Nach den Wahlen in Israel

Auf ein Neues

Das Ergebnis für Ariel Sharon klingt beeindruckend: 62 Prozent der israelischen Wähler haben am Dienstag letzter Woche für den Likud-Vorsitzenden gestimmt, ein in der allerdings noch recht kurzen Geschichte direkter Ministerpräsidentenwahlen einmaliges Ergebnis. Schaut man etwas genauer hin, dann merkt man, dass tatsächlich nur ein gutes Drittel der Bevölkerung Sharon gewählt hat. Etwa vierzig Prozent haben »weiße Stimmzettel« in die Urnen geworfen oder sind erst gar nicht zur Wahl gegangen.

Sharons Sieg ist also weitaus weniger umfassend als es den Anschein haben mag. Auch die Bildung einer Regierung wird mit den bestehenden parlamentarischen Kräfteverhältnissen kein leichtes Unterfangen werden. Sharon weiß, wie labil eine Koalition mit sämtlichen rechten Kleinparteien wäre, und setzt deshalb alles daran, mit der Arbeitspartei eine Regierung der »nationalen Einheit« zu bilden. Dieses Angebot droht die Arbeitspartei zu spalten. Mehrere führende Abgeordnete haben bereits gedroht, in diesem Fall die Partei zu verlassen und sich mit der liberalen Meretz zu verbünden.

Nun weiß man ja, wie ernst solche Drohungen von Sozialdemokraten zu nehmen sind. Die israelischen machen hier sicher keine Ausnahme. Allerdings dürfte die Weigerung Ehud Baraks, sich aus der Führung der Partei zurückzuziehen, für neuen Sprengstoff sorgen. Barak, vehementer Verfechter einer großen Koalition, hat mittlerweile die Leitung der Koalitionsverhandlungen der Arbeitspartei mit dem Likud übernommen.

Auch die israelische Linke sieht sich in ihrer Hoffnung enttäuscht, durch den desaströsen Wahlausgang wenigstens Barak loszuwerden. Für nicht wenige war dies der Grund, sich der Stimme zu enthalten. Eine möglichst demütigende Niederlage Baraks hätte den Weg für seine Konkurrenten innerhalb der Arbeitspartei, etwa den Parlamentspräsidenten Avraham Burg, frei machen sollen.

Ob eine große Koalition dem Frieden förderlich oder abträglich sein wird, lässt sich schwer voraussagen. Befürworter in der Linken hoffen, dass Sharon etwas gebremst und wenigstens die rechten Kleinparteien, vor allem Avigdor Liebermans Israel Beitenu, aus der Regierung herausgehalten werden können. Andere aber zweifeln, ob eine Arbeitspartei, die mit Barak als Regierungschef den Friedensprozess nicht recht voranbringen konnte, als Juniorpartner des Likud dies besser bewerkstelligen könne. Sie befürchten außerdem, dass die parlamentarische Opposition gegen Sharons Palästinapolitik auf die kleinen arabischen Parteien und die in letzter Zeit auch nicht immer zuverlässige Meretz beschränkt bleiben würde.

Mittlerweile fühlen sich die Radikalen auf beiden Seiten der grünen Linie von Sharons Wahlsieg erst einmal ermutigt. Während israelische Siedler weitere Stützpunkte in der West Bank errichten, rufen palästinensische Aktivisten trotz der relativ konzilianten Töne Yassir Arafats zu einer Intensivierung der Intifada auf. Inwieweit Sharon überhaupt eine Chance haben wird, die Gespräche mit den Palästinensern wieder aufzunehmen, ist offen. Den arabischen Israelis hat er sich jedenfalls schon einmal gesprächsbereit gezeigt und die Parlamentarier der arabischen Parteien zu Koalitionsgesprächen eingeladen - eine Geste, die durchaus verstanden wurde. »Barak«, so Talab A Sana von der Vereinigten Arabischen Liste, »hat uns nicht einmal die Möglichkeit gegeben, nein zu sagen.«

Das Schicksal der Regierung Sharon wird sich jedoch nicht an ihrer Politik gegenüber den Palästinensern oder den arabischen Israelis entscheiden, sondern in der Innenpolitik. Benjamin Netanyahu stürzte seinerzeit vor allem deshalb, weil er die ökonomischen und sozialen Erwartungen seiner Klientel nicht erfüllt hatte. Auch der schwelende Konflikt zwischen religiösen und säkularen Kräften wird Sharon erhalten bleiben. Die nächsten Wahlen kommen bestimmt.