Prozess gegen Agenten

Geheim handeln, geheim verhandeln

Im Iran stehen 18 Agenten wegen vielfachen Mordes an Dissidenten vor Gericht. Ihre Auftraggeber nicht.

Die Attentäter waren ebenso gründlich wie brutal: »Mein Vater wurde mit elf Messerstichen getötet und meine Mutter mit vierundzwanzig. Ihre Körper wurden verstümmelt«, erklärte Parastoo Foruhar der heute verbotenen Tageszeitung Aftab-e-Emrouz. Dass Oppositionelle wie Dariusch Foruhar, Generalsekretär der Partei der Nationalen Befreiungsbewegung, und seine Ehefrau Parvaneh ermordet werden, ist im Iran nicht ungewöhnlich. Selbst regimetreue Politiker wie Mohammad Reza Khatami, Parlamentsabgeordneter und Bruder des Präsidenten, beziffern die Opfer auf 80. Gegenwärtig findet vor einem Militärgericht in Teheran ein Geheimprozess gegen achtzehn Personen statt, denen die Morde am Ehepaar Foruhar und an den kritischen Schriftstellern Mohammad Jafar Pujandeh und Mohammad Ali Mochtari zur Last gelegt werden.

Überraschenderweise hatte das Informationsministerium im Januar 1999 eingestanden, die Tat sei »unglücklicherweise von einer kleinen Zahl von unverantwortlichen, fehlgeleiteten und starrsinnnigen Mitarbeitern des Informationsministeriums« begangen worden. Zwar wurde betont, die Mörder hätten »zweifellos unter dem Einfluss geheim agierender Schurkenagenten und im Interesse ausländischer und entfremdeter Kräfte« gehandelt, der Rückgriff auf altbekannte Verschwörungstheorien konnte die Empörung in der iranischen Öffentlichkeit jedoch nicht mildern.

Im Mai 1997 war Mohammad Khatami zum Präsidenten gewählt worden. Sein Reformprogramm versprach eine Milderung des islamistischen Terrors. Die Scharia stand dabei nicht zur Disposition, Khatami befürwortet jedoch eine »rechtsstaatliche« Repression. Rechtssicherheit gehört zu den Voraussetzungen für die angestrebte kapitalistische Modernisierung, das illegale Treiben der Todesschwadronen und Schlägertrupps muss daher zurückgedrängt werden. Der von Ayatollah Ali Khamenei, dem obersten Geistlichen und eigentlichen Staatsoberhaupt, geführte rechte Flügel des Regimes mochte dennoch nicht darauf verzichten, diese Hilfstruppen gelegentlich zu nutzen.

Auch mit Repressionsmaßnahmen ließ es sich nicht verhindern, dass die Serie von Morden an Oppositionellen und kritischen Intellektuellen zum zentralen Diskussionsthema in der halblegalen politischen Öffentlichkeit wurde. Angesichts dessen erschien es auch der Khamenei-Fraktion richtig, ein Bauernopfer zu bringen. Man präsentierte den Geheimdienstler Said Emami als Hauptverdächtigen. Doch schon im Juni 1999 war der geständige Agent tot. Die offizielle Angabe, er habe im Gefängnis Selbstmord begangen, indem er eine Flasche Haarentferner trank, entbehrte zwar nicht der Originalität, wirkte aber wenig glaubwürdig. Emamis Aussagen blieben geheim.

Vor dem Militärgericht bestreiten nur noch zwei der Angeklagten ihre Tatbeteiligung, die Verantwortung für die Mordbefehle übernahm nun Mostafa Kazemi, der ranghöchste Geheimdienstler auf der Anklagebank. Sein Komplize Merdad Alikhani hingegen sprach von einer gemeinsamen Entscheidung. Ob die beiden ebenfalls im Gefängnis etwas Unbekömmliches trinken werden, bleibt abzuwarten. Es erscheint jedenfalls als unwahrscheinlich, dass sie ohne Rückendeckung höherer staatlicher Stellen gehandelt haben.

