Umstrittener Rüstungsdeal

Waffen für den ANC

Am größten Rüstungsdeal Afrikas ist auch die deutsche Industrie beteiligt. Sie will U-Boote und Fregatten an Südafrika liefern.

Deutschland auf dem dritten Platz beim weltweiten Waffenverkauf? Hinter den USA und Russland, aber noch vor China, Frankreich und Großbritannien? Die Meldung der New York Times sorgte im August letzten Jahres für Aufregung in deutschen Regierungskreisen, schließlich hatte sich die rot-grüne Koalition noch 1998 vorgenommen, die Waffenexporte zu reduzieren. Zudem beharrte man darauf, dass Deutschland beim Rüstungshandel an fünfter Stelle stehe, wie dies die Statistik des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri für die vergangenen Jahre auswies.

Auch die eigene, deutsche Statistik verzeichnete Kriegswaffenausfuhren im Wert von 2,8 Milliarden Mark. Der US-Regierungsbericht hingegen, der in der New York Times zitiert wurde, kam auf einen Betrag von vier Milliarden Dollar. Des Rätsels Lösung: Dieser Bericht enthielt auch milliardenschwere Rüstungsvereinbarungen mit Südafrika, die über einen Zeitraum von zehn Jahren abgewickelt werden.

Gerade dieser Waffendeal sorgt in Südafrika seit Monaten für Aufregung. Korruptionsvorwürfe häufen sich, und zahlreiche Nichtregierungsorganisationen fordern, Geld zur Armutsbekämpfung statt für Waffen auszugeben. In Deutschland treten medico international, das Bonner Internationale Konversionszentrum (BICC) und die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) für ein Moratorium des Rüstungsgeschäftes ein.

Nach jahrelangen Verhandlungen hat der regierende African National Congress (ANC) unter Präsident Thabo Mbeki ein Rüstungsgeschäft mit westeuropäischen Firmen im Wert von 44 Milliarden Rand (etwa 7 Milliarden Euro) unter Dach und Fach gebracht. Die British Aerospace liefert 24 Kampfflugzeuge, die schwedische Saab 28 Alpha-Jets und der italienische Augusta-Konzern 40 Hubschrauber.

Deutsche Firmen sind für die Marine zuständig. Drei U-Boote und vier Fregatten für insgesamt drei Milliarden Mark liefert das Deutsche Fregattenkonsortium - ein Zusammenschluss der Thyssen-Werft Blohm&Voss in Hamburg, der Preussag-Tochter Howaldtswerke-Deutsche Werft AG in Kiel (HDW) und der Thyssen Rheinstahl - sowie das Deutsche U-Boot-Konsortium, dem die Howaldtswerke, die Thyssen Nordseewerke und die Ferrostahl AG angehören. Das Rüstungsgeschäft wird mit Hermeskrediten abgesichert.

Rund drei Millionen Mark Schmiergeld soll Joe Modise, der ehemalige Verteidigungsminister und frühere Chef von Umkhonto we Sizwe, dem militärischen Arm des ANC, von deutschen Rüstungsfirmen erhalten haben. Diesen Vorwurf erhebt Terry Crawford-Browne, Vorsitzender der südafrikanischen Sektion der Economist Allied for Arms Reduction (ECAAR) in Kapstadt. Zudem seien Schmiergelder bei der Auftragsvergabe an südafrikanische Zulieferer geflossen.

Delikaterweise untersagte Präsident Mbeki der von Nelson Mandela gegründeten Anti-Corruption-Unit auch noch, in dieser Sache zu ermitteln. Seit Anfang Februar jedoch untersuchen der Generalstaatsanwalt und das Büro für Wirtschaftskriminalität die Vorwürfe. Auch Südafrikas Rechnungshof wurde aktiv, da das Geschäft wesentlich teurer ausfiel als ursprünglich geplant. Neben Modise sind weitere Generäle der früheren Befreiungsarmee von den Korruptionsvorwürfen betroffen, ebenso einige südafrikanische Zulieferer für Innenausstattung und Elektronik, die enge Kontakte zum ANC besitzen. Um »Black Empowerment« in Südafrika zu fördern, machte die Regierung es den europäischen Waffenexporteuren zur Auflage, möglichst mit Firmen zusammenzuarbeiten, die von Schwarzen geleitet werden.

