Dreikönigstag der Liberalen

Im FDP-Container

Die Liberalen wollen zurück in die Bundesregierung, und der smarte Westerwelle soll sie dorthin führen.

Der eine ist jung, leger, aber doch stets korrekt gekleidet. Er blinzelt durch seine Designer-Brille, hat immer einen lockeren Spruch parat und gibt den gut gelaunten Individualisten - ein typischer Gewinner. Der andere ist ein bisschen älter, eher verstockt, sein Haar trägt er streng gescheitelt, seine Anzüge sind traditionell, seine Äußerungen rar und unspektakulär - ein typischer Langweiler. Wem von beiden würden Sie ein Auto abkaufen? Keinem? Brauchen Sie auch nicht. Die beiden verkaufen nämlich gar keine Autos. Sie sind Vertreter der FDP. Ihre Namen: Guido Westerwelle und Wolfgang Gerhardt.

Lange galten sie als Dream-Team: der blasse Gerhardt als seriöser Parteivorsitzender, Westerwelle als sein populistisch-mitreißender Gefolgsmann und Generalsekretär der Liberalen. Gemeinsam führten sie die Partei, auch wenn sie nicht richtig zu wissen schienen, wohin. Das war auch nicht so wichtig. Wichtiger war, mit wieviel Prozent. Dann entdeckte Westerwelle das Wort »Generationswechsel« und aus war der Traum von der gemeinschaftlichen Arbeit für die FDP.

Der Nachwuchsliberale will nicht mehr die Nummer zwei der Partei sein. Und er hat es auch tatsächlich geschafft. Am Samstag ließ er sich auf dem traditionellen Drei-Königs-Treffen der FDP schon mal kräftig feiern, ab Mai wird der Schrille mit der Brille dann den Vorsitz übernehmen. Laut Satzung und Parteiengesetz wird zwar auch bei den Liberalen der Vorsitzende per Wahl und nicht per Ernennung bestimmt, aber das ist nur noch reine Formsache.

Schon in den letzten Jahren war es Westerwelle, der auf Parteiveranstaltungen den Nerv der Basis traf und stets den größten Applaus einheimste. Und was wird aus der grauen Maus der Partei? Gerhardt bleibt zwar Chef der Bundestagsfraktion, ist aber eindeutig der Verlierer - so sehr die beiden auch bekunden, sie würden auch weiterhin als »Tandem an der Parteispitze« zusammenarbeiten. Ein sehr treffendes Bild, schließlich kann beim Tandem nur der vorne Sitzende bestimmen, wohin es geht. Der andere darf sich dagegen abstrampeln. Gerhardts Aufgabe wird es sein, die Wirtschaftsklientel weiter für die Partei zu begeistern, egal was Westerwelle politisch veranstaltet. Deswegen wollte Gerhardt auch unbedingt beide Posten behalten. Aber »nach einer schlaflosen Nacht« im Anschluss an das erste Krisentreffen der beiden hat er am Donnerstag vergangener Woche dann doch dem Drängen Westerwelles nachgegeben.

Eine große Nummer war Gerhardt ohnehin nie. Als er 1995 zum Parteivorsitzenden gewählt wurde, fehlte den Liberalen schlicht eine Alternative. Der promovierte Rechtsanwalt Westerwelle erschien mit seinen 33 Jahren noch zu jung. Außerdem brauchte die Partei damals eine so genannte Integrationsfigur, um die bis ins Handgreifliche gehenden Konflikte zwischen dem nationalliberalen und dem sozialliberalen Flügel zu beenden.

Und Gerhardt galt als ein Meister der Hinterzimmer-Diplomatie. Auf diversen Treffen im kleinen Kreis gelang es ihm, alle Seiten zufrieden zu stellen. Dabei war ihm als überzeugtem Wirtschaftsliberalen der sozialliberale Flügel seiner Partei nie besonders sympathisch, und so setzte er seine Prioritäten heimlich anders. Vor knapp zwei Jahren holte er sogar den ehemaligen Vorsitzenden der extrem rechten Partei Bund Freier Bürger (BFB), Manfred Brunner, zurück in die FDP.

