Wahl des Premiers in Israel

Boykott oder Barak

In den meisten westlichen Demokratien hat es sich die radikale Linke schon seit längerem abgewöhnt, zur Wahl zu gehen. Einen realen Einfluss auf das politische Geschehen rechnet man sich nicht mehr aus, und als Quelle der Legitimation für den ansonsten bekämpften Staat möchte man schon gar nicht herhalten. Eine Diskussion um diese Frage findet hier nicht statt.

Anders in Israel. Da am kommenden Dienstag der Ministerpräsident neu gewählt wird, redet man sich in der Linken schon seit Wochen die Köpfe darüber heiß, wie man sich zu dieser Wahl verhalten soll. Mit Ehud Barak und Ariel Sharon präsentieren sich, jedenfalls auf den ersten Blick, tatsächlich keine wirklichen Alternativen. Beide Kandidaten sind hochdekorierte Generäle, und beide haben bewiesen, dass sie politische Konflikte unter militärischen Gesichtspunkten begreifen. Beide sind innerhalb ihrer jeweiligen Partei Vertreter des rechten Flügels und einer harten Haltung im Konflikt mit den Palästinensern. Welche Wahl also haben die Israelis, und welche hat insbesondere die israelische Linke?

Innerhalb der Linken hat sich während des Wahlkampfes eine Initiative petak lavan (weißer Stimmzettel) für den Boykott der Wahlen gebildet. Überlegungen, einen dritten Kandidaten aufzustellen, wurden hingegen schon bald wieder eingestellt. Zu uneinig war man, und zu gut waren wohl die negativen Erfahrungen aus dem letzten Wahlkampf in Erinnerung, als Azmi Bishara noch vor der ersten Runde auf seine Kandidatur zugunsten von Barak verzichtete. Als schließlich auch noch Shimon Peres seine halbherzige Bewerbung zurückzog, blieb der Linken nur noch die Wahl zwischen einem der beiden Übel und einem Boykott. Inzwischen haben alle arabischen Parteien und das kommunistische Bündnis Hadash ihren Anhängern die Enthaltung empfohlen. Eine solche würde selbstverständlich nur Sharon nützen, doch gibt es Überlegungen, dass eine Regierung unter seiner Führung für die Friedensbewegung vielleicht sogar von Vorteil wäre. Sie hat immer dann an Einfluss und an Schwung verloren, wenn eine sozialdemokratische Regierung an die Macht kam. Wenn es gegen Sharon ginge, wäre man sich einer weit größeren Unterstützung in der Bevölkerung sicher als heute, da es gegen Barak geht. Dennoch gilt der Likud-Vorsitzende weithin als eine viel größere Gefahr für einen möglichen Frieden als sein Kontrahent.

Barak allerdings hat gerade bei der Linken auch den wenigen Kredit verloren, den er bei seinem Amtsantritt noch besessen haben mag. Der Unmut über den amtierenden Ministerpräsidenten ist mittlerweile stärker, als es seinerzeit der Unmut über Benjamin Netanyahu war, der ihn schließlich sein Amt kostete. Dennoch scheint die Angst vor Sharon die Reihen derjenigen wieder zu lichten, die sich bislang für eine Stimmenthaltung entschieden hatten. Ob dies jedoch reichen wird, um Barak noch eine Chance zu geben, ist ungewiss. Nach den jüngsten Umfragen liegt der Ministerpräsident immer noch knapp 20 Prozent hinter seinem He-rausforderer.

Es gibt allerdings Argumente, die auch aus einer linken israelischen Sicht für Barak sprechen. Totz aller politischen Fehler und Unzulänglichkeiten seiner Regierung war er es, der bestimmte Aspekte israelischer Staatsideologie zur Diskussion stellte, so die Grenzen von 1967 und die Souveränität über Jerusalem. Die Palästinenser scheinen so weit noch nicht zu sein. Nachdem die kanadische Regierung vor etwa zwei Wochen angeboten hatte, ein größeres Kontingent palästinensischer Flüchtlinge aufzunehmen, wurde dies nicht etwa als konstruktiver Beitrag begrüßt; vielmehr wurde die kanadische Fahne zu den Flaggen Israels und der Vereinigten Staaten hinzugefügt und mit diesen verbrannt.