Justiz stoppt Ermittlungen wegen Regierungskriminalität

Tatort Kanzleramt

Endlich mal wieder eine erfolgreiche Woche für die Union. Nicht nur stellte die Bonner Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen Helmut Kohl ein. Auch weitere Schlüsselfiguren der CDU-Schwarzgeldaffäre können sich bei den Repräsentanten der dritten Gewalt herzlich bedanken. So ließ das Augsburger Landgericht den Steuerhinterzieher und ehemaligen CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep mit einer Strafe von 45 000 Mark davon kommen. Peanuts, wenn man bedenkt, dass das erst später abgekoppelte Verfahren ursprünglich Teil der Anklage gegen den Rüstungslobbyisten Karlheinz Schreiber und zwei ehemalige Thyssen-Manager war, die nun - auch das eine Meldung aus der vergangenen Woche - frühestens im Herbst auf die Anklagebank sollen.

Doch damit nicht genug. Der hessische Staats- und Parteichef Roland Koch freute sich über einen Quasi-Freispruch des Bundesverfassungsgerichts, der eine Wiederholung seines aus illegalen CDU-Geldern finanzierten Anti-Doppelpasswahlkampfs von 1998/99 ausschließt. Und dem Kohl-Vertrauten Hans Terlinden sowie dem früheren CDU-Wirtschaftsberater Horst Weyrauch - zentrale Figuren bei der klandestinen Kontenführung der Konservativen - soll es bald ähnlich ergehen wie dem Altkanzler. Ermittlungen der Bonner Staatsanwaltschaft wegen Beihilfe zur Untreue stünden kurz vor der Einstellung, berichtete am Montag der Spiegel.

Am Ende sind damit auch die Versuche, die im Bundestagsuntersuchungsausschuss seit über einem Jahr systematisch hintertriebene Aufklärung der Staatsffären Kohls wenigstens auf strafrechtlicher Ebene fortzuführen und den Zusammenhang zwischen Schwarz- und Schmiergeldern kenntlich zu machen, sei es bei der Abwicklung des ostdeutschen Minol-Tankstellennetzes durch Elf Aquitaine oder beim Verkauf von Panzern an Saudi-Arabien. Die Einstellung der Ermittlungen gegen Kohl, Kiep und Co. wegen Veruntreuung von Parteigeldern ist schließlich nicht deshalb Aufsehen erregend, weil sie für 300 000 Mark billig erkauft wäre, sondern weil damit auch die Erkenntnisse über mafiotische Verwicklungen der Bundesregierungen der neunziger Jahre ad acta gelegt werden.

Der vom nordrhein-westfälischen Justizminister abgesegnete Verfahrensstopp durch die Bonner Staatsanwälte ist daher nichts weniger als der entschiedene Verzicht der dritten Gewalt, die Bestechlichkeit der Regierung Kohl juristisch ins Visier zu nehmen. Oder, demokratietheoretisch gefasst, der Kotau der Justiz vor den im Verfassungsstaat BRD längst zu »staatspolitischen Vereinigungen« (Johannes Agnoli) transformierten Parteien. Denn nicht nur formal unterlaufen CDU, SPD, CSU und FDP schon seit Jahrzehnten die vom bürgerlichen Rechtsstaat postulierte Trennung in Exekutive, Legislative und Judikative. Durch die Verteilung von Posten und Privilegien haben sich die Parteien ein System von Klientelen geschaffen und sind quasi selbst zu Staatsorganen geworden.

Handstreichartig haben deutsche Staatsanwälte und Richter so vorige Woche vollendet, was der Untersuchungsausschuss mit seiner Fixierung auf kriminelle Handlungen innerhalb der CDU konsequent vorbereitet hat. Ein Jahr nach Beginn der CDU-Krise sind die Staatsaffären der Ära Kohl nun wohl auch juristisch vom Tisch. Der Altkanzler sei »nicht bestechlich«, hatte ihm nach seinem zweiten Auftritt vor dem Ausschuss dessen Vorsitzender Volker Neumann (SPD) schon im Januar attestiert.

Besser als jedes Juso-Lehrbuch über die Funktionsweise des staatsmonopolistischen Kapitalismus aber hat Kohl selbst die Zusammenarbeit von Vertretern des politischen Überbaus und ihren Zuarbeitern an der Spitze von Siemens, Thyssen oder Krupp letzten Sommer beschrieben. »Was wir für richtig halten, machen wir.« Nur mit wem er es gemacht hat, wird so schnell keiner erfahren.