Jahrestag des Attentats auf einen der Mörder Ché Guevaras in Hamburg

Der Krieg geht weiter

Vor 30 Jahren wurde in Hamburg einer der Mörder Ché Guevaras getötet.

Am 1. April 1971 betrat eine Frau das bolivianische Generalkonsulat in Hamburg. Sie hatte sich bereits eine Woche zuvor telefonisch angemeldet und in englischer Sprache ein Visum für eine kleine australische Folkloregruppe beantragt. Nun sei sie gekommen, um die Formalitäten zu erledigen, sagte die Frau und bat die Sekretärin, ihr einige Fotos von Land und Leuten in Bolivien zu geben. In diesem Moment kam der Generalkonsul Boliviens, Roberto Quintanilla Pereira, ins Zimmer.

Da Quintanilla in seinem Büro Fotos aufbewahrte, bat er die Besucherin dort hinein. Kaum war die Tür hinter den beiden geschlossen, zog die Frau einen Revolver und schoss dreimal. Von zwei Schüssen in die Brust getroffen, brach Quintanilla zusammen. Die Frau steckte dem Generalkonsul einen Zettel in die Jackentasche und ließ die Waffe zurück.

Als sie das Büro verlassen wollte, geriet sie in ein kurzes Handgemenge mit der Gattin des Generalkonsuls. Die Besucherin verlor dabei ihre Perücke und eine Brille. Schließlich gelang es ihr aber, aus dem Konsulat zu entkommen. Von der letzten Besucherin Roberto Quintanillas fehlte zunächst jede Spur. Die einzigen Hinweise, die gefunden wurden, waren die Brille, eine graumelierte Perücke, der Revolver, ein Colt »Cobra 38 Spezial«, und der Zettel, auf dem in Spanisch die Worte standen : »Sieg oder Tod! ELN!«

1967 war Quintanilla stellvertretender Innenminister Boliviens und Chef des Geheimdienstes. Als Ché Guevara Anfang Oktober nach einem Gefecht mit bolivianischen Truppen schwer verletzt gefangen wurde, flog Quintanilla sofort in die Kampfzone, um an dem Verhör des weltbekannten Partisanen teilzunehmen. Doch Guevara weigerte sich, mit den Militärs zu reden. Kurze Zeit später wurde er ermordet. Quintanilla befahl, dem toten Guerillero die Hände abzuschlagen. Er wollte mit einem Beweis für die Liquidierung des »Terroristen« nach La Paz zurückkehren. Guevaras Leiche wurde verscharrt.

Nur Stunden nach dem Attentat auf den Generalkonsul schickte die ELN eine Erklärung an verschiedene bolivianische Zeitungen. Darin hieß es: »Eine unserer Kampfgruppen hat Oberst Quintanilla hingerichtet. Es handelt sich um einen revolutionären Akt der Gerechtigkeit.« Quintanilla sei einer der Verantwortlichen für den Tod Ché Guevaras gewesen und habe außerdem dessen Nachfolger in der bolivianischen Guerilla, Inti Peredo, ermorden lassen. Die Erklärung schloss mit den Worten: »Wir versprechen, dass kein Schuldiger im Bett sterben wird, wo immer er sich auch verstecken mag. Der Krieg geht weiter, Sieg oder Tod! ELN!«

Am 27. April 1971 berichtete die Mailänder Zeitung Corriere Della Sera, Quintanilla sei von der 33jährigen Deutsch-Bolivianerin Monika Ertl erschossen worden. Außerdem sei der italienische Verleger Giangiacomo Feltrinelli, ein Freund Fidel Castros, maßgeblich an der Vorbereitung des Attentats beteiligt gewesen. Anfang Juli 1971 erklärte der bolivianische Innenminister Adet auf einer Pressekonferenz in La Paz, »der Mord an Quintanilla ist aufgeklärt«.

Zwei gefangene Guerilleros der ELN hätten übereinstimmend ausgesagt, die Erschießung Quintanillas sei in Santiago de Chile von Feltrinelli und den beiden bolivianischen ELN-Kommandanten Chato Peredo und Gordo Carlos geplant worden. Mit der Tat seien eine Deutsche namens Monika Ertl sowie einige andere Ausländer beauftragt worden. Der Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft, Rüdiger Bagger, erklärte Ende der achtziger Jahre in einem Interview, 1971 sei tatsächlich ein erster Verdacht gegen Monika Ertl entstanden. »Letzten Endes hat die Staatsanwaltschaft Hamburg diesen Verdacht nicht verifizieren können.«

Monika Ertl kam 1953 gemeinsam mit ihrer Mutter und zwei Schwestern nach Bolivien. Der Vater, ein ehemaliger Kriegsberichterstatter der Nazis, hielt sich dort bereits seit 1948 auf. 1968 wurde Monika Ertl Mitglied der ELN, und Anfang 1970 ging sie mit einem Kommando der Organisation in die Berge, um den Guerillakampf aufzunehmen.

Den Angaben damaliger Kampfgefährten zufolge reiste sie nach dem Attentat über Chile nach Havanna und kehrte Anfang 1972 illegal nach Bolivien zurück. Dort begann sie sofort mit der Vorbereitung einer weiteren Aktion. Die ELN wollte den ehemaligen Gestapo-Chef von Lyon, Klaus Barbie, der seit Jahren in Bolivien lebte, entführen und nach Frankreich schaffen. Barbie war als Sicherheitsberater der bolivianischen Regierung tätig und verfügte über eine Privatarmee. Monika Ertl, die Barbie seit ihrer Kindheit kannte, weil er ein Freund ihres Vaters war, leitete das Guerilla-Kommando, das ihn festnehmen sollte.

Der französische Philosoph und Schriftsteller Régis Debray, ein Kampfgefährte Ché Guevaras, sagte in Christian Baudissins Film »Gesucht: Monika Ertl«: »Die Entführungsidee hatten wir, weil wir für die öffentliche Meinung eine Verknüpfung herstellen wollten zwischen der französischen Resistance und dem antifaschistischen Widerstand in Bolivien. Wir wollten zeigen, dass es ein und derselbe Mann war, der die Unterdrückung des demokratischen Widerstandes in Lyon während des Krieges leitete und der zu denen gehörte, die in Bolivien die Revolution gewaltsam zu zerschlagen suchten.«

Barbie und der bolivianische Geheimdienst kamen den Plänen der ELN auf die Spur. Am 12. Mai 1973 überfielen Sicherheitsbeamte Monika Ertl und erschossen sie. Ihre Leiche wurde an einem unbekannten Ort vergraben. »Barbie hat mit Sicherheit, auch wenn ich das nicht beweisen kann, den Hinterhalt organisiert, bei dem Monika getötet wurde«, erklärte Debray.

Klaus Barbie wurde 1983 von den bolivianischen Behörden festgenommen und nach Frankreich ausgeliefert. Wegen Verbrechen gegen die Menschheit in 177 Fällen verurteilte ihn das Gericht zur einer lebenslänglichen Haftstrafe. Er starb 1991 in einem Gefängniskrankenhaus an Krebs.