MigrantInnen protestieren gegen spanische Ausländergesetze

Bewegung ohne Pass

In der südspanischen Provinz Almeria findet die erste große Mobilisierung der »sin papeles« statt.

Die Plantagen seien eine »klimatisierte Hölle«, die Arbeitskräfte alltäglichem Rassismus und unmenschlichen Arbeitsbedingungen ausgesetzt. »El Ejido, Land ohne Gesetz«, heißt es in dem Bericht des Europäischen Bürgerforums Foro Cívic über die Arbeits- und Wohnbedingungen der MigrantInnen in der südspanischen Provinz Almeria, der im November veröffentlicht wurde. Jetzt ist die Empörung bei den lokalen Medien, Parteien und Gewerkschaften groß. Alle fühlen sich falsch verstanden.

Der Anlass des Berichts waren die rassistischen Ausschreitungen in El Ejido (Jungle World, 08/00), bei denen im Februar zahlreiche MigrantInnen zum Teil schwer verletzt worden waren. Eine Delegation des Forums besuchte daraufhin im April vier Tage lang die Region und sprach mit MigrantInnen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Lokalpolitikern.

Der Report entbehre jeglicher Grundlage und bringe nur die Gemeinde von El Ejido in Misskredit, beteuerten Politiker, Unternehmer und Gewerkschafter auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz vergangene Woche. Sie befürchten nun, dass es wegen des Berichts einen Boykott der Produkte geben könnte. Den an dem Bericht beteiligten NGOs sollten daher umgehend alle Subventionen gestrichen werden, ereifert sich ein Sprecher der konservativen Partido Popular (PP). Zudem hätten sich die Arbeitsbedingungen mittlerweile erheblich verbessert.

»Nichts hat sich verändert«, erzählt Mohammed*, der seit über zehn Jahren in El Ejido lebt. »Ganz im Gegenteil, alles ist noch viel schlimmer geworden.« Von den Versprechungen, die ihnen nach dem Pogrom gemacht wurden, sei nichts eingehalten worden.

Insbesondere wurde den MigrantInnen zugesagt, dass sie bald eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten würden. Denn wer sich vor dem 1. Juli 1999 in Spanien aufgehalten hatte, konnte nach dem damals gültigen Ausländergesetz seinen Status legalisieren. Doch allein in Almeria leben immer noch rund 10 000 MigrantInnen ohne gültige Papiere. »Wir sind mit Booten über die Meeresenge von Gibraltar gekommen, haben unser Leben riskiert, mussten viel Geld dafür bezahlen und haben jahrelang hier gearbeitet. Wir wollen jetzt Papiere, wir wollen arbeiten. Nicht mehr.«

Mit dem neuen Ausländergesetz, das die spanische Regierung Ende November verabschiedet hat, haben sich die Bedingungen für die MigrantInnen sogar noch verschlechtert. Nur wer über eine gültige Aufenthaltserlaubnis verfügt, darf künftig die staatliche Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen. Ebenso wurde das Recht auf Familienzusammenführung eingeschränkt. Und auch die Abschieberegelung wurde verschärft. Wessen Arbeits- oder Aufenthaltserlaubnis seit mehr als drei Monaten abgelaufen ist, kann jetzt innerhalb von 48 Stunden ausgewiesen werden. Bisher galt dieses Vergehen nur als Ordnungswidrigkeit. Zudem wird den Illegalen das Recht auf Streik und gewerkschaftliche Organisation verweigert. Obwohl die sozialdemokratische Partei (PSOE) das Gesetz im Senat blockieren will, wird sie dessen Verabschiedung nicht verhindern. Die PP verfügt über die absolute Mehrheit.

Aus Protest gegen die geplante Gesetzesverschärfung und den ungeklärten Aufenthaltsstatus besetzten im September rund 500 Personen eine Kirche in Almeria. Über 70 MigrantInnen beteiligten sich an der Aktion, ein Teil von ihnen begann anschließend einen befristeten Hungerstreik. Auch Mohammed schloss sich den Besetzern an. »Nachdem wir drei Tage vor einem Regierungsgebäude schliefen und keine Beachtung fanden, sind wir in die Kirche gegangen. Auch dort verbrachten wir über eine Woche, bis die ersten Politiker und Gewerkschafter erschienen.«

Eine, die die Besetzung von Beginn an unterstützte, ist Maria*. Sie arbeitet in der im Februar gegründeten Initiative Leben ohne Rassismus. »Ich komme selbst aus El Ejido und musste damals auch vor den Angriffen fliehen. Wir haben im März den Streik mit den MigrantInnen organisiert und angefangen, mit den Bauern und den Politikern zu verhandeln. Damals handelte es sich noch um eine Reaktion auf die rassistischen Übergriffe. Die Kirchenbesetzung hingegen ist die erste große Mobilisierung der ðsin papelesÐ in Spanien.«

Die Besetzer forderten, dass die im März zugesagten Vereinbarungen endlich eingelöst werden: Entschädigung für zerstörtes Eigentum, Legalisierung des Aufenthaltstatus, Bereitstellung von Wohnraum und geregelte Arbeitszeiten. Nach langwierigen Verhandlungen erhielten die MigrantInnen vage Zusagen. Mohammed zeigt eine Liste mit über 400 Namen, stellt aber sogleich klar, dass sich bisher nicht viel ergeben hat. »Bisher wurden nur wenige Papiere ausgestellt.«

Die Besetzer haben jedoch nicht nur mit den Behörden zu kämpfen. Insbesondere mit Almeria Acoge - einem staatlich finanzierten Verein, der MigrantInnen juristisch beraten soll - kam es zu heftigen Konflikten. Ausgerechnet diese Organisation zeichnete sich durch geschicktes Ausspielen der Interessen der MigrantInnen aus. »Ein Mitarbeiter von Acoge kam zu uns in die Kirche und erklärte, dass wir jetzt mit der Besetzung aufhören könnten. Es gebe jetzt Papiere für alle«, erinnert sich Mohammed. Später stellte sich heraus, dass es sich dabei nur um eine Zusage gehandelt hat, die Anträge flexibel und großzügig zu bearbeiten.

Seit einigen Wochen hat sich Almeria zu einem Anlaufpunkt der »sin papeles« entwickelt. Aus ganz Spanien kommen Tausende von MigrantInnen in dem Glauben in die Stadt, dass sie in Almeria noch Papiere erhalten könnten - obwohl der Prozess der Legalisierung bereits seit Ende Juli abgeschlossen ist. Inzwischen ist sogar die Polizei aktiv geworden, mehrere Menschen wurden festgenommen. Dennoch schlafen weiterhin bis zu 2 000 Menschen auf der Straße.

Viele der angereisten MigrantInnen besitzen ein Dokument von Almeria Acoge, mit dem eine Aufenthaltserlaubnis nach Artikel 31.2 des Ausländergesetzes beantragt werden kann. Dieser Paragraf erlaube den Aufenthalt in Spanien aus humanitären Gründen, jedoch nicht die Aufnahme einer Arbeit.

Voraussetzung ist ein medizinisches Gutachten, das die Gesundheit des Antragstellers bestätigt. So ergibt sich die paradoxe Situation, dass sich derzeit Hunderte von MigrantInnen einer medizinischen Untersuchung unterziehen und dafür bis zu 100 Euro zahlen müssen. Die Ausländerbehörden haben jedoch schon klargemacht, dass sie dennoch keine Papiere erhalten werden.

* Namen von der Redaktion geändert.