Krise der FPÖ

Glück im Unglück

Pathische Projektionen verhindern, dass Erfahrungen gemacht werden. Alles, was einem zustößt, wird durch sie bruchlos ins wahnhafte Ganze integriert. In dieser Hinsicht erscheint der Popularitätsverlust von Haiders Partei wie ein Einbruch: Dort, wo eigentlich nur noch frei flottierender Rassismus und Antisemitismus vermutet werden konnte, sind scheinbar wieder Erfahrungen möglich. Zunehmend enttäuscht wendet man sich von der FPÖ ab.

Die Spitzel-Äffäre allerdings kann eine solche Erfahrung nicht sein. Wie könnten die FPÖ-Wähler plötzlich enttäuscht sein über Methoden, die sie doch immer bewundert haben? Die Faszination durch Gangstermanieren ging stets Hand in Hand mit der Sehnsucht nach dem Polizeistaat — und der illegale Zugriff auf Daten im Polizeicomputer, um den es nun geht, hat beides auf den Punkt gebracht. Der Skandal selbst stößt nur auf geringe Anteilnahme - und hier liegt das Problem, das Haider hat.

Schwieriger ist einzuschätzen, ob die neoliberale Sparpolitik der neuen Regierung einen Funken von Rationalität bei den so genannten Protestwählern erzeugt haben könnte - also bei Leuten, die vor allem für mehr Rassismus protestieren wollten, aber auf diese Weise auch für mehr nationalen Wohlstand. Hat sich hier vielleicht die Erfahrung eingestellt, dass die gewünschte Partei nun an der Regierung auch keine andere Politik machen kann, dass sie ebenso den Imperativen des Weltmarkts und der Europäischen Union folgen muss?

Jedenfalls ist die FPÖ schlicht zu langweilig geworden, sie bringt die Projektionen nicht mehr richtig in Schwung. Aus seiner derzeitigen Position kann Haider die Ressentiments kaum noch effektiv mobilisieren. Er vermittelt viel zu wenig, was man jetzt von ihm hören möchte: Solange fremde Mächte wie EU-Bürokratie und (jüdische) Spekulanten herrschen, »Wirtschaftsflüchtlinge« den Arbeitsmarkt und Drogendealer unsere Jugend verderben, bleibe Volkswohlstand eben aus. Gelingt es Haider nicht mehr, diesen Wahn glaubhaft zu verkörpern, wird er sich eines Tages damit abfinden müssen, nur ein Ferment bei der Erneuerung nationaler Identität in Österreich und der Integration neonazistischer Elemente in Europa gewesen zu sein.

Auf den Funken von Rationalität inmitten des Wahnhaften setzt der zivilgesellschaftliche Widerstand gegen Schwarzblau seine ganze Hoffnung - und demonstriert doch nur, wie erfolgreich die Erneuerung nationaler Identität verlaufen ist: Fast alles, was an diesem Widerstand einmal eine Bewegung gegen Rassismus und Antisemitismus war, hat sich in eine Bewegung für soziale Verträglichkeit des Staats verwandelt. Keine Rede also davon, dass Österreich gespalten wäre: Die Einigung wird nur vollständiger, die Volksgemeinschaft komplexer.

Geändert hat sich lediglich, dass die FPÖ, seitdem sie an der Regierung teilhat, nicht sehr erfolgreich darin ist, diese Gemeinschaft zu repräsentieren. Reüssiert hat vielmehr jene Partei , die schon vom Namen her am besten geeignet ist, die FPÖ zu ergänzen, womöglich zu ersetzen: die Österreichische Volkspartei. An ihr prallt alles ab, sie sitzt alles aus. Die ÖVP ist nach innen hin zum bürokratischen Apparat der FPÖ geworden und betreibt die Rationalisierung; nach außen ist sie aber ein Ensemble aus Chargen, dazu da, Haiders Politik so zu mimen, dass sie auch in Europa verstanden wird.

Etwaige Differenzen mit dem Inhaber der Urheberrechte von »Faschismus in Krähwinkel« werden vorläufig beim Heurigen ausgeräumt. Dass es vergangenen Donnerstag der Tag der Reichspogromnacht war, an dem man zur koalitionären Versöhnung die Gläser klingen ließ, zeigt nur, wie sehr man sich der gemeinsamen Voraussetzungen bewusst ist.

Sollte die Enttäuschung dennoch weiter zunehmen, muss darin nicht unbedingt eine Erfahrung liegen. Wie damals im Großen, kann es jetzt im Kleinen heißen: Hitler hat uns betrogen, aber die Juden bleiben unser Unglück.