Das FPÖ-Idol in der Defensive

Der König der Herzen

Jetzt, so steht in den Zeitungen zu lesen, zeige sich, dass die FPÖ in ihrem tiefsten Wesen eben doch eine Oppositionspartei sei, die an der Regierung nur verlieren könne. Auch wenn aktuelle Umfragen darauf hindeuten, muss sich das erst noch zeigen.

Deutlich geworden ist jedoch, dass die Partei sich aufgespalten hat in mindestens zwei konkurrierende Flügel. Auf der einen Seite stehen als etablierte Macht Parteichefin und Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer, deren Loyalitätsbekundungen zu Haider genau das Gegenteil bekunden, und ihre Regierungsmannschaft. Auf der anderen Seite steht die Macht »von unten«. Und an deren Spitze steht nur einer: Jörg Haider natürlich.

Die Passers und Grassers und Prinzhorns und wie sie alle heißen, haben allesamt eine Vergangenheit als Haiders Hofschranzen hinter sich. In Haiders Kalkül sollten sie das in aller Heimlichkeit auch bleiben. Seine Heloten sollten die Republik sturmreif schießen, während Haider in seiner Kärntner Alpenfestung die Stunde abwarten wollte, bis die Nation einst seiner bedürfen würde.

Daraus ist nichts geworden. Auch Haider hat erkannt, dass ihm der gerade Weg zur Macht zumindest für die nächsten Jahre verbaut ist. Verantwortlich macht er dafür »die Jagdgesellschaft«, sprich all jene, die ihm persönlich jemals geschadet haben. Die Justiz, die mit 60 Beamten gegen ihn und seine Komplizen in der Spitzelaffäre ermittelt, die Medien, die sich an dem Skandal weiden, das Ausland, das sich eingemischt hat in Österreichs Politik, die Sozis, die Haider hinter jedem Baum sieht - hinter der Kampagne gegen sich und seine Partei vermutet er die Sozialistische Internationale -, den Koalitionspartner ÖVP, der überall gelobt wird für sein geschicktes Taktieren gegen die FPÖ. Und schließlich natürlich die »lieben Gesinnungsfreunde«, vorzugsweise jene in Wien, die reihenweise disziplinlos zurücktreten, die sich nicht an die - womöglich unausgesprochene - Abmachung halten, dass er, Haider, natürlich der wahre Chef zu bleiben habe.

Ein anderer würde an diesem Punkt vielleicht zurückstecken, würde einsehen, dass er das Spiel verloren hat. Nicht jedoch der Kärntner. Er lädt durch und bläst zur »Jagd auf die Jagdgesellschaft«. »Bei all ihren Intrigen haben unsere Feinde mit einem nicht gerechnet«, donnerte er dem Klagenfurter Sonderparteitag der FPÖ entgegen: »Mit unserer unbegrenzten Kraft, Unrecht abzuschaffen und Recht durchzusetzen!«

»Unbegrenzte Kraft«, »Vernichtung der Freiheitlichen«, »das System hat uns den Krieg erklärt«: Haiders Vokabular verrät etwas von der Paranoia, die ihn erfasst hat. Die Welt ist ihm feindlich gesonnen, Geborgenheit findet er in der »Gemeinschaft«. Immer wieder taucht der Begriff auf, doch was Haider damit meint, ist nicht eindeutig zu sagen. Sein»Gemeinschafts«-Begriff oszilliert, einmal scheinen seine Getreuen gemeint zu sein, ein andermal die Österreicher, kurz danach »die uns anvertraute Gemeinschaft« der Skifahrer, die es gelte, vor dem Flammentod im Bergbahnwagen zu schützen.

Die Unschärfe ist durchaus beabsichtigt: Das FPÖ-Volk, verunsichert durch Spitzelaffäre und Misserfolge der Partei, sucht neuen Halt. Und Haider, der sich rechtzeitig aus der Mitverantwortung für die Wiener Regierungspolitik zurückgezogen hat, bietet zumindest emotionalen Halt. Wenn er schon nicht Kanzler werden kann, so doch wenigstens König der Herzen. Und, wer weiß, auf diesem Umweg vielleicht doch eines Tages Kanzler. »Das System« muss es ja nicht ewig geben.