Internetspiel gegen Nazis

Wer tötet unsere Roulade?

Im Internet wird der Kampf gegen Neonazis verschärft. Das Spiel »Ploppattack« ist dabei die neueste Waffe.

Im letzten Jahr konnte zeitweilig der Eindruck entstehen, die Neonazis kämen nicht aus irgendwelchen biederen deutschen Kleinstädten und aus den Hochhaussiedlungen der Metropolen, sondern aus dem Internet. Kein Tag verging, an dem nicht darauf hingewiesen wurde, dass Neonazis sich im Internet verschwören und Propaganda betreiben.

Dem virtuellen Nazi soll nun wirksam begegnet werden. Letzte Woche stellte das Bundeswirtschaftsministerium einen neuen Entwurf zur Telekommunikationsüberwachungs-Verordnung vor, der einen besseren Zugriff auf Internetseiten mit rechtsextremen Inhalt ermöglichen soll. Und der Zentralrat der Juden in Deutschland kündigte an, Provider zu verklagen, die Zugang zu solchen Seiten bieten.

Zudem verstärken verschiedene Initiativen ihre Bemühungen, Seiten gegen rechte Ideologie im Internet einzurichten. Während man in manchen Gegenden der Republik den Nazis bereits die Straße überlassen hat, will man ihnen wenigstens das Internet streitig machen. Eine solche gut gemeinte Homepage hat der Blick nach rechts, den die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft herausgibt, unter www.bnr.de eingerichtet. Gefördert mit Geldern des Bundesministeriums für Inneres, kreierte der SPD-nahe Verlag eine Internetseite gegen Nazis, die sich vor allem an Jugendliche richtet. Neben Informationen über rechte Aktivitäten bietet sie interessierten Teenagern Argumentationshilfen gegen Nazi-Propaganda.

Und das in Form eines Spiels. Bei »Ploppattack« geht es darum, dumpfe Nazi-Sprechblasen mit dem jeweils richtigen Gegenargument »wegzuploppen«. Das funktioniert so: Wenn der Skin mit seinem kantigen Brummschädel etwa behauptet, Ausländer wollten nicht arbeiten, dann muss der Spieler sich zwischen drei Antworten, die abwechselnd aufblinken, entscheiden. Und das möglichst schnell, um den High-Score zu erreichen.

In Sekundenbruchteilen heißt es zu wählen zwischen: »Nein, sie wollen schon arbeiten, aber ohne Papiere«, »Nein, sie haben nicht die richtige Qualifikation« oder »Je nach Aufenthaltstatus dürfen sie manchmal nicht arbeiten«. Schon entschieden? Und weiter geht's. Die Antworten sind immer so gehalten, dass eine davon richtig ist, eine nur scheinbar richtig und die dritte falsch. Mit Multiple Choice gegen Nazis. Ziel des Spiels soll es sein, die Widerlegung von rechten Parolen zu »trainieren«.

Zweite Trainingseinheit: »Ausländer nehmen uns die Frauen weg.« Mögliche Antworten: »Sie haben eben mehr zu bieten«, »Nur kein falscher Neid!« oder »Das entscheiden allein die Frauen selbst«. Bingo! Da staunt der Skin. Und der Jugendliche trainiert weiter. Dritter Versuch: »Ausländer waschen sich nicht.« Und jetzt schnell entscheiden zwischen: »Die Deutschen sind in Hygienefragen auch keine Weltmeister«, »Wer sich zuviel wäscht, schadet seiner Haut« oder »Vielleicht kommen sie nicht mit den Amaturen zurecht«. Spätestens jetzt schüttet sich der Spieler aus vor Lachen. Gibt es tatsächlich derart bescheuerte Vorurteile? Oder wurden sie für dieses Spiel erst erfunden? Man weiß es nicht.

Aber zugegeben, es gibt auch ernsthafte Aufgaben: »Die Wehrmacht hat keine Verbrechen begangen«, sagt der Skin zum Beispiel, und der geschulte Zivilgesellschaftsjugendliche antwortet wie aus der Pistole geschossen: »Die Wehrmacht war an Massenerschießungen beteiligt.« Genau genommen hat sie alle Länder angegriffen, die sie angreifen konnte. Deswegen nennt man es auch Weltkrieg. Aber was soll's.

Eine andere Aufgabe ist sogar relativ schwer zu lösen: »Vom Holocaust hat Hitler nichts gewusst.« Was antwortet man: »Auch ohne schriftlichen Befehl wussten die Untergebenen von Hitlers Wünschen«? Oder: »Aber ein Großteil der Bevölkerung hat es gewusst«? Nein, alles falsch, die richtige Antwort lautet: »Und die Wannsee-Konferenz war ein unverbindlicher Plausch, wie?« Hier wird derjenige aufs Glatteis geführt, der über der Beteiligung der Bevölkerung am Massenmord Hitler selbst vergessen will. Goldhagen mal andersrum, auch nicht schlecht.

Weniger komplex, dafür schon wieder erheiternd, sind Parolen wie: »Die deutsche Esskultur stirbt aus«, und vor allem die angebotenen Antworten darauf: »Es ist kein Aussterben, sondern eine Bereicherung«, »Macht nichts, ich esse keine Kartoffeln« und »Meine Mutter konnte noch nie Rouladen«. Meine schon.

Klar, es ist nur ein Spiel, das interessierte Jugendliche anregen soll. Gabriele Nantlinger von der Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft, die die Seite redaktionell betreut, gesteht, dass »Ploppattack« noch nicht richtig ausgereift ist. »Das Ganze ist ein Gag, ein Nebenprodukt unserer Internetseite«, meint sie. Es soll Jugendlichen den Einstieg in die Thematik erleichtern. Das Hauptanliegen sei die Information über rechte Strukturen und rechte Propaganda. Man wolle den Jugendlichen Argumentationshilfen geben und hoffe darauf, dass sich andere Organisationen oder Initiativen anschließen.

Mit wem die Jugendlichen jedoch auf diese Art und Weise diskutieren sollen, ist schwer zu sagen. Wobei es mit Sicherheit eine wichtige Aufgabe ist, Jugendliche in die Lage zu versetzen, die rechte Propaganda zu durchschauen und zurückzuweisen. Aber insgesamt wird das so poppig daherkommende Spiel doch ziemlich stark von sozialdemokratischer Didaktik dominiert.

Gabriele Nantlinger ist vorerst mit der Resonanz zufrieden. Die Seite soll ja auch noch verbessert werden, wenn es die Kapazitäten erlauben. Und wer weiß, vielleicht gibt es in naher Zukunft viel mehr junge Leute, die die richtigen Antworten auf die falschen Behauptungen wissen.

Etwa auf die lustigste des ganzen Spiels: »Zu Hause will ich mir ja auch aussuchen, wer zu Besuch kommt.« Na, schon in Form? Dann entscheiden Sie zwischen: »Wer will dich denn besuchen?«, »Die meisten machen keinen Urlaub, sondern leben hier« oder »Isolation als Quelle für Inspiration?« Der gegenwärtige Halter des High-Scores bei »Ploppattack«, der sich »ENTnaziFIZIRER« nennt, weiß mit Sicherheit die Antwort.

www.bnr.de