Premierminister vor Korruptionsverfahren

Baht für alle

Mit sozialpopulistischen Versprechen gewann der thailändische Milliardär Thaksin die Wahlen. Nun droht ihm ein Korruptionsverfahren.

Nur die Unsicherheit ist sicher«, erklärte Anfang April der thailändische Ministerpräsident Thaksin Shinawatra, »nichts ist dauerhaft.« Tatsächlich könnte seine Amtszeit kurz ausfallen. Kaum gewählt, muss Thaksin sich vor der Justiz verantworten. Am 10. April fand die dritte Anhörung vor dem Verfassungsgericht statt, weil er 1997 mehrere Milliarden Baht nicht in seiner Eigentumserklärung aufgeführt haben soll.

Thaksin löste am 9. Februar 2001 den bisherigen Regierungschef Chuan Leekpai von der Demokratischen Partei ab, nachdem seine vor zweieinhalb Jahren gegründete Partei Thai Rak Thai (Thais lieben Thais) die Parlamentswahlen im Januar mit überwältigender Mehrheit gewonnen hatte. Chuan hatte es nicht geschafft, die Wirtschaft nach der 1997 ausgebrochenen Währungs- und Finanzkrise wieder in Fahrt zu bringen. Der Aktienmarkt ist leblos, die Nachfrage nach Konsumgütern schwach, die Umstrukturierung der Banken geht nur langsam voran, und die sozialen Probleme auf dem Land und unter den vielen Arbeitsuchenden in den Städten sind so groß wie nie zuvor. Vorbei sind die Zeiten, als Thailand noch mit zweistelligen Wachstumsraten und rapide steigenden Aktienkursen Investoren aus aller Welt anlockte.

Thaksin verband im Wahlkampf sein Image als ehrgeiziger und erfolgreicher Geschäftsmann mit einer gehörigen Portion Sozialpopulismus. Um auch die ärmeren Leute für sich zu gewinnen, versprach er eine Soforthilfe von einer Million Baht (umgerechnet rund 48 000 Mark) für jedes thailändische Dorf. Bedürftigen Bauern möchte er für drei Jahre die Rückzahlung ihrer Schulden erlassen, der Selbstkostenanteil für medizinische Behandlungen in staatlichen Krankenhäusern soll auf 30 Baht (1,43 Mark) begrenzt werden. Darüber hinaus will er jedes Klassenzimmer mit einem Internet-Zugang ausstatten; zufällig hat seine eigene Firma das Monopol auf die dafür notwendige Technik.

Thaksin trat als der große Retter des von der Asienkrise so arg gebeutelten Königreichs an. Er versprach, Thailand wie ein Unternehmen zu führen. Die Unternehmenssteuern sollen bis zu 30 Prozent gesenkt, die Privatisierung der Staatsbetriebe soll beschleunigt werden, thailändische Banken und Unternehmen will er vor dem »Ausverkauf an das Ausland« retten. Eine gigantische und mit viel Geld finanzierte Werbekampagne trug die populistischen Beteuerungen des Tycoons bis ins letzte Dorf. Die Demokraten um Chuan Leekpai, Thaksins stärksten Widersacher, hatten dem wenig entgegenzusetzen.

Die Börse reagierte freundlich auf das überraschend klare Wählervotum. Zur positiven Erwartung trägt bei, dass Thaksins Telekommunikations- und Medienimperium, die Shin Corporation, als finanzstärkste Unternehmensgruppe des Landes gilt. Thaksin, Sohn einer wohlhabenden chinesischen Seidenhändlerfamilie, ist vermutlich der reichste Mann Thailands. Sein Privatvermögen wird auf 1,5 Milliarden US-Dollar geschätzt.

Doch in Thailand gibt es ein Gesetz, wonach Politiker ihr Vermögen offen legen müssen. Thaksin kam dieser Pflicht 1997 nur zum Teil nach. Mehrere Millionen US-Dollar wurden an seine Frau und an Angestellte überschrieben oder, wie er später behauptete, einfach »vergessen«. Die staatliche Anti-Korruptions-Kommission hatte Thaksin noch vor den Parlamentswahlen der bewussten Verschleierung seiner Vermögensverhältnisse für schuldig befunden. Bestätigt das Verfassungsgericht dieses Urteil, wird ihm für fünf Jahre untersagt, in politischen Ämtern tätig zu sein.

Ungeachtet des drohenden Machtvakuums hat das Repräsentantenhaus seine Arbeit aufgenommen. Die Thai Rak Thai kommt nach den ersten Nachwahlen auf 248 von 500 Sitzen und verfehlt damit knapp die absolute Mehrheit. Die Nachwahlen, bei denen Thai Rak Thai acht Sitze verlor, wurden notwendig, als in Dutzenden von Wahlkreisen über Stimmenkauf und andere Manipulationen berichtet wurde. Zusammen mit seinen beiden Koalitionspartnern, der von Chaovalit Yongchaiyudh geführten New Aspiration Party und Banharn Silpa-archas Chart Thai, verfügt die Koalition über eine Mehrheit von 325 Sitzen. Zweitstärkste Fraktion im Unterhaus sind Chuans Demokraten, die auf 128 Sitze kommen.

Die Euphorie über den Wahlsieg Thaksins ist inzwischen kleiner geworden, man wartet gespannt auf die Erfüllung der Wahlversprechen. Als erstes wurde die Errichtung einer staatlichen Auffanggesellschaft verkündet, die faule Bankkredite in Höhe von 60 Milliarden Mark auf Kosten der Steuerzahler übernimmt. Enttäuscht nahmen die Wähler zur Kenntnis, dass die versprochene Million Baht für jedes der 77 000 Dörfer nicht als Geschenk, sondern als Darlehen vergeben werden soll. Die subventionierte Gesundheitsversorgung will Thaksin durch höhere Steuern für Alkohol und Tabak finanzieren. Von dem angekündigten Schuldenmoratorium für Kleinbauern ist bisher nichts zu spüren.

Fraglich bleibt, woher Thaksin das Geld für seine Politik nehmen möchte. Um ihre Versprechen wenigsten ansatzweise erfüllen zu können, erhöhte die Regierung die Staatsausgaben für das im Herbst beginnende Haushaltsjahr 2002 um 4,6 Prozent auf 973 Milliarden Baht. Damit steigt das Haushaltsdefizit auf die Rekordsumme von 150 Milliarden Baht, die öffentliche Verschuldungsquote liegt bei 65 Prozent des Bruttosozialprodukts. Sollte Thaksin im Amt bleiben, dürfte es ihm schwer fallen, seine vielen Zusagen an die verschiedenen Wählergruppen einzuhalten.

Gefahr droht ihm auch von anderer Seite. Am 3. März entging der Ministerpräsident nur knapp einem Anschlag, als auf dem Flughafen Bangkok an Bord einer geparkten Maschine ein Sprengsatz unter den Sitzen explodierte, die für ihn und seinen Sohn reserviert waren. Der Verdacht richtet sich derzeit vor allem gegen Drogenbosse aus Thailand und dem benachbarten Myanmar, die ihre Geschäfte von der angekündigten harten Linie im Kampf gegen den Drogenhandel gefährdet sehen. Doch auch eine Beteiligung politischer oder geschäftlicher Konkurrenten ist nicht ausgeschlossen. Thaksin selbst sprach über die mögliche Verwicklung von »Insidern«, denn er hatte seine Reisepläne erst kurz vor dem Abflug bekannt gegeben.