Noch bevor die Korruptionsgerüchte präzisiert werden konnten, äußerten entwicklungspolitische Organisationen und Kirchen in Südafrika und Deutschland grundsätzliche Zweifel am Sinn dieser Rüstungsgeschäfte und sprachen sich eindeutig dagegen aus. 30 Gruppen, darunter der südafrikanische Kirchenrat und der Dachverband der dortigen NGOs, haben eine Koalition gegen Militärausgaben gebildet.

Vor allem die Größe des Geschäftes stört sie. Bereits heute ist der Rüstungsetat Südafrikas dreimal so hoch wie die öffentlichen Ausgaben für das Gesundheitswesen. Der Militärhaushalt muss beträchtlich wachsen, um den neuen Rüstungsdeal in den nächsten zehn Jahren finanzieren zu können. Wegen der großen sozialen Probleme - etwa ein Drittel der SüdafrikanerInnen lebt mit rund 250 Mark monatlich unter der Armutsgrenze - werden die Ausgaben für Waffen als Geldverschwendung angesehen.

Auch die vereinbarten »Kompensationsgeschäfte« werfen Fragen auf. Beispielsweise will die Essener Firma Ferrostahl ein Spezialstahlwerk an der Ostküste Südafrikas errichten. Dieses Gegengeschäft im nicht-militärischen Bereich soll nach Auskunft der südafrikanischen Regierung 65 000 Arbeitsplätze schaffen. Doch diese Zahl wird als unrealistisch angesehen und die wirtschaftliche Rationalität des Stahlwerkes insgesamt angezweifelt. Medico international zufolge hat Ferrostahl sogar Schwierigkeiten, die zugesagte Investitionssumme aufzubringen.

Diese Gegengeschäfte und der mögliche Gewinn für die Wirtschaft dienten der südafrikanischen Regierung dazu, die Waffenkäufe in der Öffentlichkeit zu legitimieren, so die südafrikanische Wochenzeitung Mail & Guardian. Bereits im Sommer des vergangenen Jahres berichtete die Zeitung, an den Investitionsversprechen ausländischer Regierungen und Firmen sei nichts dran.

Der umfangreiche Waffenkauf bedeutet auch eine Kehrtwende in Südafrikas Militärpolitik. Zwar exportierte Südafrika auch in den letzten Jahren kräftig Waffen, doch seit den ersten Wahlen nach der Apartheid 1994 und dem Sieg Nelson Mandelas flossen die Gelder für die South African National Defence Force (SANDF) zunächst spärlicher. Die neue Regierung reduzierte das Militärbudget um die Hälfte und schaffte die Wehrpflicht ab. Auch die sechs atomaren Sprengköpfe, die das Apartheid-Regime produziert hatte, wurden vernichtet.

Die südafrikanische Regierung versteht das neue Rüstungsprogramm als Modernisierung. Der Direktor des BICC, Herbert Wulf, begreift es hingegen als Aufrüstung: Mit dem Deal erlange Südafrika »wieder die Kapazität wie in der Apartheidzeit, in den Nachbarstaaten zu intervenieren«. Der Rüstungskauf sei das größte Geschäft, das je in Afrika getätigt worden sei, und sein Umfang sei größer als die Summe, die alle Staaten südlich der Sahara in einem Jahr für das Militär ausgeben, so Wulf. Zudem erzeuge die Aufrüstung bei den Nachbarn Bedrohungsängste, die zu einem Rüstungswettlauf führen könnten. Dass Südafrika U-Boote zum »Schutz der Küstengewässer« brauche, ist für Wulf nicht verständlich.

Ein Problem sieht die südafrikanische Regierung allerdings in der Instabilität der Region, insbesondere in den Ländern Angola und Kongo. Auch die Furcht vor einer unkontrollierbaren Migration aus den benachbarten armen Ländern wie Mosambique in das vergleichsweise reiche Südafrika ist groß. Im Rahmen der Entwicklungsgemeinschaft für das südliche Afrika (SADC) baut Südafrika eine grenzübergreifende »Friedenstruppe« auf. Gemeinsame Manöver haben bereits stattgefunden. Diese Truppe dürfte vor allem die Interessen Südafrikas, der führenden Regionalmacht, verteidigen.