Max-Ophüls-Festival

Moloch Großstadt an der Saar

Wenn man in Saarbrücken auf der Straße fragt, wo denn nun bitte das renommierte Max-Ophüls-Festival zum immerhin 22. Mal stattfindet, stößt man auf Ratlosigkeit. Wie heißt das? Vielleicht ja im Staatstheater. Dabei braucht sich das engagierte Filmfest keineswegs zu verstecken, wird hier doch ernst gemacht mit dem Vorsatz, einmal im Jahr den deutschsprachigen Nachwuchsfilm groß herauszubringen. Und die Kreativen dieses jungen Kinos machen dann auch regen Gebrauch von den Möglichkeiten, ihre Filme vorzustellen und zu erklären, und zwar im Gegensatz zu basisferneren Veranstaltungen nicht nur den akkreditierten und professionellen Besuchern.

An der Saar kann im Prinzip jeder mit jedem ins Gespräch kommen; außerdem sind die Karten mit zehn Mark pro Film erfreulich günstig. Warum also, fragt man sich da, sind das Fest und die Filmtitel nicht wenigstens in der Stadt in aller Munde? Vielleicht hat das ja wirklich mit dem auch im Festival-Pocket-Guide einmal mehr bejammerten »Überangebot an amerikanischen Mainstream-Produktionen« zu tun, das »die Kinos landauf, landab verstopft«, während der »deutschsprachige Film ohne Quoten, Sponsoren, Subventionen nach wie vor kaum existieren kann«. Oder aber damit, dass die Filme, die dann subventioniert werden, entweder Krawallstreifen, Rip-Offs des ungeliebten Hollywood-Mainstreams oder aufgeblähte Langweiler sind.

Wie dem auch sei: Die in Saarbrücken gezeigte Auswahl an Debütfilmen beweist einmal mehr, dass das Problem wohl kaum in einem Mangel an Talenten begründet ist. Bevorzugtes Sujet auch in diesem Jahr ist das Leben im Moloch Großstadt, zumal in Berlin; ein gutes Drittel der Wettbewerbsbeiträge bemüht sich innerhalb der unterschiedlichsten Genres, der Metropoleneuphorie der Neuen Mitte die Ränder der Stadt entgegenzuhalten. Mal eher konventionell in der Tradition des Film Noir, hochstilisiert in Martin Eiglers »Freunde«, aber auch in Barbara Geblers sympathisch kleinem Film »Salamander«. Mal sozialrealistisch wie im Plattenbaudrama »Alaska.de« von Esther Groneborn. Oder aber vielfach gebrochen und poetisch überhöht, wie in den beiden aufregendsten Filmen »Planet Alex« von Uli M. Schüppel und »England!« von Achim von Borries.

Der Erste ist ein experimentelles Puzzle, das die Schicksale seiner Charaktere auf der Suche nach einer unbekannten Ordnung geschickt verknüpft, ohne den Fragmenten Gewalt anzutun. Der zweite erzählt vom Traum des verstrahlten Optimisten Valeri, der als Freiwilliger nach dem Gau in Tschernobyl beim Aufräumen geholfen hat und sich jetzt, in der knappen ihm noch verbleibenden Zeit, seinen Traum von einem besseren Anderswo erfüllen will, dem er den Namen England gibt. Dabei strandet er als illegal alien auf halbem Weg in Berlin. Fast überflüssig zu erwähnen, dass beide Filme exquisit besetzt sind. »England!« mit relativ unbekannten, aber dafür umso großartigeren Darstellern (allen voran Ivan Shvedoff), »Planet Alex« mit einer explosiven Mischung aus frischen Gesichtern (Marie Zielcke, Baki Davrak) und Promis wie Maruscha und Ben Becker, der noch nie so gut war. Da bleibt nur zu hoffen, dass solche Filme sich irgendwann einmal durchsetzen. Bisher allerdings haben beide noch keinen Verleih.