Neue Frühjahrsmode

Vichy-Karos zu Tischdecken!

Die neue Frühjahrsmode ist spießig und unpraktisch. Sie muss dringend überarbeitet werden.

Frühjahrsmode zu entwerfen, kann eigentlich gar nicht so schwierig sein. Unter Vermeidung der scheußlichsten Farben des Universums - Beige, Weinrot und Moosgrün - schneidert man halt Hosen, Oberteile, Röcke und Jacken aus möglichst dünnem Stoff in möglichst ansprechenden Farbtönen, wobei man streng darauf achten muss, dass die neuen Modelle ganz anders aussehen als die des Vorjahrs. Wer dann noch ständig daran denkt, dass man den Klamotten unter Umständen bis zum Herbst, also ungefähr ein halbes Jahr lang, überall und jederzeit begegnen kann, wird ganz von allein schöne Kleidungsstücke entwerfen.

Diesmal jedoch muss in den Modeateliers der Welt alles schief gegangen sein, was nur eben schief gehen kann. Denn ihre eigentlichen Aufgaben erfüllt die aktuelle Frühjahrskollektion nicht. Die gute Laune, die man normalerweise beim Betreten eines Kleidergeschäfts bekommt, bleibt diesmal aus, ebenso wie die ausführliche Budget-Analyse, wo man sparen könnte, damit man sich möglichst viele neue Klamotten leisten kann. Stattdessen stellt man beim Blick in den Kleiderschrank fest, dass selbst der viele Jahre alte neongrüne Billigrock und die an entscheidenden Stellen ziemlich durchlöcherten schwarzen Jeans immer noch besser aussehen als das, was aktuell im Angebot ist.

Denn das ist derart scheußlich, dass es modetechnisch betrachtet kein Problem wäre, wenn der Sommer ausfiele und sofort die Herbstkollektion in die Läden geschafft würde. So bliebe uns einiges erspart. Z.B. der Safari-Look, das Gretel-Kopftuch, die Breitkrempel-Jeans und die gemeine Rüschenbluse. Vor allem jedoch das rot-weiße Karomuster. Vichy-Karos sehen nur dann gut aus, wenn sie sich bei mindestens 25 Grad Außentemperatur auf einer Tischdecke befinden, deren Muster zu großen Teilen von einem Sektkühler mit einer Flasche Champagner drin, vielen unterschiedlichen Hähnchenteilen und zwei Baguettes verdeckt werden.

An Menschen dagegen sehen Vichy-Karos grundsätzlich scheiße aus, und ganz schlimm wird es, wenn, wie in diesem Jahr von Cacharel vorgeschrieben, karierte Bermudas und Tops mit einer ebenso dämlich karierten Kappe kombiniert werden.

Selbst am Strand wird man in dieser Saison nicht vor tischtuchesken Bikinis sicher sein, was jedoch nur halb so schlimm ist, solange sich die nichtkarierte Hälfte der Menschheit nicht zum Baden in Multicolor kleidet, was eine äußerst euphemistische Bezeichnung für gewellte Streifen in scheußlichen Farben ist. Zusammen mit den Vichy-Karos ergibt sich eine ästhetische Ausnahmesituation, die auf einen weiteren Schmuddelsommer hoffen lässt.

Wobei der jedoch die Freunde des Hütchens bestärken könnte. Hüte können eigentlich recht hübsch aussehen, solange es sich nicht um staubige beige Nerzmodelle handelt, die alte Frauen aus unerfindlichen Gründen selbst in chronisch überheizten Cafés immer aufbehalten. Gegen Modelle mit kurzem schwarzen Schleier kann niemand etwas haben, gegen die in diesem Jahr als Kopfbedeckung vorgeschriebenen Dinger dagegen sehr wohl. Die Freude über das wohl endlich bevorstehende Ende der vor allem bei Wählern der Grünen so außerordentlich beliebten unsäglichen Ballonmütze wird nämlich umgehend durch so genannte Anglerhüte, unförmigen Gebilde mit Streifen, und Schlapphüte in Rotzgelb und Beinahe-Beige getrübt.

Kopftücher dagegen sehen eigentlich ganz okay aus, solange sie nicht in der karierten (Blugirl), plissierten (Missoni) oder gehäkelten (Diesel) Version getragen werden. Und nicht in der von Bulgari; das getupfte Seidentuch ist in einer Farbe gehalten, die verdächtig nach hellem Moosgrün aussieht, was kombiniert mit weiß-pinken Tupfen den Eindruck von verwesenden Ostereiern im Wald hervorruft.

Werden Kopftücher dagegen unterm Kinn zusammengebunden, gibt es für die Trägerinnen keine Chance, nicht nach Rotkäppchen auszusehen. Leider zeigen sich in dieser Saison erste Anzeichen, dass Designer die deutscheste aller Kopftuchverwendungen wieder einführen möchten. Das Vichy-Karo ist ein weiteres Indiz, gehörte es doch unvermeidlich zum Outfit eines echten Rotkäppchens. Wenn man jetzt nicht aufpasst, werden nächstes Jahr zu so genannten Affenschaukeln gebundene dicke blonde Zöpfe der letzte Schrei sein.

