Kirch kauft die Formel 1

Feuersteins auf der Rennstrecke

Hinter der geplanten Übernahme von EM.TV durch Leo Kirch steckt mehr als nur ein Mediengeschäft: Kirch kauft sich die Formel 1.

Einen Börsenstart, wie EM.TV ihn hinlegte, hatte es noch nie gegeben. Die Aktien des Unternehmens, das zunächst nur mit Lizenzrechten für Zeichentrickfilme handelte und vor drei Jahren den Sprung auf den Neuen Markt wagte, stiegen um 20 000 Prozent, der Medienkonzern war zeitweilig mehr wert als die Lufthansa. Wer 1997 für 10 000 Mark Anteile an Familie Feuerstein und Jogi Bär gekauft hätte, wäre schnell zum Millionär geworden. Geschichten wie diese sorgten für einen in der Bundesrepublik noch nie erlebten Run auf die Aktien des Neuen Marktes.

Hinter EM.TV stehen die bayrischen Brüder Thomas und Florian Haffa. Der 48jährige Thomas hatte bei Kirch das Videogeschäft aufgebaut und sich dann im Jahr 1989 von seinem »Ziehvater« (Spiegel) im Guten getrennt, beide zusammen betreiben immer noch Junior TV. Auch mit EM.TV konzentrierte sich Haffa zunächst auf Kinder- und Jungendsendungen wie »Tabaluga«. Rasch verfügte er über 15 000 Stunden Programm, mit denen er u.a. die Kirch-Sender Sat.1 und Pro 7 beliefert.

Nach den rasanten Kurssteigerungen gelang es den Haffa-Brüdern, das Unternehmen weltweit expandieren zu lassen. Bei EM.TV träumte man davon, ein Global Player zu werden, der eines Tages sogar dem Disney-Konzern Konkurrenz machen könnte. Dank spektakulärer Übernahmen, wie etwa der US-amerikanischen Jim Henson-Company, sah es zunächst so aus, als könne dies auch gelingen.

Denn noch vor einigen Monaten konnte man einen weiteren Coup bekannt geben, der mit dem Ursprungsgeschäft kaum etwas zu tun hatte. Mit 50 Prozent beteiligte sich EM.TV an der Formel 1, einem Geschäft, das auf den ersten Blick äußerst lukrativ wirkte. Als »Riesenschritt auf dem Weg zu einem der bedeutendsten Medienkonzerne der Welt« hatte Thomas Haffa den Abschluss damals gefeiert. Schließlich sei die Formel 1 mit 4,5 Milliarden Zuschauern »das bekannteste sowie lukrativste Sport- und Entertainment-Ereignis der Welt«.

Aber schon kurze Zeit später gab es Spekulationen, der 3,6 Milliarden Mark teure Deal werde EM.TV übermäßig belasten. Analysten erklärten, das Unternehmen sei vom Boss der Formel 1, Bernie Ecclestone, »über den Tisch gezogen worden«. Denn die Option auf weitere 25 Prozent des Formel 1-Vermarkters SLEC, der ursprünglich Ecclestone und seiner Frau gehört hat, sei »nur ein Risikofaktor«. Die einseitig bindende Put-Option wird im Mai nächsten Jahres fällig und muss, wenn Ecclestone dies verlangen sollte, eingelöst werden. »Doch die dafür benötigten zwei Milliarden lassen sich nicht mehr so leicht beschaffen«, mutmaßte Spiegel online.

Zu diesem Zeitpunkt war der Kurs des Senders schon heftig ins Rutschen geraten. 17,58 Euro kostete die Aktie zeitweilig nur noch, ein Minus von rund 80 Prozent gegenüber den Spitzenwerten im Februar dieses Jahres. EM.TV konnte bekannt geben, was es wollte, die Kurse fielen unbeeindruckt weiter.

Mitte Oktober musste Thomas Haffa zudem gegenüber der »Tele-Börse« den Ausstieg der US-Großinvestoren Hellman & Friends bestätigen. Die Familie Hellman habe sich bereits von 3,8 Millionen Anteilen getrennt, weitere 5,3 Millionen könne sie erst nach Ablauf der Haltefrist Ende Februar 2001 verkaufen. Und das auch nur nach Absprache.

