Taliban sprengen Buddha-Statuen

Barbarei in Bamiyan

Mehr als 1 000 Menschen sahen zu, als Ende Februar im Stadion von Kandahar zwei vermeintliche Prostituierte gehängt wurden. Zwei weitere Frauen und zwei Männer wurden wegen Ehebruchs ausgepeitscht. Wenige Tage zuvor hatte Human Rights Watch gefordert, Berichte über die Erschießung von 300 schiitischen Zivilisten in der Provinz Bamiyan zu untersuchen, die im Januar von den Taliban erobert worden war.

Doch nach fünf Jahren Taliban-Herrschaft langweilt der tägliche Terror die westliche Öffentlichkeit. Erst als die Taliban vorige Woche ankündigten, zwei kolossale Buddha-Statuen in Bamiyan und andere Relikte der vorislamischen Vergangenheit Afghanistans zu zerstören, schlugen die Wellen der Empörung noch einmal hoch.

Die nahe liegende Vermutung, dass die Taliban mit der zuvor angekündigten Zerstörungsaktion Zugeständnisse - etwa eine Beendigung der Uno-Sanktionen - erpressen wollen, hat sich nicht bestätigt. Am Wochenende meldete Quadratullah Jamal, der Informationsminister der Taliban, den Vollzug: »Die Köpfe und Beine (...) wurden gestern zerstört. Unsere Soldaten arbeiten hart daran, die restlichen Teile zu demolieren.«

Mohammad Omar, der oberste Führer der Taliban, hatte der Afghan Islamic Press verkündet: »Die Zerstörung der Statuen ist ein islamischer Befehl, und ich habe diese Entscheidung im Lichte einer Fatwa der Rechtsgelehrten und des Obersten Gerichtshofes von Afghanistan getroffen.« Nach dieser Erklärung war ein Rückzieher kaum noch möglich. Auch orthodoxe und fundamentalistische Muslime, von Vertretern der Al-Azhar-Universität in Kairo bis zu Sprechern des iranischen Regimes, hatten die Zerstörung verurteilt. Die Taliban zeigten sich jedoch wie in der Vergangenheit - so etwa im Falle der in der islamischen Geschichte beispiellosen Vorschrift über die Mindestlänge des Bartes - unbeeindruckt. In ihrer Ideologie mischt sich fundamentalistischer Extremismus mit obskurantistischen Anschauungen, die während des Zerfalls der traditionellen Stammesgesellschaft entstanden.

Gerne vergessen wird derzeit von den Hütern der Zivilisation, dass der Zerfall der afghanischen Gesellschaft nicht zuletzt eine Folge der Unterstützung islamistischer Gruppen vor allem durch die USA, Pakistan und Saudi-Arabien war. Ohne die großzügige Ausstattung mit Geld und Waffen wäre es der in pakistanischen Flüchtlingslagern entstandenen, zunächst unbedeutenden Gruppe nicht gelungen, etwa 90 Prozent des afghanischen Territoriums zu erobern.

1996 hatten sich die USA und Saudi-Arabien wegen der Beherbergung des vermeintlichen Oberschurken Ussama Bin Laden mit den Taliban überworfen. Doch noch immer ist die Politik gegenüber dem afghanischen Regime recht konziliant. Trotz des - erst im Dezember 2000 verhängten - Uno-Waffenembargos haben die Taliban noch genug Munition, um damit nicht nur auf Kriegsgegner und Zivilisten, sondern auch auf Statuen zu schießen. Pakistan, das die Taliban weiterhin unterstützt, muss deswegen nicht mit Sanktionen rechnen. Auch die neue US-Regierung will bei der Erschließung der mittelasiatischen Energievorräte Russland und den Iran möglichst umgehen. Der Bau einer Pipeline durch Afghanistan steht daher weiterhin auf dem Programm.

Im Januar hatte der Taliban-Außenminister Ahmed Muttawakil die USA aufgefordert, zu »versuchen, unsere Freunde zu werden«. Im Februar lobte die UN-Drogenkontrollbehörde UNDCP die Bemühungen der Taliban, den Opiumanbau zu stoppen. Die Zerstörung der buddhistischen Monumente macht eine Annäherung derzeit unmöglich. Sollten die Taliban aber doch noch die für eine Normalisierung der Beziehungen erforderliche Mäßigung zeigen, könnten die zerstörten Statuen fast ebenso schnell in Vergessenheit geraten wie die beiden erhängten Frauen.