Rechtsstreit zu Aids-Medikamenten beigelegt

Patente machen glücklich

Im Streit um den Import billiger Medikamente einigten sich Pharmakonzerne und die südafrikanische Regierung auf einen Kompromiss.
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Vier Jahre lang wurde der Prozess vorbereitet, 39 Pharmakonzerne beschäftigten die angesehensten südafrikanischen Anwälte. Lokale und internationale Nicht-Regierungsorganisationen starteten Kampagnen gegen die Pillendreher, in Südafrika fanden Demonstrationen mit Tausenden Teilnehmern statt. Schließlich einigten sich die Pharmakonzerne und die südafrikanische Regierung am 19. April außergerichtlich darauf, dass sich nichts ändern soll.

Sprecher beider Seiten äußerten sich zufrieden. Die Einigung helfe vor allem »den südafrikanischen Patienten«, sagte Brian Ager vom Europäischen Verband der Pharmazeutischen Industrie, während die südafrikanische Gesundheitsministerin Mano Tshabala-Msimang meinte, sie nütze »nicht nur Südafrika, sondern Afrika und der gesamten sich entwickelnden Welt«. Wozu also der ganze Aufwand?

1997 unterzeichnete der damalige südafrikanische Präsident Nelson Mandela ein Gesetz, welches den Import so genannter Generika - billiger Kopien patentierter Arzneimittel - im Falle einer »Krise der öffentlichen Gesundheit« erlaubt. Kurze Zeit später strengte der südafrikanische Pharmaverband PMA im Auftrag der 39 Konzerne einen Prozess an, da das Gesetz seiner Ansicht nach gegen das von Südafrika unterzeichnete Abkommen über handelsbezogene Aspekte geistigen Eigentums (Trips) verstieß. Trips ist Teil der Verträge unter dem Dach der Welthandelsorganisation (WTO) und erlaubt im Falle eines »nationalen Notstands« den Import von Generika aus Ländern wie Thailand, Indien oder Brasilien. Die Pharmakonzerne wandten sich gegen Regelungen, die es einzelnen Ministern ermöglichten, den Generika-Import zu erlauben. Diese Prozedur sei zu einfach und würde das Patentrecht unterminierten.

Nun gibt es kaum ein Land in Afrika, das nicht jederzeit einen »nationalen Gesundheitsnotstand« im Sinne des Trips-Abkommens ausrufen könnte; schließlich sterben täglich Tausende an heilbaren Krankheiten, und normalerweise führt dies nicht zu weltweiten Protesten gegen teure Medikamente. Deshalb vermuteten die Pharmakonzerne wohl, der Prozess in Südafrika werde unbeobachtet über die Bühne gehen. Doch spätestens als im letzten Jahr im südafrikanischen Durban der Welt-Aids-Kongress stattfand, rückte das Thema Aids in Afrika ins Blickfeld der internationalen Medien. Die Kampagne, die unter anderem von Oxfam, den Ärzten ohne Grenzen (MSF) und der südafrikanischen Treatment Action Campaign (TAC) betrieben wurde, verwandelte den Prozess in einen Kampf um das Recht der armen Länder, Generika zur Behandlung von Aids einzuführen. In Südafrika ist jeder neunte Mensch HIV-infiziert.

Vom Kläger wurden die Pharmakonzerne zu Beschuldigten, die ihre immensen Profite über das Leben von Schwerkranken stellten. Sie wehrten sich mit dem Argument, der Patentschutz ermögliche weitere Forschungen. Die Aktivisten erwiderten, dass die Pharmakonzerne mehr für Werbung als für Forschung ausgäben.

Nachdem ein Richter am Landgericht in Pretoria gleich am ersten Prozesstag Anfang März die TAC als Sachverständige zuließ, sah es schlecht für die Konzerne aus. Die TAC konnte nun die Darlegung der Preispolitik der Pharmakonzerne einfordern, die für dieselben Medikamente in verschiedenen Ländern sehr unterschiedliche Preise verlangen. Die Preispolitik ist eines der großen Geheimnisse der Branche, und die Anwälte der Konzerne verlangten eine viermonatige Prozesspause, angeblich »um die notwendigen Daten aus Übersee zu sammeln«. Der Richter gab ihnen sechs Wochen, die für Verhandlungen hinter verschlossenen Türen genutzt wurden. Dabei schalteten die Pharmakonzerne sogar den UN-Generalsekretär Kofi Annan als Vermittler ein. Mitte vergangener Woche gab eine Anwältin des PMA unter dem Jubel der anwesenden Aktivisten die Rücknahme der Klage gegen das Gesetz bekannt.

