7. Kongress der Revolutionären Volkspartei

Hammer, Sichel, Kapital

Der Sozialismus ging, die Partei blieb. Bei der jüngsten Regierungsumbildung in Laos setzten sich die Befürworter einer wirtschaftlichen Öffnung durch.

Laos gab sich noch einmal sozialistisch: Zur Feier des 7. Kongresses der Laotischen Revolutionären Volkspartei (LRVP) Mitte März schmückte deren Fahne die Straßen der Hauptstadt Vientiane. Überall goldene Hämmer und Sicheln auf rotem Grund.

Der Parteitag brachte keine Überraschungen. Im Staatsfernsehen waren die 450 Delegierten beim obligatorischen Applaus und beim gehorsamen Abnicken der Jahrespläne zu sehen. Der alte Parteivorsitzende Kaysone Siphandone, der zugleich Chef des Politibüros und des Zentralkomitees ist, wurde wiedergewählt, die anderen 52 Posten der beiden Gremien, in denen nur drei Frauen sitzen, wurden mit alten Kämpfern aus der Guerillazeit und verdienten Genossen besetzt. Die innenpolitische Debatte beschränkte sich auf Äußerungen wie die eines von der Vientiane Times interviewten Studenten: »Die Laoten haben ein gutes Leben, weil unsere weise Regierung sie auf den richtigen Pfad geführt hat.«

Ende 1975 hatte Pathet Lao (Land der Lao), der bewaffnete Arm der LRVP, die Macht im alten Königreich ergriffen und die Volksdemokratische Republik ausgerufen. Im gleichen Jahr waren die nordvietnamesichen Truppen unter Ho Chi Minh zusammen mit dem Vietcong in Saigon einmarschiert, in Kambodscha kamen die Roten Khmer unter Pol Pot an die Macht. Ein dreißigjähriger Krieg ging zu Ende, in dem die kommunistischen Guerillabewegungen zunächst gegen die französische Kolonialmacht, seit deren Rückzug Mitte der fünfziger Jahre dann gegen die US-Interventionen gekämpft hatten. Zwischen 1964 und 1972 fielen über drei Millionen Tonnen Bomben auf Laos, ganze Landstriche wurden mit chemischen Giften entlaubt, als die USA vergeblich versuchten, den Ho-Chi-Minh-Pfad, den wichtigsten Nachschubweg des Vietcong, zu blockieren.

Die Folgen dieses nicht erklärten Krieges - Laos hatte offiziell einen neutralen Status - sind bis heute spürbar, noch immer kommen mehr als 50 Menschen im Jahr durch Sprengkörper aus der Kriegszeit ums Leben. Erst 1995 wurde Laos von der Feindesliste der USA gestrichen. Seither gibt es Finanzhilfen, hauptsächlich zur Bombenbeseitigung. Vorher hatte die US-Regierung jede Hilfe verweigert, da seltsamerweise in dem Land, mit dem offiziell nie Krieg geführt wurde, immer noch 500 vermisste Soldaten vermutet wurden.

Anfang der neunziger Jahre hatte sich die laotische Regierung für eine kapitalistische Modernisierung geöffnet. Die Verfassung von 1991 verzichtete auf sozialistische Rhetorik, hielt jedoch am Einparteiensystem fest. Symbole und Rituale des Marxismus-Leninismus blieben ebenfalls erhalten, sehr zur Freude der Delegationen aus Vietnam, China, Nordkorea und Kuba, die beim 7. Parteitag die laotische Führung für ihr Festhalten am Einparteiensystem lobten.

Um eine Opposition braucht sich die Regierung keine Sorgen zu machen. Es gab zwar letztes Jahr die erste kleine Demonstration für mehr Demokratie. Die TeilnehmerInnen wurden jedoch schnell verhaftet und sitzen zum Teil immer noch im Gefängnis. Die Urheber mehrerer bisher nicht aufgeklärter Bombenanschläge im vergangenen Jahr waren nicht unbedingt Oppositionelle, sie könnten auch in der Parteiführung zu finden sein. Seit Jahren gibt es Machtkämpfe zwischen einer an weiteren wirtschaftlichen Reformen interessierten und China-freundlichen Fraktion und jenen, die am engen Bündnis mit Vietnam festhalten wollen.

