Frauen in der Bundeswehr

Weibliche Kämpferkörper

Seit dem 2. Januar können Frauen in den Kampftruppen der Bundeswehr mitschießen. Selbstverteidigung dürfte für sie besonders wichtig sein.

Es klingt schon ziemlich militärisch, wenn Anja Kühnberg im Einplanungsgespräch auf die Fragen von Hauptmann Olaf Huhn antwortet - meistens mit einem knappen Ja. Nur einmal zögert sie, bei der Frage: »Sie wissen, was das heißt: Schreibfunker bei der Fernmeldetruppe?« Da antwortet die schick gekleidete 20jährige etwas stockend: »Ja, ungefähr.«

Das Gespräch ist schnell beendet, schließlich war es nur eine Wiederholung für die anwesenden Medienleute. Anja Kühnberg hat gerade das Aufnahmeverfahren der Bundeswehr im Zentrum für Nachwuchsgewinnung Ost in Berlin- Grünau bestanden. Verabschiedet wird die junge Frau mit dem Satz: »Am 1. März müssen Sie sich bis 18 Uhr in Leipzig melden. Dann werden Sie Soldat.« Weibliche Berufsbezeichnungen sind bei der Bundeswehr nicht vorgesehen.

Warum Kühnberg zur Bundeswehr geht? Zum einen um Gutes zu tun. Sie will in Krisengebieten Hilfe leisten, anstatt tatenlos die Bilder im Fernsehen zu verfolgen. Außerdem will sie sich selbst helfen und setzt dabei auf die Fortbildungsmöglichkeiten bei der Bundeswehr, nachdem sie eine Lehre aus gesundheitlichen Gründen abbrechen musste. Das Arbeitsplatz-Argument also, besonders beliebt in Ostdeutschland.

Oberst Folker Spangenberg, der Leiter des Zentrums für Nachwuchsgewinnung Ost, ist ziemlich stolz darauf, was die Truppe ihren Angestellten bietet: »Wer hier den Aufnahmetest durchläuft, bei dem ist nach 36 Stunden der Arbeitsvertrag klar, mit Einsatzort und allem Drum und Dran. Das ist nicht bei vielen Arbeitgebern so.« Kein Wunder: Die Bundeswehr braucht dringend professionellen Nachwuchs, besonders an ausgebildeten Kräften mangelt es.

Kühnbergs Mitbewerberin - oder, in ihrem Sprachgebrauch, »Kameradin« - Nadine Behrens hat einen anderen Beweggrund für ihren Einsatz: Sie möchte ihrem Land helfen. Später spricht sie auch einmal von »meinem Volk«. Dass die Peacekeeping-Einsätze der Bundeswehr sich nur indirekt um die deutsche Bevölkerung drehen, stört sie nicht: »Ist doch schön, wenn man auch anderen Menschen helfen kann.« Die 22jährige mit den blondierten Haaren wusste schon vor sechs Jahren, dass sie zur Bundeswehr will, fand den Sanitätsdienst aber nicht attraktiv.

Nun, nachdem vor einem Jahr der Europäische Gerichtshof den Ausschluss der Frauen vom Dienst an der Waffe aufhob, ist der Weg in die Kampftruppen frei. Behrens tritt eine Stabsunteroffizierslaufbahn an und geht zum Materialnachweis - also nicht in die schießende Abteilung kommender militärischer Kriseninterventionen. Sie könnte sich aber auch einen direkten Einsatz an der Waffe vorstellen.

Den haben aber bisher nur wenige Frauen gewählt. Von den 295 Frauen, die vom Zentrum für Nachwuchsgewinnung Ost für die Streitkräfte eingeplant sind, werden immer noch 173 im Sanitätsdienst landen. »Grenadiere, Jäger, Panzerleute - alles nicht gefragt.« Das betont Oberst Spangenberg immer wieder.

