Eta und die Linke

Sauberes Baskenland

Mit rücksichtslosen Angriffen und einem autoritären Politikstil ist die Eta dabei, sich die verbliebenen Sympathien in der Linken zu verderben.

Die Autobombe explodierte exakt in dem Moment, als der Dienstwagen von General José Francisco Querol in die Madrider Avenida de Badajoz einbog. Eine Sprengladung von 25 Kilo Dynamit zerfetzte am Montag vergangener Woche das Auto; Querol, sein Fahrer und sein Leibwächter waren sofort tot.

Der hochdekorierte General war Richter an Spaniens Oberstem Gerichtshof und gehörte seit 46 Jahren der Armee an. Seine Karriere als Militärrichter wurde durch den Übergang von der Franco-Diktatur zur konstitutionellen Monarchie nicht unterbrochen.

Er war der 16. spanische General, der von der Eta getötet wurde. Der erste war 1973 Luis Carrero Blanco, Admiral und Chef von Francos Regierung. Am Tag nachdem Carrero Blanco starb, war nicht nur im Baskenland der Sekt fast überall ausverkauft. Diesmal hingegen demonstrierten in Madrid 200 000 Menschen gegen die Eta.

Während der Anschlag auf Carrero Blanco monatelang sorgsam vorbereitet worden war - auch um keine Unbeteiligten zu treffen -, nahmen die Querol-Attentäter keinerlei Rücksicht. Die Bombe ging mitten in dem belebten Wohnviertel Arturo Soria hoch. Ein Bus fing die Wucht der Explosion ab, sonst hätte es noch mehr Verletzte gegeben. Sein Fahrer, José Sanchez, schwebt in Lebensgefahr, zum Glück hatte er nur sechs Passagiere. Insgesamt wurden 65 Menschen verletzt, davon zwölf schwer. Etwa 700 Wohnungen in den umliegenden Hochhäusern wurden beschädigt.

Die Strategie der Eta, den Konflikt mit dem Zentralstaat weiter zu eskalieren, wird mittlerweile selbst von ehemaligen Symphatisanten der Separatistenorganisation scharf kritisiert.

José Ramón Castaños von der Organisation Zutik, die aus zwei linken Eta-Fraktionen hervorgegangen ist, die sich in den sechziger Jahren abgespaltet hatten, hat kürzlich eine harsche Kritik an der Eta geschrieben, die in der Soz auch auf Deutsch erschienen ist: »Eta hat sich selbst übertroffen. Die Attentatskampagne dieses Sommers ist die blutigste und willkürlichste ihrer gesamten Geschichte.« Castaños kritisiert, dass die Eta immer weniger Polizei und Militär angreift, sondern vor allem politische Gegner und Kritiker der Eta.

Wie Juan María Jauregui, den die Eta am 28. Juli erschoss. Jauregui war ein linker Sozialdemokrat, der sich als Zivilgouverneur im Baskenland von 1994 bis 1996 um Aufklärung über die staatlichen Todesschwadrone GAL bemühte, die mehrere Dutzend Eta-Mitglieder und SympathisantInnen umgebracht haben - was der damalige sozialdemokratische Ministerpräsidenten Felipe González zumindest duldete. Die Hinrichtung Jaureguis schockierte viele Linke im Baskenland. Castaños dazu: »Die Morde von Eta kennzeichnen auch den Selbstmord der baskischen Linken, weil sie die politischen Ziele pervertieren, in deren Namen sie zu handeln vorgeben.«

Für Castaños ist die Eta keine linke Organisation mehr. Sowohl wegen der Verhaftungen und der Repression des spanischen Staates als auch als Folge der Bedingungen des bewaffneten Kampfes hat bei der Eta eine neue Generation die Leitung übernommen, die den antifranquistischen Kampf und die früheren Bündnisse mit der klassenkämpferischen und nichtnationalen Linken nur aus Erzählungen kennt: »Ihr Credo ist, dass in der Politik alles erlaubt ist und dass ein ungünstiges Kräfteverhältnis durch Terror verändert werden kann. Sie strebt nicht an, eine Mehrheit der Gesellschaft für die Verwirklichung ihres Programmes zu gewinnen, sie will vielmehr die Mehrheit, von der sie abgelehnt wird, durch Verbreitung von Angst neutralisieren.«