Auch Haffas Hinweis, eine Beteiligung der führenden Automobilhersteller an der SLEC sei nicht auszuschließen, machte wenig Eindruck. Ebenso wenig zog der Versuch Florian Haffas, die aufgeschreckten Anleger zu beruhigen. Das Jahresziel, 1,6 Milliarden Mark umzusetzen und einen Profit von 600 Millionen Mark vor Steuern und Zinsen zu erzielen, sei nicht gefährdet, erklärte er knapp zwei Wochen später.

Kurz danach musste Florian Haffa seinen Posten als Finanzvorstand aufgeben. Seitdem ist er nur noch Stellvertreter seines Bruders. Der neue Finanzvorstand Rolf Rickneyer machte umgehend erschreckende Entdeckungen. Gemeinsam mit Wirtschaftsprüfern fand er in der Bilanz falsch verbuchte Gewinne, hinzu kam, dass die US-Tochter Jim Henson Company bisher unbekannte Verluste gemacht hatte.

In der letzten Woche fiel die EM.TV-Aktie so drastisch, dass sie den gesamten Neuen Markt mitzog, das Papier verlor 20 Prozent. Gerüchte über angebliche Liquiditätsprobleme hielten sich hartnäckig. Diese könne man eben nicht widerlegen, kommentierte ein Sprecher des Unternehmens knapp.

Oder will man sie einfach nicht widerlegen? Denn nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll EM.TV noch diese Woche von der Kirch-Gruppe übernommen werden. Thomas Haffa würde nach diesem Szenrio mit Anteilen von zwei bis drei Prozent an der Kirch-Media AG für den Verlust entschädigt und soll darüber hinaus eine Barabfindung von »deutlich weniger als einer Milliarde Euro« erhalten. Der SZ-Bericht erscheint glaubwürdig, weil Haffa und Kirch ohnehin Geschäftspartner sind.

Um einen puren Freundschaftsdienst dürfte es sich bei der Übernahme trotzdem nicht handeln. Was steckt also dahinter? Und wem nützen die derzeit niedrigen Kurse, die den Wert von EM.TV nicht widerspiegeln? Im Internetportal »sportal« konnte man letzte Woche lesen, es sei »im höchsten Maße unwahrscheinlich, dass EM.TV akute finanzielle Probleme plagen, denn dann hätten die Hausbanken längst Alarm geschlagen«. Im Gegenteil sei »ein anderes Szenario glaubwürdig«.

EM.TV schwächelt zwar, aber Kirch kommt das nicht ungelegen. Wie sein finanzstärkster Konkurrent, Rupert Murdoch, hat er ein Auge auf das Unternehmen geworfen. Weil die Haffa-Brüder derzeit nur knapp 50 Prozent der EM.TV-Anteile halten, müsste ein potenzieller Interessent weitere Anteile an der Börse kaufen, um eine Kontrollmehrheit zu erlangen. Die Aktien des Unternehmens sind momentan, nicht zuletzt wegen der Gerüchte der letzten Wochen, extrem günstig zu haben, und so könnte Leo Kirch recht preiswert zu dem kommen, was ihn an EM.TV wirklich interessiert: die Formel 1-Rechte.

Im Pay-TV-Sender Premiere World werden zwar bereits die Rennen von Schumacher, Häkkinen und Co. übertragen, die Rechte an der ungleich populäreren unverschlüsselten Ausstrahlung aber liegen bei RTL.

Der Sender fährt damit sehr gute Gewinne ein, die Einschaltquoten sind extrem hoch, selbst bei Trainingsläufen lassen sich die Werbeplätze leicht verkaufen. Da der Vertrag zwischen Formel 1-Boss Bernie Ecclestone und RTL jedoch 2003 ausläuft, könnte Kirch mit dem Anteil an der Sportveranstaltung die Übertragungsrechte für seinen Sender Sat.1 erwerben. Schließlich wäre er, so das Portal »Autouniversum«, »mit seinen Anteilen an SLEC und dem Pay-TV-Sender Premiere World gleichzeitig Mitbesitzer und Lizenznehmer an den TV-Rechten für die Formel 1«.