Überhaupt ist man im Zentrum für Nachwuchsgewinnung bemüht, das Einrücken der Frauen herunterzuspielen. Schließlich gebe es schon seit 1975 Frauen im Sanitätsdienst und seit 1991 im Musikcorps. Und die Fragen der Stuben und der Sanitäranlagen seien auch ganz einfach zu lösen. Natürlich hätten, so Spangenbergs Untergebener Karl-Peter Schulte, die »alten Kommissköppe« Vorurteile gegen den weiblichen Soldaten: »Es liegt an den Frauen, die auszuräumen. Wer Leistung bringt, der wird auch akzeptiert.« Spangenberg führt die Ablehnung der alten »Steinbeißer« auf Konkurrenzangst zurück, die völlig unbegründet sei: »Schließlich gibt es den ersten weiblichen General doch frühestens in 25 Jahren, da sind die gar nicht mehr da.« Abgesehen davon ließen sich die alten Offiziere auch jetzt schon von Stabsoberärztinnen behandeln. »Und wenn die was hermachen, dann gehen sogar die persönlich hin, die sonst nur einen Soldaten zum Pillen holen schicken würden«, beschreibt Spangenberg die zwischengeschlechtlichen Begegnungen der älteren Generation. Die jungen Männer, die gerade aus dem zivilen Leben in die Bundeswehr kämen, darin sind sich Spangenberg und Schulte einig, seien sowieso an die Zusammenarbeit mit Frauen gewöhnt.

Außerdem würden die Ausbilder, in deren Einheiten Frauen den Dienst antreten, vom Zentrum für Innere Führung der Bundeswehr in eigenen Lehrgängen auf das Einrücken des anderen Geschlechts vorbereitet. Dort lernen sie die »sicherlich vom Mann sehr abweichenden physischen und psychischen Besonderheiten der Frau, bis hin zum Kommunikationsverhalten« kennen, wie es Oberstleutnant Heiner Kindinger, Kommandeur des Jägerbataillons 1, in der Berliner Blücherkaserne ausdrückt. Er ist ganz optimistisch, dass sich alles schnell einpendeln werde: »Ich denke mal, dass wir unsere Männer schon so weit kriegen, dass sie wirklich mit modernem Denken an diese Aufgabe herangehen.«

Nur wissen noch nicht alle davon, dass ihr Denken modernisiert werden soll. Rekruten in einer Berliner Kaserne erklären, sie seien auf die kommenden Veränderungen noch nicht vorbereitet, würden sich aber gerne überraschen lassen. Schließlich gebe es Frauen überall.

Diese Logik findet die Sozialwissenschaftlerin Astrid Albrecht-Heide wenig überzeugend. Sie spricht von einem »Kulturschock für die männerbündische Kultur der Bundeswehr« und beklagt, dass nur die höheren Ränge, nicht aber die gemeinen Landser auf die Frauen vorbereitet werden. »Dieser pragmatische Ansatz - wir probieren es mal aus - kann nicht gut gehen.« In anderen Armeen habe es gerade in dieser Anfangssituation, in der nur wenige Frauen in große Männergruppen kämen, erhebliche Übergriffe gegeben.

Auch eine Studie des sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr erklärt die Integration von Frauen zu einer »enormen Herausforderung für die Streitkräfte«, die das »gemeinhin übliche soldatische Selbstverständnis eines männlich codierten Kämpfers in seinen Grundfesten erschüttern wird«. Die knappe Hälfte der vom Institut befragten Soldaten und Offiziere will Frauen nicht vollständig in die Bundeswehr integrieren. Sogar den eigenen Leuten misstraut das Institut, wenn es mit »Deckungsungleichheiten zwischen offiziell verkündeter Politik und ihrer praktischen Umsetzung« rechnet, die auf Vorbehalte »gegen die künftige Wirklichkeit eines weiblichen Kämpfers« zurückzuführen seien.

Nadine Behrens, die Frau, die für ihr Land zur Truppe geht, weiß, dass sie es schwerer haben wird als die Männer, die mit ihr den Dienst antreten. Aber das stört sie nicht: »Ich denke, ich werde mich durchsetzen. Und den Standpunkt der Männer kann man sowieso nicht durchschauen.« Sollten Behrens, Kühnberg oder andere Soldatinnen Probleme mit den Kameraden haben, können sie sich nur an ihre Vorgesetzten wenden. Oder an die Frauenbeauftragte im Verteidigungsministerium. In den einzelnen Bataillonen soll es solche Ansprechpartnerinnen vorerst nicht geben. Doch die Bundeswehr ist großzügig: Ganz allein soll

- mindestens im Prinzip - keine Frau in eine Einheit geschickt werden, zu zweit müssen sie schon sein. So treffen dann, wie in der Blücherkaserne in Berlin-Kladow, drei Frauen auf über 700 Männer. Aber sie haben ihren eigenen Duschraum. Und die jungen Männer sind ja an Frauen gewöhnt.