Krise auf dem Balkan

Waffen für Skopje

Weil die Unterstützung der EU für die bedrängte mazedonische Regierung schwach bleibt, wendet diese sich ihren Nachbarn auf dem Balkan zu.

Ein Staatsmann hätte nicht pompöser empfangen werden können: Der rote Teppich war ausgerollt worden, und am Rollfeld des Flughafens von Skopje versammelte sich die politische Elite Mazedoniens. Selbst Präsident Boris Trajkovski war angetreten. Doch erwartet wurde kein Regierungschef, sondern altes Fluggerät. Die Ukraine spendete den bedrängten Mazedoniern zwei Militärhubschrauber, die nun die albanischen Rebellen im Nordosten des Landes erschrecken sollen. Präsident Trajkovski vermutete, die beiden fliegenden Schrotthaufen würden »die Verteidigungsfähigkeit des Landes wesentlich erhöhen«.

Militärhilfe erhielt Mazedonien auch von Griechenland. Der Konflikt mit der UCK hat die beiden eigentlich nicht unbedingt befreundeten Staaten zusammengeschweißt, Griechenland lieferte in den vergangenen Wochen Truppentransporter und Sanitätswagen für die miserabel ausgestattete mazedonische Armee. Der griechische Verteidigungsminister Akis Tschochatsopolus erklärte während eines Besuches im bulgarischen Plovdiv: »Wir sind bereit, aktiv die Bemühungen der mazedonischen Regierung zu unterstützen, einen Bürgerkrieg abzuwenden.«

Ein ähnliches Anlehnungsbedürfnis zeigt auch Bulgarien. Als Premier Ivan Stojov vor zwei Wochen Skopje besuchte, versprach er den Mazedoniern die Lieferung von »Hunderten Tonnen Waffen«. Was vorerst von der mazedonischen Regierung abgelehnt wurde.

Auch Rumänien besinnt sich plötzlich der alten Freundschaft mit Skopje. In der rumänischen Stadt Temesvar wurde vor wenigen Wochen eine Polizei-Einheit gegründet, die allein die Aufgabe hat, den Waffennachschub für die albanische Guerilla im Kosovo und rund um Tetovo zu unterbrechen. Schließlich gilt Temesvar in Polizeikreisen als Zentrum der Waffenschieberei kosovo-albanischer Banden in Rumänien.

Nun besteht die Gefahr, dass das groß angekündigte Einigungswerk der Europäischen Union mitsamt dem Stabilitätspakt Bodo Hombachs scheitert. Wenn sich Mazedonien von der EU enttäuscht sieht, wird es eine noch stärkere Anlehnung an die Balkanstaaten suchen.

Denn im Vergleich mit den Hilfsangeboten diverser Verbündeter auf dem Balkan nimmt sich die Unterstützung der Europäischen Union bescheiden aus. »Als erste Maßnahme werden wir Präsident Boris Trajkovski zum EU-Gipfel in Stockholm einladen«, verkündete die schwedische Außenministerin Anna Lindh am vergangenen Freitag in Skopje. Trajkovski durfte tatsächlich nach Stockholm, doch die konkreten Unterstützungserklärungen europäischer Politiker hielten sich in Grenzen.

Es scheint, als würden aus der zweifellos nicht immer optimal behandelten albanischen Minderheit in Mazedonien nun Klienten eines aus dem Kosovo hinlänglich bekannten politischen Konzeptes. Zwar haben die Albaner in Mazedonien noch lange nicht den Status ihrer kosovo-albanischen Nachbarn erreicht, doch schleichend nähert sich die Argumentation wichtiger Vertreter der Union den aus der Vorbereitung des Kosovo-Krieges bekannten Mustern und legitimiert damit die Aktionen der Freischärler.

