Christine Ostrowski will OB von Dresden werden

Vorsicht, Feind steht links

Christine Ostrowski will im nächsten Sommer Oberbürgermeisterin von Dresden werden. Seit Anfang der neunziger Jahre plädiert die PDS-Bundestagsabgeordnete für strategische Bündnisse mit Rechten.

Die Frau hat ein klares Weltbild. »In der Zeit, in der Westlinke ihre Positionen ausdiskutieren, haben Ostlinke gewöhnlich zwei Kindergärten, eine Straßenbahnlinie sowie ein Jugendhaus gerettet und obendrein einundfünfzig Mietern zu erfolgreichen Einsprüchen gegen überhöhte Mietnebenkosten verholfen.« Das behauptet zumindest die PDS-Bundestagsabgeordnete Christine Ostrowski, die mit der misslungenen Polemik auf ihrer Homepage die Dominanz der Westlinken in der PDS beklagt.

Dabei hat Ostrowski, die sich nach eigenem Bekunden gerne als »Ossi« bezeichnen lässt, selbst immer wieder für monatelange Diskussionen gesorgt. Schon Anfang 1993, damals als stellvertretende PDS-Bundesvorsitzende, traf sie sich mit Constantin Mayer, einem Kader der 1992 verbotenen Nationalen Offensive (NO), zu einem mehrstündigen Gespräch. »Ausgrenzender Antifaschismus ist nicht hilfreich«, verteidigte sie die Begegnung. Dabei habe sie heraus gefunden, dass ihre sozialen Forderungen »bis hin zum Wortlaut« mit denen des Neonazis übereinstimmten. Erst auf den Druck der Parteiführung gab Ostrowski ihr Amt im Bundesvorsitz ab.

Der Dresdener Stadtverband hingegen rückte nicht von Ostrowski ab, mit überwältigender Mehrheit sprach ihr der Vorstand nach dem Treffen mit Mayer das Vertrauen aus. Ein Jahr später kandidierte sie für den Posten der Oberbürgermeisterin der Elbstadt.

Im Juni nächsten Jahres will die 54jährige es erneut versuchen. Um den amtierenden CDU-OB Herbert Wagner abzulösen, hatte die PDS im Mai zunächst auf einen gemeinsamen Kandidaten mit den Grünen und der SPD gesetzt. Wunschkandidat der demokratischen Sozialisten: das frühere SED-Mitglied Wolfgang Berghofer. Der Parteilose stand in der Endphase der DDR an der Spitze der Stadt und ist heute als Wirtschaftsberater tätig.

Doch Ende Oktober torpedierte die SPD den Vorschlag und stellte mit dem sächsischen Landtagsabgeordneten Karl Nolle einen eigenen Kandidaten auf. Da Berghofer nicht ohne die Unterstützung der SPD antreten wollte, wurde der Weg für Ostrowski frei. Auf die Rücknahme des von der SPD-Landeschefin Constanze Krehl angestellten Vergleichs von PDS und NPD, die Berghofer weiter zur Bedingung für eine Kandidatur macht, dürfte Ostrowski ohnehin keinen großen Wert legen.

Denn die linke Binsenweisheit, dass der Feind rechts steht, hat sie nie interessiert. Gemeinsam mit dem PDS-Fraktionsvorsitzenden im Dresdener Stadtrat, Ronald Weckesser, veröffentlichte sie im Mai 1996 den »Brief aus Sachsen«. Ihr Ratschlag an die Mitglieder: »Nach strategischem Vorbild der CSU« solle sich die PDS auf ihre ostdeutschen Wurzeln berufen und endlich Schluss machen mit der unfruchtbaren Westausdehnung. Ziel müsse eine Verbesserung für die »hier lebenden Menschen« sein, nicht die Unterstützung von »linksradikalen Redezirkeln« im Westen oder gar »Leuten, die randalierend durch die Gegend ziehen und behaupten, sie seien Linke«: »Wer in pseudo-revolutionärer Aufwallung das Auto seines Nachbarn anzündet oder Bahngleise zerlegt, um so eine Meinung zur Kernenergie zu bekunden, ist ein Fall für die Polizei, nicht aber für linke Solidarität.«