Der seit April 2000 inhaftierte kritische Journalist Akbar Gandschi benannte die beiden ehemaligen Geheimdienstminister Ali Fallahian und Dorri Najafabadi als Verantwortliche. Ideologische Rückendeckung hätten sie unter anderem von Ayatollah Mesbah Yazdi, einem der führenden Khamenei-treuen Kleriker, von Gholam-Hossein Mohseni Ejei, dem Vorsitzenden des Sondergerichtshofs der Geistlicheit, und vom einfluss-reichen Ex-Präsidenten Akbar Haschemi Rafsandschani erhalten.

Fallahian wurde bereits 1997 im Mykonos-Prozess als Auftraggeber der Ermordung von vier iranischen Oppositionellen in einem Berliner Restaurant bezeichnet. Er soll im nun laufenden Verfahren möglicherweise als Zeuge geladen werden. Doch auch die Khatami-Fraktion hat kein Interesse daran, dass die ganze Wahrheit ans Licht kommt. Die Reaktion der iranischen Bevölkerung auf die Verurteilung höchster Ayatollahs und Politiker als Auftraggeber einer Mordserie wäre unkalkulierbar und könnte auch den reformfreudigen Flügel des Regimes gefährden. Ohnehin sind viele Wähler Khatamis enttäuscht von der mageren Bilanz seiner Präsidentschaft.

Khameneis Anhänger beherrschen die Justiz, den Repressionsapparat sowie elektronische Medien und blockieren die bescheidenen Reformversuche Khatamis. Die angestrebte Liberalisierung der Zensur beantworteten sie mit dem Verbot zahlreicher kritischer Publikationen. Siebzehn Teilnehmer einer von der Heinrich-Böll-Stiftung organisierten Konferenz, auf der im April vergangenen Jahres in Berlin für den »neuen Iran« geworben werden sollte, wurden vor Gericht zitiert. Nach Angaben der iranischen Nachrichtenagentur Irna sind sieben von ihnen, unter ihne Gandschi, zu Haftstrafen zwischen vier und zehn Jahren verurteilt worden.

Hodjatolislam Hassan Jussefi Eschkewari, der im Gegensatz zur Khatami-Fraktion für eine Trennung von Religion und Staat plädiert, hat den besonderen Hass der islamistischen Hardliner auf sich gezogen. Noch unbestätigten Angaben zufolge - die iranische Justiz hält ihre Urteile häufig bis zum Abschluss der Berufungsverfahren geheim - hat ein klerikales Sondergericht ihn wegen seiner »gottlosen« Ansichten zum Tode verurteilt. Eschkewari hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Auch wenn er nicht hingerichtet wird, ist die Warnung deutlich.

Einzig im kulturellen Bereich ist eine gewisse Lockerung zu verzeichnen. Die wohlhabende städtische Jugend kann jetzt Cafés besuchen und Hamburger essen. Das Verbot westlicher Popmusik hat sich nicht durchsetzen lassen, islamistische Schlägertrupps und Moralwächter sind aber weiterhin präsent; so wurden in Teheran mehr als 300 Menschen wegen der Teilnahme an »unislamischen« Neujahrspartys verhaftet.

Anfang Dezember hatte Khatami vor einer studentischen Versammlung selbst seine Machtlosigkeit beklagt: »Wenn ich sehe, dass das Gesetz gebrochen wird, sollte ich in der Lage sein, dies zu stoppen und eine Untersuchung einzuleiten. Aber ich habe dieses Recht nicht. Ich sollte es haben, um meine Arbeit ordentlich tun zu können.« Bislang hat er seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen im Sommer dieses Jahres noch nicht registrieren lassen. Dieses in der iranischen Öffentlichkeit diskutierte Zögern könnte allerdings auch ein taktisches Manöver sein, um der Khamenei-Fraktion Zugeständnisse abzuringen. Dass jene 70 Prozent der Iraner, die Khatami 1997 wählten, die Hoffnung auf friedliche Veränderungen ganz aufgeben müssen, dürfte jedenfalls auch nicht im Sinne der islamistischen Hardliner sein.