»Es muss uns klar sein, dass dieser Rückzug der Firmen nichts über Nacht verändern wird. Er wird auch nicht das Recht von kranken Südafrikanern, insbesondere jenen mit HIV oder Aids, auf Zugang zur effektivsten Medizin - antiretrovirale Medikamente - sofort verändern«, dämpfte Mark Heywood von der TAC die Erwartungen. In ihrer gemeinsamen Erklärung mit den Pharmakonzernen erkennt die Regierung die WTO-Verpflichtungen, einschließlich Trips, ausdrücklich an. Im Falle einer Anwendung des Gesetzes muss die Regierung vorher die Konzerne konsultieren, was wohl die Einholung einer Erlaubnis der Pharmamanager für jede einzelne Einfuhrlizenz bedeutet. Doch ob die Regierung nun überhaupt antiretrovirale Generika importieren wird, ist fraglich.

Thabo Mbeki, der südafrikanische Präsident, schwor seine Regierung auf eine alternative Politik ein, die anstatt auf die antiretroviralen Medikamente vor allem auf die Behandlung der durch die Immunschwäche hervorgerufenen Infektionen setzt. Gesundheitsministerin Tshabala-Msimang bekräftigte: »Das Thema der Erschwinglichkeit dieser Medikamente begleitet uns noch immer. Diese Medikamente sind nicht erschwinglich.« Denn auch die Generika kosten Hunderte von US-Dollar pro Patient und Jahr, was angesichts Millionen Infizierter eine schwere Belastung der öffentlichen Haushalte bedeuten würde.

Tatsächlich hätte Thabo Mbeki durch die Ausrufung eines »nationalen Notstands« wegen der Aids-Epidemie schon lange die Einfuhr oder sogar die Herstellung der Generika in Südafrika selbst ermöglichen können. Dass er sich weigerte, liegt wohl an seiner Sorge, internationale Investoren könnten verschreckt werden. Die halten sich in Südafrika schon jetzt aus verschiedenen Gründen zurück, obwohl sich der regierende ANC einer strikten Freihandelspolitk verschrieben hat. »Südafrika war der gute Junge der Weltbank, des IWF und der WTO«, so Zackie Achmat, der TAC-Vorsitzende, »und wir sind kränker und ärmer als jemals zuvor.«

Während in Südafrika nun über die Anwendung des umstrittenen Importgesetzes debattiert werden wird, zieht der Kampagnenzug wohl weiter: Seit Februar beschäftigt sich ein WTO-Gremium in Genf mit einer Klage der USA gegen ein brasilianisches Gesetz, das ebenfalls gegen das Trips-Abkommen verstoßen soll. Nach brasilianischem Recht muss ein Patentinhaber sein Medikament innerhalb von drei Jahren in Brasilien herstellen, andernfalls verfällt sein Patent.

Die US-Klage wurde auf Druck des amerikanischen Pharmaverbandes PhRMA angestrengt, und falls Brasilien verliert, könnte die WTO Handelssanktionen gegen das Land verhängen. Brasilien hat ein höchst erfolgreiches Anti-Aids-Programm, in dem antiretrovirale Medikamente den Kranken kostenlos zur Verfügung gestellt werden; nun ist es durch die US-Klage in Gefahr geraten. Ein Ergebnis der Untersuchung wird frühestens im Juni erwartet.

Möglicherweise werden sich die Konzerne aber auch in diesem Fall kompromissbereit geben, um den politischen Druck auf das Patentrecht und ihre Marktmacht zu mindern. Einen solchen Kurs scheint der WTO-Generaldirektor Mike Moore zu befürworten. Ihm zufolge war die Einigung in Südafrika »eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. (...) Die Einigung zeigt, dass WTO-Verträge wie Trips ausreichend flexibel sind, um den Gesundheitsbedürfnissen von Entwicklungsländern zu entsprechen.«