HSV-Boss Werner Hackmann

Geraucht wird später

HSV- und Ligaboss Werner Hackmann ist zu einer der wichtigsten Figuren im nationalen Fußballgeschäft aufgestiegen.

Ich rauche etwas weniger, nur noch Zigarillos. Früher habe ich auf der Skipiste eine Zigarettenpause gemacht. Jetzt fahre ich durch.« Das klingt verwegen für einen Mann von über 50, der vor gut einem Jahr an Lungenkrebs operiert wurde.

Werner Hackmann ist aber kein furchtloser Draufgänger, sondern ein moderner Mann, der zu seinen Ängsten steht, zum Beispiel zu der Angst vor den Qualen des Entzugs. Akupunktur, Tabletten, die sanfteren Methoden haben nicht gefruchtet, und so raucht er halt weiter. Dem Tod ist der ehemalige Kettenraucher gerade noch mal entgangen. Das Ergebnis der letzten Untersuchung auf Lungenkrebs im Oktober war negativ.

Nicht nur Hackmann, seine Frau und seine Kinder sind darüber glücklich, auch die große Fußballfamilie, vor allem sein HSV. Den hat der Sozialdemokrat und ehemalige Hamburger Innensenator aus dem Sumpf der dumpfen Vereinsmeierei und des miefigen Honoratiorengehudels der Seelerschen Zeiten in die fußballerische Moderne geführt, und dafür sind die Hanseaten unendlich dankbar.

So gibt es in Hamburg kaum jemanden, der ihm den Winterurlaub in Zermatt missgönnt. Da sind zum Beispiel die Herren des Aufsichtsrates, die dem Vorstandsvorsitzenden eine kleine Aufmerksamkeit von 150 000 Mark haben zukommen lassen, genannt »Sonderprämie zur Erreichung der Champions League«. Ein paar Neider übertrieben daraufhin und munkelten von 200 000 Mark. Sie erzählten überdies, Hackmann kassiere zusätzlich 600 000 Mark im Jahr. Denen hat der Chef dann Bescheid gegeben. »Die Summen sind falsch, sonst sage ich nichts.« Und dabei blieb's.

Der kleine, dürre Mann sieht zwar aus, als könne er keine Kiste Mineralwasser in den Kofferraum seines Wagens hieven, unliebsame, aufdringliche Reporter oder erfolglose Angestellte, die von ihm abgekanzelt werden, dürften sich aber nichts mehr wünschen als die Fähigkeit zur sofortigen Entmaterialisierung, wenn er richtig böse wird.

Inzwischen ist die Zeit des spendablen Aufsichtsrats beim HSV abgelaufen, ein neuer wurde gewählt. Dass dieser Hackmann eher auf die Finger klopft, statt ihm Geschenke in die Hand zu drücken, ist kaum zu erwarten. Im Gegenteil: Der Vorsitzende ist immer noch der 68jährige Udo Bandow, sein Stellvertreter Fritz Vahrenholt, ein ehemaliger Senatorenkollege Hackmanns.

Dagegen flog Jürgen Hunke, Makler, Ex-Präsident des HSV und politisches Faktotum der Hansestadt, der mit seiner populistischen Stattpartei Furore machte, raus. Hunke war der einzige Gegner Hackmanns; die Hamburger Morgenpost stänkerte: »Nachdem die unangenehmen Querdenker (Jürgen Hunke) ðeliminiertÐ sind, kann sich der Vorstandsvorsitzende Werner Hackmann seiner Gefolgsleute wohl weitgehend sicher sein.« Hunke nickte resigniert: »Hackmann hat einen großen Sieg errungen. Nun muss ein anderer meine Rolle übernehmen.«

Gemeint war Henning Voscherau. Der war einst als Erster Bürgermeister der Hansestadt Hackmanns (und Vahrenholts) Chef und ist noch immer sein Freund. Auf die Finger schauen mag er seinem Kumpel, darauf klopfen wird er wohl nicht.

Der HSV ein Soziclub? Voscherau widerspricht entschieden: »Das ist Zufall. Und ich halte das auch nicht für gut. Aber wir sind alle drei längst Ehemalige. Und jeder weiß, dass Ehemalige - gerade in der Politik - viel schneller einen größeren Abstand gewinnen als der übliche Wähler.« Der durchschnittliche SPD-Wähler mag sich nun darüber freuen, dass mit dem HSV ein gewisses fußballpolitisches Gegengewicht zu den CSU-lastigen Bayern entstanden ist. Zwar kann der HSV, da macht sich auch an der Elbe niemand etwas vor, mit den Bayern in Sachen Profifußball in absehbarer Zeit nicht mitzuhalten, doch Hackmann hat sich daran gemacht, zumindest sportpolitisch aufzuholen.