Mit solchen Ansichten stehen Ostrowski und Weckesser in Sachsen keineswegs allein. Der Landesvorstand und dessen Vorsitzender, Peter Porsch, stärkten schon im Frühjahr 1999 ihr anti-antifaschistisches Profil, als sie eine Antifa-Demo in Wurzen zu verhindern suchten. »Demo-Tourismus« lautete denn auch der Vorwurf von Kerstin Köditz, der PDS-Vorsitzenden des Muldentalkreises, an die OrganisatorInnen. Sie ist Mitverfasserin eines Papieres zum Antifaschismus, in dem dieselbe Ausrichtung vertreten wird wie von Ostrowski. Jeglichen »autonomen« Antifa-Aktivitäten wird eine Absage erteilt. Pressesprecher Porschs wiederum ist Marcel Braumann, ehemaliger ND-Korrespondent und Autor der neurechten Zeitschriften Mut und wir selbst. Im Juni 1998 prangerte er in Mut die »Verpöntheit nationaler Identität in linken Kreisen« an und hinterfragte deren »Inländerfeindlichkeit«.

Was man Christine Ostrowski nicht unterstellen kann: Ihre Sympathie gehört von jeher den Ostdeutschen. Gebeutelt von der sozialen Kälte des Kapitalismus, um Datsche und Job gebracht, sei es nur verständlich, dass der Bauarbeiter »die Wut kriegt«, wenn er arbeitslos ist und gleichzeitig Ausländer auf dem Bau arbeiten, wie sie 1998 schrieb. Die PDS solle sich zur »Stimme seines Protests« machen, anstatt ihn in die fremdenfeindliche Ecke zu stellen, forderte sie im Neuen Deutschland die Magedeburger PDS nach dem DVU-Wahlerfolg 1998 in Sachsen-Anhalt auf.

Seitdem - im Herbst 1998 zog Ostrowski in den Bundestag ein - ist es ruhiger geworden um die PDS-Politikerin. Ein zweiter, gemeinsam mit Weckesser formulierter »Brief aus Sachsen«, in dem das Dresdener Duo erneut für das Ende der PDS-Westausdehnung plädierte, schaffte es im Juni gerade so in die Agenturen. Statt die nationale Debatte in der PDS weiter voranzutreiben, kümmerte sie sich stärker um wohnungspolitische Fragen - was Ostrowskis Ansehen bei ihren Kritikern hob. Doch ihre Zielgruppe blieb auch in den letzten beiden Jahren dieselbe: Zwar engagierte sie sich im Bundestag gegen die Kriminalisierung Zittauer Taxifahrer als Schleuser und forderte die Überprüfung des betreffenden Paragrafen. Ihre Begründung aber lässt andere Schlüsse zu: »Wer Ausländer kriminalisiert - genau das sehen wir jetzt -, kriminalisiert letzten Endes auch deutsche Staatsbürger.«

Und da diese in Dresden ebenfalls betroffen sein könnten, steht Ostrowski in ihrem Stadtverband weiter hoch im Kurs. Neuer Vorsitzender wurde im Mai diesen Jahres Michael Schrader, der bis dahin in ihrem Bundestagsbüro gearbeitet hatte. Wie sehr er sich dem Erbe Ostrowskis verpflichtet fühlt, ist auf ihrer Homepage nachzulesen: »Einer der Gründe, warum ich in keiner anderen Partei bin, heißt C.O. Denn sich politisch mit ihr anzulegen, heißt allzu oft verlieren.«

Sollte C.O. die Wahl gewinnen, wird ihr jedenfalls das nicht mehr verwehrt bleiben, was sie sich auf ihrer Internet-Seite heute nur wünschen kann: »Das Aufeinandertreffen von linker und rechter Demo durch Verbot beider Demos (zu) verhindern« - und dafür »von den Linken als Rechte bezeichnet« zu werden. Aber vielleicht bereitet das Ostrowski ebenso viel Genuss wie die Tatsache, dass ihre Thesen von 1993 in Gabi »Ich liebe Deutschland« Zimmers PDS endlich mehrheitsfähig geworden sind.