Afrikanische Botschaften sollen Abschiebungen ermöglichen

Billige Pässe

Um die für die Abschiebung notwendigen Dokumente zu bekommen, üben deutsche Ausländerbehörden Druck auf afrikanische Botschaften aus.

Die Genfer Flüchtlingskonvention und die rudimentär rechtsstaatlichen Prinzipien des Ausländerrechtes machen es möglich: Deutsche Beamte können nicht jeden Flüchtling abschieben, den sie gerne ausweisen würden, auch wenn er vielleicht schon seit Monaten in Abschiebehaft sitzt.

Ein weiteres, entscheidendes Handicap für die Ausländerämter besteht darin, dass sie viele Illegalisierte, die ohne Papiere aufgegriffen wurden, keinem Herkunftsland zuordnen können. Denn so prekär das Leben ohne Papiere auch ist, so bietet es doch begrenzten Schutz vor einer sofortigen Abschiebung: Um die »Rückführung von Personen ohne Aufenthaltsberechtigung« anordnen zu können, müssen die deutschen Behörden ein Reisedokument vorlegen - das so genannte Travel Certificate (TC).

Doch ob ein Flüchtling, der eine bestimmte westafrikanische Sprache spricht, nun aus Guinea, Sierra Leone oder dem Senegal kommt, können selbst Linguisten nicht genau sagen. Die Ausländerbehörden freilich hält das nicht davon ab, im so genannten Botschaftsanhörungsverfahren mehr als fragwürdige Kriterien heranzuziehen, um die Nationalität der Migranten festzustellen. Seit Jahren schon werden die Unidentifizierbaren ihren vermeintlichen Botschaftern vorgeführt, um die entscheidenden Zertifikate zu erhalten - weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit. Erst als im März in Hamburg ganze Gruppen von Abzuschiebenden den Botschaftern Gambias und Côte d'Ivoires präsentiert wurden, protestierten Flüchtlingsorganisationen vor dem Ausländeramt gegen diese Praxis.

Doch Hamburg ist kein Einzelfall. Der Leiter der Kölner Ausländerbehörde, Hans Günter Scharrer, bestätigt, dass Sammelvorführungen nicht nur in den Botschaften, sondern auch in vielen Ausländerämtern in Nordrhein-Westfalen üblich sind. Die Ämter bewegen sich damit in einer juristischen Grauzone. So bezeichnet es die Hamburger Rechtsanwältin Sigrid Töpfer als »reine Willkür«, Anhörungen in den Räumen der Ausländerämter durchzuführen. Nicht nur, dass es sich dabei um keinen »unantastbaren Hoheitsbereich« handelt, wie im internationalen Recht gefordert, auch diverse verwaltungsrechtliche Vorschriften - so etwa der Anspruch auf die Gegenwart eines Rechtsbeistands - würden missachtet.

Ebenso umstritten ist die Anhörung der Flüchtlinge in den Botschaften selbst. Denn nach dem Wiener Übereinkommen über konsularische Vertretungen von 1963 kann niemand gezwungen werden, die Botschaft seines Herkunftslandes zu betreten.

Einen einfallsreichen Sonderweg aus diesem Dilemma wählten im März 1999 die Münchener Behörden: Für zwei Tage funktionierten sie ein Flüchtlingswohnheim im Norden der Stadt in eine Exklave der Republik Togo um. 173 abgelehnten Asylsuchenden aus dem westafrikanischen Land wurden von Beamten des Folterregimes »die nötigen Heimreisedokumente« ausgestellt.

Derart gehorsam handeln andere Botschaften zwar nicht - doch ganz uneigennützig geht wohl kaum ein Konsulat bei der Ausstellung der Travel Certificates vor. So erstattete der Hamburger Senat den Botschaftsvertretern Gambias im März nicht nur Anreisegelder in Höhe von 3 800 Mark, sondern übernahm zusätzlich noch mehr als 4 700 Mark an Unterkunfts- und Verpflegungskosten. Auf eine Anfrage der Hamburger Regenbogenliste räumte der Senat außerdem ein, dass es für viele Ausländerbehörden schon als Erfolg gilt, wenn nur für ein Drittel der Abzuschiebenden TCs ausgestellt werden. Rechtsanwältin Töpfer bezeichnet dieses Vorgehen schlicht als »Form von Bestechung«. Schon Mitte der neunziger Jahre ließen sich Vertreter Gambias dazu verführen, Blanko-Reisedokumente auszustellen, die mit je 150 Mark honoriert wurden, berichtet Mathias Wagner, ebenfalls Anwalt in Hamburg.

Auf der anderen Seite fördern rechtliche Unkenntnis und das permanente Zittern um eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis die Gefügigkeit der Flüchtlinge, wenn sie zur Anhörung vorgeladen werden. Die Hamburger Ausländerbehörde drohte im März sogar Strafgelder bei Nichterscheinen an; wer »freiwillig« auftauchte, erhielt eine Duldung von sechs Monaten. Die Bereitschaft, einen Prozess gegen die Ausländerbehörde zu führen, so stellten Flüchtlingsgruppen fest, sank nach Bekanntwerden der Amtspraxis bei den Betroffenen erheblich.

Die Sprecher der Botschaften jedoch äußern sich zurückhaltend und ohne Namen zu nennen. Ein Mitarbeiter der Vertretung Senegals in Bonn räumte immerhin ein, dass die Vorführungen auf Wunsch der Ausländerbehörden durchgeführt wurden. »Andere haben klar gesagt, dass sie das machen, weil sie von der deutschen Regierung unter Druck gesetzt wurden«, versichert Senfo Tonkam. Der Kameruner gehört zu den Organisatoren einer Demonstration, die im September auf die Kooperation zwischen Botschaften und deutschen Behörden hinweisen wollte. »Wenn sie nicht mitmachen, bekämen sie keine Entwicklungshilfe mehr«, sei vielen Botschaftern durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) signalisiert worden, erklärt Tonkam.

Ein Vorwurf, den im BMZ niemand bestätigen will. Doch vielleicht hat sich das Problem inzwischen erledigt. Denn das im Juni von der Bundesregierung unterzeichnete, zwischen der EU und den AKP-Staaten (Afrika/Karibik-Staaten) vereinbarte Lomé-Nachfolgeabkommen von Cotonou enthält auch »Vereinbarungen zur Rückübernahme von Staatsangehörigen«, die sich illegal in Europa aufhalten. Es sieht vor, dass »auf Wunsch eines anderen Vertragslandes« die AKP-Staaten Verträge über »die Rückübernahme von Personen aus Drittstaaten« schließen müssen. Auf ihre Spesen müssen die afrikanischen Botschafter dann vielleicht verzichten.