Abschiebungen in Spanien

Kontrolle ist alles

»Sie müssen innerhalb von 15 Tagen nach dem Datum dieses Schreibens das spanische Territorium verlassen.« Über 27 000 Mal hat das Innenministerium in Madrid Briefe mit diesem Wortlaut Ende vergangenen Jahres verschickt. Die Empfänger hatten sich im letzten Sommer um eine Legalisierung ihres Aufenthaltes in Spanien bemüht. Ihren Anträgen entnahmen die Behörden die Adressen, denen jetzt die Abschiebebescheide zugingen.

Von März bis Juli 2000 konnten illegal lebende Migranten sich im Rahmen einer einmaligen Stichtagsregelung Ausweispapiere verschaffen. Ob sie dabei erfolgreich waren, lag oftmals am Ort der Antragstellung. So wurden in Barcelona 70,9 Prozent aller Anträge abgelehnt, aber in der Nachbarprovinz Girona nur 17,8 Prozent. Die Organisation SOS Rassismus machte die Probe. In Almería wurden alle von ihr eingereichten Anträge abgelehnt. In Málaga wurden hingegen acht Antragsteller anerkannt. Während die Verwaltung in Almería das damals gültige Gesetz über die Freiheiten und Rechte der Migranten sehr restriktiv auslegte, hatte in anderen Regionen das Interesse an Arbeitsmigranten mit gültigen Papieren mehr Gewicht.

Zum Bezirk Almería gehören die großen Treibhausplantagen rund um El Ejido, wo es im vergangenen Februar zu tagelangen pogromartigen Überfällen auf Arbeitsmigranten kam und im Gegenzug zum wohl bekanntesten landesweiten Streik von Migranten ohne Papiere. Von den damals erstreikten Zusagen über bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen ist keine einzige eingehalten worden.

Im Oktober begannen in der Region von Almería 360 Migranten einen Hungerstreik. Sie waren als Streikführer entlassen worden und hatten keine Chance, eine neue Arbeit oder gar einen legalen Aufenthaltsstatus zu erhalten. Denn diesen Status erhält nur, wer ein Arbeitsverhältnis nachweisen kann. Auf Transparenten forderten sie Aufenthaltserlaubnisse für alle, deren Anträge bei der Stichtagsregelung abgelehnt worden waren.

Auch wenn sie voller Verzweiflung den Hungerstreik abbrachen, gaben sie nicht auf. Zum Jahresende stellten sich die Sin Papeles erneut vor den Ämtern in Almería an, und alle 1 500 Anträge wurden abgelehnt.

Dass gerade in den Provinzen überproportional viele Anträge abgelehnt wurden, wo Migranten ihre Rechte öffentlich einforderten, ist kaum verwunderlich. Das Gesetz über die Freiheiten und Rechte der Migranten wurde noch vor den letzten Parlamentswahlen beschlossen. Die damalige Minderheitsregierung der konservativen Volkspartei PP verfügt aber jetzt über die absolute Mehrheit und hat zudem die Verwaltung unter sich. Diese setzte bereits um, was die PP Ende Dezember im spanischen Parlament gegen fast alle anderen Parteien durchgesetzt hat: ein neues Ausländergesetz, das am 23. Januar in Kraft tritt. Im Unterschied zum alten Gesetz geht es nun nicht mehr um Rechte, sondern um Kontrolle der Migranten. Das seit März 2000 geltende Streikrecht für Migranten ohne Papiere wird wieder abgeschafft. Das Versammlungs- und Vereinigungsrecht ebenso.

Die PP-Regierung weiß, dass auch künftig die Südgrenze der EU von vielen Arbeitsmigranten ohne Papiere überwunden werden wird. Fast jeden Tag gibt es dabei Tote, Verletzte oder Verhaftete. Anfang Juni letzten Jahres erklärten 500 Organisationen aus Spanien und Marroko in ihrem »Manifest der zwei Ufer«, sie hätten in den ersten fünf Monaten bereits 120 Tote gezählt, die beim Versuch gestorben waren, nach Spanien einzureisen.

Ähnlich wie am Tortilla Curtain zwischen Mexiko und den USA gilt auch an der spanischen Außengrenze der Europäischen Union: Wer es schafft, die Grenze zu überwinden und unentdeckt bleibt, kann im besten Fall auf ein prekäres Arbeitsverhältnis hoffen.