Zutik hat bereits mehrmals festgestellt, mit ihrer Rückkehr zu den Waffen habe die Eta nur wieder eine Militarisierung des Konfliktes bewirkt. Die spanische Regierung unter dem konservativen Ministerpräsidenten José María Aznar spiele dabei nur zu gerne mit - und habe die besseren Voraussetzungen, weil ihr mehr Mittel zur Einschüchterung und Repression zur Verfügung stehen.

Eine solche Kritik reicht aber nicht aus. Solange eine nationale, ethnisierte Polarisierung die Grundlage des politischen Handelns und der Nationalstaat das Ziel bleibt, kann es keine Lösung geben. Denn sie müsste etwas anderes sein als die gegenseitige nationalistische Ausgrenzung, die in der militaristischen Frontenbildung nur ihren gewalttätigsten Ausdruck findet.

Castaños geht, wie auch andere Mitglieder von Zutik, inzwischen weiter: Er kritisiert, dass sich die heutige Eta »als Avantgarde des baskischen Volkes versteht, was ihr angeblich das Recht verleiht, im Namen eines eingebildeten baskischen Volkes gegen die Mehrheit der Gesellschaft zu handeln. Ihre Ideologie - oft eine reaktionäre Mischung aus Stalinismus und fundamentalistischem Nationalismus.«

Am 22. Oktober wurde auf der Jahreskonferenz von Zutik lebhaft darüber debattiert, was in dieser Situation möglich sei. In einer Resolution kritisierte Zutik mehrheitlich »die Logik der strikten Treue zu den militärischen Aktionen der Eta bei der baskischen Linken, wodurch ein sehr negativer politisch-ideologischer Rahmen festgelegt wurde, der eine Öffnung hin zu neuen Sektoren der baskischen Linken verhindert«.

Gleichzeitig wurde die »neofranquistische Spanischtümelei« der konservativen PP-Regierung ebenso kritisiert wie die »Spanischtümelei des nationalen Konsenses« der sozialdemokratischen PSOE. Aber das entschuldige nicht, das Attentate von Eta den Anschein einer »ideologischen und ethnischen Säuberung« erweckten, wie es im Hauptreferat der Zutik-Jahreskonferenz zutreffend hieß.

Nichtnationale linke Aktivitäten und der nationale Aufbau der Eta liegen in der praktischen Politik dann auch regelmäßig über Kreuz. Anfang Oktober etwa startete Zutik zusammen mit der linken Jugendorganisation Hautsi eine Kampagne zur Legalisierung von Drogen. Joseba Martín, Josetxo Riviere und Mikel Isasi von Zutik stellten die Aktion Anfang Oktober in Bilbao vor.

Wenige Tage zuvor hatte sich die Eta zu einem Bombenanschlag auf die Disco »Txitxarro« in Deba bei Bilbao bekannt. Dort sei mit Drogen gehandelt worden. In der Erklärung verdammte die Eta den Gebrauch von Drogen, der den Kampf für die Befreiung des Baskenlandes beeinträchtige: »Hiermit machen wir in aller Klarheit deutlich, das der Konsum von Drogen nicht mit aktiver Politik vereinbar ist.«

Diese ordnungspolitische Attitüde der Eta sowie der Eifer ziviler linksnationalistischer Organisationen beim Aufbau protostaatlicher Institutionen für die Unabhängigkeit, die vor allem der Ausgrenzung aller vermeintlich nicht-baskischen Personen dienen, zeigen deutlich, wohin die Reise gehen würde, sollte es der Eta jemals gelingen, einen baskischen Staat zu gründen.