Krise in Argentinien

Murphys Gesetz

Gerade zwei Wochen war Argentiniens Wirtschaftsminister Ricardo López Murphy im Amt. Das ist auch für Argentinien, wo die Minister sich seit dem Amtsantritt des Präsidenten Fernando de la Rúa selten lange halten können, wenig.

Doch Murphy, ein Chicago-Boy, hatte genau das gemacht, was Unternehmer gefordert und die Gewerkschaften sowie der linksgerichtete Frepaso (Frente País Solidario) befürchtet hatten: Sparprogramme auf Kosten der Bevölkerung zu verabschieden. Die Reaktion der seit drei Jahren unter der Rezession leidenden Argentinier kam sofort; ein Generalstreik legte das Land lahm, und Präsident de la Rúa gab erneut nach. Noch Anfang letzter Woche hatte er seinem Wirtschaftsminister den Rücken gestärkt, kaum vierundzwanzig Stunden später unterschrieb er dessen Demissionsurkunde und präsentierte den neuen Mann.

Domingo Cavallo ist kein Unbekannter in der argentinischen Wirtschaftspolitik, und viele geben ihm die Schuld an der derzeitigen Wirtschaftsmisere. Cavallo war es, der die feste Anbindung des Peso argentino an den US-Dollar 1991 durchsetzte, die zehn Jahre später von knapp siebzig Prozent der Bevölkerung für die heutige Misere verantwortlich gemacht wird. Die Maßnahme, die damals bejubelt wurde, weil sie die Hyperinflation über Nacht beendete, kostet das Land inzwischen mehr, als sie ihm nützt, meinen heute viele. Nicht erst seit dem kräftigen Dollaranstieg im vergangenen Jahr gilt der Peso als hoffnungslos überbewertet, wodurch sich die Absatzkrise der argentinischen Wirtschaft spürbar verschärft hat. Dieser Grund für die anhaltende Rezession im Land ist aber beileibe nicht der einzige.

Das weiß auch de la Rúa. Aber da sein Appell an die »nationale Einheit«, mit der er die Peronisten in die Regierung holen wollte, erfolglos blieb, setzt er nun auf Cavallo, dem in Wirtschaftskreisen immer noch der Ruf eines Visionärs anhaftet. Doch den »Visonär«, der Maßnahmen zur Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit der nationalen Unternehmen angekündigt hatte, holte de la Rúa in die Regierung, weil er die Stimmen von Cavallos Partei, der Acción por la República, braucht, um an der Macht zu bleiben.

Krisenmanagement also auch in eigener Sache, nachdem der Juniorpartner Frepaso nicht mehr im Kabinett vertreten ist. Aus der Mitte-Links-Regierung de la Rúas ist quasi über Nacht eine Mitte-Rechts-Regierung geworden, die allerdings Unterstützung von Frepaso braucht, will sie nicht abgesetzt werden. Sechs Stimmen fehlen dem neuen Regierungsbündnis im Parlament, und von den ersten Reformen des neuen Wirtschaftsministers wird es wohl abhängen, ob der Frepaso mitzieht oder nicht.

Cavallo ist beim Frepaso nicht sonderlich beliebt, er gilt als Marktradikaler, der Argentiniens Wirtschaft geöffnet und dem Land damit eine Rekordarbeitslosigkeit beschert hat. Auch die Verdoppelung der Außenverschuldung kreiden viele Argentinier dem mit Sondervollmachten ausgestatteten neuen Minister an. Der gibt sich bislang verträglich und will sich darum kümmern, Steuerhinterziehung, Verschwendung, Korruption und die ausufernde Bürokratisierung zu bekämpfen. Das war nicht alles: Am Mittwoch vergangener Woche kündigte er ein »Gesetz über die Wettbewerbsfähigkeit« an. Am Donnerstag stürzten die Kurse an den Börsen von Buenos Aires und São Paulo um mehr als fünf Prozent.