Die Regierungsumbildung Ende März deutet darauf hin, dass sich die Funktionäre durchgesetzt haben, die zu China halten. Der große Nachbar im Norden startete in den letzten Jahren eine diplomatische, mit Finanzhilfen unterstützte Kampagne, um Laos an sich zu binden. Als deutliche Richtungsentscheidung gilt die Entlassung des vietnamfreundlichen Premiers Sisavath Keobounphanh und einiger seiner Verbündeten aus dem Kabinett. Die Nationalversammlung wählte den vormaligen Finanzminister Boungnang Vorachit, der mit seinen 64 Jahren zur jüngeren Generation in der Partei gehört, zum neuen Premierminister. Boungnang zeigte sich in seiner Zeit als Finanzminister offen für wirtschaftliche Reformen. »Er ist eine akzeptable Wahl für die Geberländer«, heißt es in der thailändischen Tageszeitung The Nation.

Das ist ein wichtiger Aspekt, denn Entwicklungshilfe ist ein unentbehrlicher Faktor für den laotischen Staatshaushalt. Das jährliche Durchschnittseinkommen der größtenteils auf dem Land lebenden Bevölkerung beträgt 300 Euro, damit gehört Laos zu den ärmsten Ländern der Erde. Die Weltbank und der Entwicklungsfonds der Industrienationen zahlen jährlich über 150 Millionen Euro an Laos, mehr als 80 Prozent der ausländische Investitionen kommen über Kredite zu Vorzugsbedingungen ins Land. Über 50 Nichtregierungsorganisationen schulen Personal im Bildungs- und Gesundheitsbereich oder führen Agrar- und Wiederaufforstungsprojekte durch. Der Regenwald schrumpft auch in Laos weiter, denn Holz ist eine der wichtigsten Einnahmequellen. In den schwer zugänglichen Gebirgsregionen kommt es manchmal zu Hungersnöten, und nicht einmal eine minimale Schulbildung oder gesundheitliche Versorgung sind gewährleistet.

Obwohl die LRVP gerne darauf verweist, dass es mit einem recht stabilen Wachstum von über sechs Prozent wirtschaftlich langsam bergauf geht, ist ihr Rückhalt in der buddhistisch geprägten Bevölkerung nicht groß. Nur knapp zwei Prozent der BewohnerInnen des Landes sind Parteimitglieder, die Kritik an Korruption und Vetternwirtschaft ist weit verbreitet. Das Einparteienregime hat zur Herausbildung einer neuen Elite geführt. Wenige Familien halten viele Fäden in der Hand, sie knüpfen durch Heiraten Allianzen oder verschaffen sich Ansehen durch Anbindung an die übrig gebliebenen Mitglieder des alten königlichen Regimes. Ihr Netzwerk erstreckt sich über Militär und Partei, sie vermitteln den Zugang zu den Pfründen der Korruption.

Für jene, die weder Parteibuch noch mächtige Verwandte haben, gibt es nur wenig und schlecht bezahlte Arbeit. Vor allem die besser ausgebildeten jungen Menschen - die Hälfte der Bevölkerung ist jünger als 20 Jahre - orientieren sich am westlichen Konsummodell, nicht zuletzt wegen der thailändischen Fernsehprogramme, die auch in Laos zu empfangen sind. Die Sprachen der beiden Länder sind eng verwandt, die Versprechungen und Verlockungen der Werbung, Spielshows und Seifenopern deshalb leicht verständlich. Die so geweckten Sehnsüchte könnten auf längere Sicht liberale Oppositionsgruppen stärken.

Manche Beobachter wie der australische Laos-Experte Martin Stuart-Fox allerdings befürchten, dass der steigende Anteil der Personen mit militärischem Background in der Parteiführung eine Entwicklung in Richtung eines Einparteiensystems unter Führung der Armee bedeuten könnte, ähnlich wie im benachbarten Myanmar. Das Militär vereint große wirtschaftliche Macht in seinen übers Land verstreuten Unternehmen, verwaltet eine industrielle Sonderwirtschaftszone, kontrolliert den lukrativen Holzhandel und ist legitimiert, ohne Rücksprache mit der Regierung Verträge mit ausländischen Investoren abzuschließen. Vielleicht wird dieser Offiziersnachwuchs, der nicht nur eine militärische Ausbildung genossen hat, sondern auch bereit ist, politisch und wirtschaftlich zu handeln, die Zukunft des Landes bestimmen.