Der Machtkampf mit dem Wurstfabrikanten Hoeneß ist jedenfalls eröffnet. Ende Dezember 2000 ließ sich Hackmann mit 18 zu Null Stimmen zum Boss der neugegründeten Liga-Kommission wählen - als Quasi-Nachfolger von Gerhard Meyer-Vorfelder. Doch auch hier brechen moderne Zeiten an, wie Hackmanns Definition der neuen Aufgabe zeigt: »Wir wollen die Eigenständigkeit der Profi-Klubs bewahren und vorantreiben, uns nicht mehr hinter dem DFB verstecken. Es wird ein Informations- und Dienstleistungszentrum geben. Jedes Mitglied hat sich zur Hilfestellung in jeder Beziehung, u.a. in Rechts- und Wirtschaftlichkeits-Fragen verpflichtet. Außerdem denken wir über die Einrichtung eines eigenen TV-Kanals in dreieinhalb Jahren nach. Es geht um die Existenz der Klubs und von daher auch um viel Geld.«

So ist es. Die Liga löst sich vom DFB, damit der nicht an das viele Geld kommt, das die Fernsehsender zahlen, und dann macht man einen eigenen Fernsehsender auf und kassiert die vielen Werbemillionen direkt. Hackmann, nicht Hoeneß, heißt die Galionsfigur dieser kommerziellen Befreiung der Liga. Hoeneß nämlich will mit den Bayern lieber allein kassieren, statt mit 17 anderen zu teilen. Vielleicht drücken sich die Bayern deswegen vor der Mitarbeit im Vorstand - trotz mehrfacher Bitten Hackmanns: »Ich gehe aber nach mehreren Gesprächen davon aus, dass die Bayern die inhaltlichen Ziele unterstützen werden, die Marke der Liga zu einem Beratungs- und Dienstleistungszentrum für alle 36 Lizenzvereine weiterzuentwickeln.«

Hackmanns Motiv: »Die Herausforderung hat mich gereizt, die jetzt beschlossene Eigenständigkeit der Liga mit Leben zu erfüllen.« Aber auch der Reiz der Macht hat eine Rolle gespielt. Immerhin hat Hackmann beim HSV reichlich Probleme. Der Stadionbau, zunächst seine große Nummer, droht zum Flop zu werden; 30 Millionen mehr als geplant kostet er, vielleicht auch 40. Andreas Wankum, vom Verein mit dem Bau beauftragt, sollte gemeinsam mit dem HSV die Mehrkosten tilgen, doch seine Zahlungsmoral ließ zu wünschen übrig. Darauf kündigte ihm Hackmann, sodass Wankum aus seinem Privatvermögen zahlen müsste. Der aber konterte mit einem Insolvenzantrag, und der HSV steht für die Kosten gerade. Wankum ist übrigens Geschäftsführer der Hamburger CDU.

Doch kaum jemand in Hamburg zweifelt, dass Hackmann auch dieses Problem bewältigen wird. Schließlich ist er selbst mit der Staatsanwaltschaft fertig geworden. Die hatte seit Herbst 1999 mehrmals den Verein, seine ehemaligen Vorsitzenden Seeler und Hunke und auch Hackmann zwecks Aktenbeschlagnahme heimgesucht und schließlich mehrere Verfahren wegen Steuerhinterziehung eröffnet.

Wieder einmal war es ausgerechnet die Morgenpost, das Blatt mit sozialdemokratischer Tradition, die im Zusammenhang mit dem großen Hackmann von unsauberen Transferpraktiken schrieb und die ketzerische Frage stellte, ob die Weste Hackmanns, »der bisher immer als Saubermann« gegolten habe, »wirklich weiß« sei. Doch auch sie konnte Hackmann nichts anhaben. Der Medienprofi weiß, mit wem er sich gut stellen muss. Der stern hat ihn jüngst als Informanten der Bild geoutet: »In allen Klubs gibt es solche Hackmänner, die Bild Neues vom Tage zuflüstern. Um Stimmung für sich oder gegen andere zu machen.«

Natürlich ging auch die Steuergeschichte gut aus. Der Verein hatte bei diversen verdeckten Zahlungen an Profis bis zum Jahr 1997 zwar 4,5 Millionen hinterzogen, in mindestens drei noch nicht verjährten Fällen hätte eine Steuerhinterziehung nachgewiesen werden können. Doch der clevere Hackmann verhandelte und überredete schließlich den Staatsanwalt, gegen die Zahlung von 2,8 Millionen das Verfahren einzustellen. Die Kontakte richten es schon. Der Mann zieht durch, ohne Zigarettenpause.