Der russische Präsident Wladimir Putin machte am Rande des EU-Gipfels in Stockholm die verhängnisvolle Argumentation der Europäischen Union in einem ziemlich scharfen Statement deutlich: »Ich bedaure, dass von der internationalen Gemeinschaft bisher noch kein Versuch unternommen wurde, die Terroristen zu entwaffnen. Und ich spreche bewusst von Terroristen und nicht von Rebellen«. Putin war der einzige, der während des Gipfels in Stockholm so klare Worte fand. Vertreter der EU dagegen begnügten sich mit lauen Beileidskundgebungen für die mazedonische Regierung.

Ein klares Jein zu den Forderungen der UCK-Terroristen ließ auch der US-amerikanische Außenminister Colin Powell vernehmen. Zwar verurteilte er die Eskalation der Gewalt, doch forderte er besonders die Regierungstruppen auf, »behutsam gegen die Rebellen« vorzugehen.

Ungeachtet dieser Ratschläge entschied sich die mazedonische Regierung am vergangenen Sonntag für eine Großoffensive. Mit Truppentransportern und Panzern drang die mazedonische Armee erstmals ins Hügelgebiet rund um Tetovo vor und begnügte sich nicht damit, aus großer Entfernung auf vermeintliche UCK-Stellungen zu feuern. Sechs Dörfer konnte die Armee zurückerobern und auch die Burg Kale, bisher ein Unterschlupf der Separatisten, wurde eingenommen. In der Nacht auf Montag wurde der »große Sieg« der Armee schon gefeiert, UCK-Vertreter dagegen behaupten, sie hätten noch immer einige Gebiete in der Umgebung Tetovos unter ihrer Kontrolle.

Möglicherweise hat die UCK tatsächlich eine empfindliche militärische Schlappe einstecken müssen, doch ihren politischen Zielen rückte sie näher. Inzwischen hat sich der Streit zwischen den Parteien in Skopje verschärft, und besonders unter den albanischsprachigen Gruppierungen deutet sich ein Kurswechsel an. »Der Burgfrieden hält, aber wie lange noch?« fragt denn auch der OSZE-Sprecher Harald Schenker in Skopje.

So ganz stimmt das nicht. Denn inzwischen hat sich eine außerparlamentarische albanische Opposition gebildet. Die bisher mit zehn Abgeordneten vertretene albanische Partei für Demokratie und Wohlstand (PDP) ist aus dem Parlament in Skopje ausgezogen. »Wir werden uns nicht mehr an der parlamentarischen Arbeit beteiligen. Das Vorgehen der mazedonischen Armee gegen die Rebellen wird immer aggressiver«, heißt es in einer Erklärung der Partei.

Auch die in der Regierungskoalition verankerte demokratische Albanerpartei (DPA) macht nun Druck. Ihr Vorsitzender Arben Xhaferi forderte dringend ein Gespräch mit Präsident Boris Trajkovski, denn »die Armee geht zu kraftvoll gegen die Rebellen vor«.

Wenn die Regierungskoalition in Skopje platzt, dann waren die Gefechte um Tetovo nur ein Vorgeschmack auf einen handfesten Bürgerkrieg, von dem auch die Hauptstadt nicht verschont bleiben würde. Denn die Koalition, die bislang die wichtigste politische Vertretung der albanischen Bevölkerungsgruppe integriert hat, ist der einzige Garant für eine Begrenzung des Konfliktes.

Wenn sie zerbricht, werden Beteuerungen wie jene des nationalen Sicherheitsberaters Nikola Dimitrov wenig helfen: »Das ist ein Kampf gegen Terroristen und nicht gegen unsere ethnische Gemeinschaft. Wir haben diese Offensive begonnen, weil der seit langem hier vorhandene Terrorismus die Säulen unserer multiethnischen Gemeinschaft bedroht.«

Auf die militärischen Aktionen könnte ein Ende des Stillhalte-Abkommens in Skopje folgen. Dann wird der außenpolitische Koordinator der EU, Javier Solana, wohl widerlegt werden: »Ich habe das Gefühl, dass der Höhepunkt der Spannungen überwunden ist.«