließlich kommt er vom Westberliner DKP-Ableger SEW, wechselte später zur KPD, suchte und fand nach dem Mauerfall Kontakt zu Stasi-Verbänden und DDR-Größen bis zu Erich Honecker. Koth war beim Nationalkomitee Freie DDR (NKFDDR) und beim Komitee Freiheit für Erich Mielke. Auch im Freundeskreis Ernst-Thälmann-Gedenkstätte e.V. Ziegenhals wirkte Koth mit, 1996 saß er mit den Herausgebern des Querfront-Blattes Sleipnir gemeinsam an einem Infotisch bei der Luxemburg-Liebknecht-Demo in Berlin.

Ob nun Koth seine Erkenntnisse über die zum Teil aus DKP und MfS stammenden »Macher der jungen Welt« aus seinen Zeiten bei der DKP/SEW, bei der ebenfalls vom MfS geförderten KPD, bei seinem Umgang mit DDR-Funktionären und Stasis nach der Wende oder erst in den letzten Jahren, etwa bei der Luxemburg-Liebknecht-Demo, gewonnen hat, darüber lässt sich nur spekulieren.

Niemand ist davor gefeit, von Rechten verlinkt zu werden. Entscheidend ist aber etwas anderes: eine politisch-ideologische Ausrichtung, die sich auf eine verkürzte Kapitalismuskritik und einen plumpen völkisch-nationalen Antiimperialismus stützt, und die jemand wie Koth interessant findet.

weitere Infos: www.jungewelt.de
www.kds-im-netz.de
www.priemaner.de

Antifaschistisches Info-Blatt, 46/99