Streit um »Big Brother«

Wir wolln den Jürgen sehn!

»Big Brother« I war trashiger, fröhlicher und unberechenbarer.
Von

Als ich in der Zeitung (Bild) erstmals die Kandidaten der zweiten Staffel sah, dachte ich, hey, das könnte ja interessant werden. Allesamt Leute, wie sie auch nebenan am Tisch in meiner Stammkneipe sitzen könnten. Bei den Kandidaten der ersten Staffel wäre das definitiv höchstens bei John und Jona möglich gewesen. Aber Jörg, Alida, Steffi, Ebru, Frank, Hanka, Walter, Karim, selbst Harry - die würden dort nicht auffallen.

Also versprach »Big Brother« II größere Identifikationsmöglichkeiten und damit mehr Spannung. Doch Irrtum. Alle Bewohner entpuppten sich bereits in der ersten Woche als das, was sie sein sollten. Alle entsprachen zu hundert Prozent ihren vorgesehenen Rollen. Harry, der Gutmütige mit der rauen Schale und dem weichen Kern. Gähn. Walter, der Schönling, der sonst nix auf dem Kasten hat. Uhhh. Jörg, der Schwule, hampelt und tuntet herum. Boring. Steffi, die schon in der Bild - also drei Tage vor dem Einzug ins Haus - als »Führungsperson« bezeichnet wurde, versucht zu führen. Karim (»Das Leben ist zu kurz, um allein zu bleiben«, Bild) baggert wie doof die blonde Daniela an. Tja. Und Marion die Stripperin - strippt. Unglaublich, aber wahr. Diese Trivialität! Als ob am Anfang des »Tatort« verraten würde, wer der Mörder ist.

Das war bei »BB« I ganz anders. Dass Zlatko ein - im besten Sinne - so cooler Typ ist, wurde erst nach ein paar Wochen klar. Dass der sympathische John intellektuell genauso wenig auf der Pfanne hat wie Zladdy, bekam man erst nach und nach mit. Wer hätte sich am Anfang vorstellen können, auch nur eine Stunde mit Prollo-Jürgen in einem Raum eingesperrt zu sein? Und wie wichtig war die Stimmungskanone später tatsächlich für die positiven Schwingungen im Haus. Erhellend war für mich mitzubekommen, was für ein Dummbatzen dieser Alex ist, und wie er trotzdem auch in meinem eigenen Freundeskreis ständig verteidigt wurde. Spannend bis zuletzt die Frage, ob Andrea nun lesbisch ist oder nicht. Kerstin schien doch zunächst ganz nett, bevor sie sich als Nervensäge entpuppte. Despina wurde von der Bild vorher als Energiebündel angekündigt, war aber eine Depri-Nudel. Und Jana, das vermeintliche Fotomodell mit den »Liebeskugeln« - alles andere als eine Sexmaschine.

Bei »BB« I gab es etwas zu entdecken, bei »BB« II wird alles schon im Programmheft geliefert. Und dass dieser Christian I, diese Luftnummer, dieser Rummelplatz-Batman, sich als »Ekel« präsentieren konnte, ist der größte Witz. Dagegen war Alex doch das personifizierte Grauen. Christian

I war allenfalls ein besserer Thomas. Und Christian II, dieser hochpeinliche Nerv-Bazi: So einen offensichtlichen Clown-Charakter, so eine Reißbrett-Figur hätte es bei »BB« I nie geben können.

Ich will noch mal auf den sympathischsten Kandidaten von »BB« II zurückkommen, Jörg. Es spricht Bände, dass es Jörg nicht geschafft hat, im schwulen Teil des »BB«-Publikums Sympathiewellen auszulösen, im Gegensatz zu Moderatoren-Niete Percy Hoven (»BB« I), der eben nicht offiziell als Schwuler ins Beiprogramm gepackt worden war, aber zur wahren Kultfigur in der Homoszene avancierte!

Schon allein wegen Stotter-Percy und der peinlich-süßen Sophie »Kermit« Rosentreter lohnte sich die Wochenendausgabe von »BB« I. Oliver Geißen, Moderator der zweiten Staffel, ist hingegen viel zu gut für die Show. Er behält Distanz zum Geschehen. Und das genau wollen wir nicht sehen. Wir wollen das totale »BB«-Drama. »BB« I lebte auch davon, dass das Publikum vor den Container zog und Manu disste, was das Zeug hielt. Das war interaktives Fernsehen! Da brach die ganze Brutalität der Überwachungsshow heraus. Da wurde »Big Brother« erst zu Big Brother. Die bezahlten Claqueure der neuen Staffel muss ich mir echt nicht ansehen.

»BB« II kann man sich auch deshalb nur schwer anschauen, weil die Bewohner vom ersten Tag an nichts tun als rumzicken, nerven, hetzen, pöbeln. Big Zick! Bei »BB« I hielt sich die gute Stimmung über Wochen, bis dann ein langsamer und spannender Differenzierungsprozess losging und jedes offene Wort von Zladdy eine Zeitungsmeldung wert war. Ich mag eigentlich keine Leute wie Jürgen. Aber in so einem Containergefängnis braucht es offenbar so einen. Wir wolln den Jürgen sehn! Bei »BB« II herrschte von Anfang an miese Laune, kaum eine Party. Auch wenn der IQ bei den Bewohnern insgesamt um einiges höher liegen mag als bei den »BB«-I-Prolls, muss ich sagen, dass ich im ersten Container-Team vielleicht überlebt hätte, im zweiten definitiv nicht.