Maul- und Klauenseuche in Großbritannien

Ins Gras gebissen

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Rund 60 mit Maul- und Klauenseuche infizierte Tiere sind bislang in Großbritannien entdeckt worden, 53 000 Tiere aber wurden getötet und an Ort und Stelle verbrannt. Große Teile des Landes wurden abgesperrt, darunter alle Wälder, die der staatlichen Försterei gehören. Das Wandern auf gesperrten Wegen wird als kriminelles Delikt betrachtet und mit Strafen bis zu 8 000 Euro geahndet. Großveranstaltungen werden weiter abgesagt oder verschoben, Schulen und Kirchen geschlossen. Die Supermarktketten melden Hamsterkäufe und leere Fleischtheken. Und das alles wegen einer Krankheit, die für Menschen harmlos ist. Warum der ganze Aufwand?

Mit dem Ausbruch der Maul- und Klauenseuche ist in Großbritannien eine Diskussion um die industrialisierte Lebensmittelproduktion angekommen, die in Deutschland wegen der BSE-Krise bereits seit Weihnachten stattfindet. Die Politik der billigen Lebensmittel ist auch der Grund für das massenhafte Abschlachten von gesunden Tieren: Die Maul- und Klauenseuche verbreitet sich sehr leicht, und infizierte Tiere verlieren ihren Appetit. Das Leben eines Schweins von der Geburt bis zur Supermarktkasse dauert fünfeinhalb Monate, kranke Tiere würden ein bis zwei Monate länger benötigen, und auch dann nicht dasselbe Gewicht auf die Waage bringen. Deshalb ist es im großen Maßstab profitabler, die Ausbreitung der Krankheit durch Massenschlachtungen zu stoppen.

Ende der sechziger Jahre trat die Seuche zum letzten Mal in Großbritannien auf. Damals wurden zwar viel mehr Tiere infiziert, jedoch nur in bestimmten Regionen. Der Zwang zur schnellen und billigen Just-in-time-Produktion hat zur Schließung lokaler Schlachtereien geführt. Das Resultat: Heute werden von Schottland bis in den äußersten Südwesten der Insel Infektionsfälle gemeldet.

Premierminister Tony Blair hat dringend einen Sündenbock für das Desaster gebraucht, und sich deshalb auf die Supermarktketten eingeschossen, die »die Bauern im Würgegriff« der Niedrigpreispolitik hielten. Tatsächlich beherrschen fünf Ketten achtzig Prozent des Lebensmittelhandels und haben so die Möglichkeit, den Bauern ihre Bedingungen zu diktieren. Ihre Gewinnmargen sind folglich mehr als doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt.

Blair hat nun angekündigt, einen »Verhaltenskodex« für den Großhandel auszuarbeiten. Ob dies an der Situation etwas ändern wird, ist allerdings fraglich, da ein Vertreter des Marktführers Sainsbury im Handelsministerium sitzt und die Nummer zwei, Tesco, zu den Gönnern der Labour-Partei gehört.

Doch die gegenwärtige Krise wirft ein noch viel größeres Problem auf: die Verarmung der Bauern. Seit dem Ende der siebziger Jahre wurde die industrielle Agrarproduktion unprofitabel. Heute werden die Gewinne im urbanen Dienstleistungssektor gemacht. Die BSE-Krise in den neunziger Jahren hat diese Entwicklung noch verstärkt. Womöglich steckt die britische Landwirtschaft in einer letalen Krise.

Ironischerweise war eines der ersten Opfer der Seuche der für Mitte März angesetzte Countryside- und Livelyhood-Marsch der Countryside Alliance in London. Mit 500 000 Teilnehmern sollte er die größte Demonstration seit dem Zweiten Weltkrieg werden. Vordergründig richtet sich die nun verschobene Demonstration gegen das von Labour beabsichtigte Verbot von Fuchstreibjagden. Doch im Grunde geht es um das letzte Aufbäumen der ruralen Bevölkerung gegen die »urbanen Eliten«, wie es die der Konservativen Partei nahe stehende Countryside Alliance ausdrückt.