Aktivistenforum Indymedia

Demo im Netz

Wendland, Camp Nahrendorf: In einem Infozelt steht ein frei zugänglicher Rechner mit Internetanschluss. Es ist einer von mehreren Stützpunkten des Indymedia Center Germany (imc). Indymedia hat das Konzept von linker Gegenöffentlichkeit aus den siebziger Jahren wiederentdeckt und zwar im Internet. Mit dem Widerstandsgroßereignis, dem »Castortransport nach Gorleben«, fanden die deutschen Indymedia-Macher das Thema für ihre Premiere. Während in der Nähe des Camps die Polizei in einem Kessel ein paar Hundert Leute festhielt, kamen ständig Augenzeugen und posteten ihre aktuellen Informationen auf der Webseite (.indymedia). Auch Fotos und kurze Videos konnten veröffentlicht werden.

Indymedia versteht sich nicht als Journalistenkollektiv, sondern als Forum für Aktivisten. Weltweit gibt es bereits rund 60 lokale Gruppen mit jeweils eigenen Webseiten, hinzu kommt die globale Hauptseite (www.indymedia.org). Der wichtigste politische Bezugspunkt der Macher ist die Grassrootsbewegung. Sie verstehen ihren Ansatz als radikaldemokratisch und wollen, so die Selbstauskunft, an der »Schaffung einer nicht-kapitalistischen Gesellschaft« mitwirken.

Konkreter Anlass für die Gründung des ersten Indymedia Center waren im November 1999 die Proteste gegen die WTO-Tagung in Seattle. Dort wurde die Idee eines unabhängigen nichtkommerziellen Medienzentrums, das unzensiert aktuelle Nachrichten und Berichte über das Internet verbreitet, erstmals in die Tat umgesetzt. Berichterstatter waren zum großen Teil die Aktivisten selbst, die Redaktion war nur für die technische Betreuung der Seite zuständig.

Der Erfolg war enorm. Dank der Vielzahl der Live-Berichterstatter hatte Indymedia bessere Informationen als die großen Medien und war schneller. CNN und BBC nutzten das imc als Nachrichtenagentur, die Presse musste bisweilen ihre eigenen Berichte wegen Fotos und Augenzeugenberichten im Netz korrigieren.

Die linken Mileus in Deutschland, kritisiert einer der rund dreißig Berliner Indymedia-Macher, pflegten eine »Gartenzaunmentalität«. »Dabei ist gerade der Gedanke der Vernetzung in der Grassrootsbewegung extrem wichtig.« Indymedia Germany will da nachhelfen und die verschiedenen Basisgruppen näher zusammenbringen. Bei der Gründung von Indymedia stand schnell die Frage der Zensur auf der Tagesordnung. Mittlerweile hat man sich darauf geeinigt, rechte oder sexistische Beiträge nicht ins Netz zu stellen. Auf der Webseite gibt es zum einen Rubriken, auf denen die Beiträge unredigiert abgelegt werden, zum anderen Plätze mit ausgewählten Texten.

Es bleibt allerdings die Frage, ob Indymedia nicht selbst zum Teil der Informationsgesellschaft wird, gegen die sich das Projekt eigentlich richtet. Eine Frage, die sich auch die Macher selbst stellen, angesichts der Masse von 1 300 Nachrichten, die in den letzten drei Wochen eingegangen sind und die zu immerhin 70 Prozent auf die Seite gestellt wurden.