Brunner war 1994 ausgetreten, weil ihm die EU-freundliche Politik der Liberalen nicht passte. Vor seinem Wiedereintritt hatten sich Gerhardt und Brunner zu einem Gespräch getroffen - »ganz privat«, wie der FDP-Vorsitzende damals verkündete. Wenig später nahm der Landesverband Sachsen den in München wohnenden Brunner und einige seiner Kameraden auf, weil der sozialliberal dominierte Landesverband Bayern den rechten Parteiwechslern vermutlich eine Absage erteilt hatte. Offiziell hatte Gerhardt damit natürlich nichts zu tun, ein ehemaliges Mitglied des bayerischen Parteivorstandes bestätigt aber: »Ohne den Rückhalt des Bundesvorsitzenden hätten die Sachsen sich das nie getraut.«

Zumindest auf diesem Gebiet ist Westerwelle ein würdiger Nachfolger. Ohne Opportunismus und geschickte Taktiererei kommt man in der Politik eben nicht weit. Im Schatten des mittelgroßen Vorsitzenden stieg der Generalsekretär zum medialen Repräsentanten der Partei auf. Bei Journalisten gilt er als Profi, längst wird er öfter zum Gespräch gebeten als der etwa zwanzig Jahre ältere Gerhardt. Er gibt sich spontan und locker, aber keine Äußerung ist nicht genau durchdacht, nie tritt er unvorbereitet oder ungeschminkt vor die Kameras. Und kaum erschien ihm der Zeitpunkt günstig, stellte Westerwelle die Machtfrage.

Angeregt wurde er dazu vom nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden Jürgen Möllemann, der zwar ebenso streng gescheitelt wie Gerhardt ist, sich aber als Gegner des rechten und des wirtschaftsliberalen Flügels versteht. »Wir dürfen den Begriff liberal nicht nur wirtschaftlich auslegen«, forderte er zuletzt am Freitag auf dem Parteitag der FDP Baden-Württembergs. Möllemanns Ziel: 18 Prozent für die Liberalen, das Aus für die Regierungsbeteiligung der Grünen, ein Ministeramt für sich selbst. Und er weiß, dass man nicht für irgendein Programm gewählt wird, sondern dafür, dass man öffentlichkeitswirksam Fallschirm springt (wie er selbst) oder mal im »Big Brother«-Container vorbeischaut (wie Westerwelle). Diese populistische Einstellung und der Drang zur Macht sind es, die ihn mit Westerwelle verbinden.

Auch der Generalsekretär will in zwei Jahren unbedingt die Grünen ablösen - zusammen mit der Union oder ohne sie. Einen möglichen Wahlspruch präsentierten die Liberalen bereits letzte Woche: »Grün war gestern.« Westerwelle nutzte dabei durchaus geschickt die Möllemann-Offensive. Kaum bekam er mit, dass der Erfolg von Möllemanns Landtagswahlkampf in Nordrhein Westfalen (9,8 Prozent) den sozialliberalen Flügel gestärkt hatte, setzte er sich einfach an die Spitze der partei-internen Revolte. Als hätte der Generalsekretär nichts mit der Politik des Vorstandes zu tun, forderte er plötzlich den »Generationswechsel« und meinte damit hauptsächlich einen Kurswechsel. Schon ist er jene Integrationsfigur, die Gerhardt einst war; den Wirtschaftsliberalen ist er lieber als Möllemann, den Sozialliberalen lieber als Gerhardt.

Die Taktiererei ist typisch für den Aufstieg Westerwelles. Schon 1983 machte er ähnlich auf sich aufmerksam. Der damalige Jugendverband Jungdemokraten wurde durch die von Westerwelle mitbegründeten Jungen Liberalen ersetzt. Denn die Jungdemokraten waren nach dem Wechsel von der rot-gelben zur schwarz-gelben Koalition vielen in der Partei zu links. Wichtig ist für Westerwelle vor allem, dass es aufwärts geht - für ihn.

Damit macht er sich natürlich nicht nur Freunde. Während ihn die Parteibasis für seine Auftritte liebt, wird er von Mitgliedern des Bundesvorstands wegen seiner taktischen Fähigkeiten gefürchtet. Der Star der Liberalen verspreche an einem Tage lächelnd, was auch immer von ihm gefordert werde, um später mit dem selben souveränen Lächeln eiskalt zu erklären, solche Absprachen und Zusagen habe es nie gegeben.