Das ist aber vielleicht immer noch besser als der absolut nichtssagende Eindruck, den die Safarimode hinterlässt. Warum Designer Frauen unbedingt in Beige stecken müssen, wird ewig ihr Geheimnis bleiben. Unverdrossen versuchen sie Jahr um Jahr, die Safarimode einzuführen, was meistens nicht ganz gelingt. Denn Beige erinnert an Kamelhaar-Pullover, Popeline-Mäntel, Pappkartons, DDR-Sofas, Zigarettenkippen, kleine kläffende Pekinesen und die Ausscheidungen Hepatitiskranker - schöne Dinge sind dagegen niemals beige.

Warum man sich dann also in diesem Sommer nach Meinung von Bogner, CK, Escada und anderen anziehen soll wie ein rechtsradikaler südafrikanischer Großwildjäger auf der Suche nach Beute, ist völlig unklar, zumal zum perfekten Outfit Dinge wie honigmelonenfarbene Breitgürtel, karamelfarbene Treter mit weißen Schnürsenkeln und blau-weiß gestreifte Blüschen unbedingt dazugehören müssen. Und vielleicht sogar Vichy-Karos, wer weiß das schon so genau?

Immerhin, man muss nicht ganz verzweifeln, denn es gibt auf dem Gebiet der Jeansschneiderei einige hübsche Neuerungen. Die beste Nachricht: Wer immer noch Cordhosen trägt, begeht social suicide. Und Schlaghosen sind so gut wie out, auch wenn Joop das in seiner Frühjahrskollektion anscheinend noch nicht ganz wahrhaben will. Auch Fornarina kann nicht ganz von der doofsten aller Hosenformen, zudem mit Bügelfalte, lassen, aber dafür haben die meisten anderen Jeansdesigner sich richtig Mühe gegeben und auf weit ausgestellte Hosenbeine verzichtet. 7/8-Modelle stehen eigentlich jeder Frau, vor allem, wenn sie in der endlich wieder zugelassenen Karottenform geschneidert sind, Röhrenhosen lassen sich mit fast allem kombinieren, außer mit Vichy-Karos; aber das weiß ohnehin jeder, der nicht Cacharel mit Nachnamen heißt, sowieso von ganz allein.

Trotzdem sollte man sich auch in dieser Saison nicht allzu sicher sein, dass man nicht doch abgrundtief scheußlichen Jeans begegnet. Die heißen dann Umschlaghose und sind eigentlich auch noch ganz okay, solange sie nicht in ihrer schlimmsten Zustandsform, mit fast bis zum Knie reichenden umgeschlagenen Saum, vorkommen. Oben hell und unten dunkel, erinnern sie an die dunkelsten Zeiten der Jeansmode überhaupt.

Irgendwann in den Siebzigern hatte ein Designer Hosen erfunden, deren Innenseiten wesentlich heller waren als die Außenseiten. Der neue Look gab den Trägern etwas unbedingt O-Beiniges, war die Hose dagegen innen aus dunklem und außen aus hellem Denim, sahen die bedauernswerten Fashion Victims aus wie frisch vollgepisst. Wenn dazu dann noch das Jingler-Glöckchen von C & A jeden Schritt musikalisch untermalte, war es gleich ganz aus mit dem zweifellos angestrebten Ausdruck höchster Modernität.

So könnte es in diesem Frühjahr auch den Frauen gehen, die sich nach den aktuellen Vorschriften der Modedesigner für Damenoberbekleidung richten. Dann müssen sie vor allem eins: Blüschen tragen. Blusen gehören jedoch zu den verabscheuungswürdigsten Kleidungsstücken überhaupt. Nicht nur, weil sie Knöpfe haben, die sich natürlich immer dann, wenn es drauf ankommt, verabschieden, was schon mal ein ganz klarer Minuspunkt ist. Blusen können demnach also nur von Personen getragen werden, die nicht nur nähen können, sondern auch ständig Nähzeug in so genannten Erste-Hilfe-Etuis mit sich herumtragen.

Das trifft wahrscheinlich nur auf Chefsekretärinnen, Freiwillige in der christlichen Jugendarbeit und Omas mit Nerzhüten zu, auf Personengruppen also, zu denen niemand gehören möchte, der sie noch alle beisammen hat. Aber nicht nur deswegen sind Blusen absolut blödsinnig. Wenn es kalt ist, trägt man Pullover. Wenn es warm ist, trägt man T-Shirts oder Tops, wenn es irgendwas dazwischen ist, Jacken. Ein Blusenwetter exisitiert dagegen definitiv nicht.

Ebenso wenig wie Gelegenheiten, die das Tragen von mit Stickereien und Bordüren verzierter Oberbekleidung rechtfertigen könnten. Während Pailetten glitzern und deswegen völlig okay sind, gibt es keinen Grund, sich mit gestickten Aufschriften zu präsentieren oder sich womöglich berüscht in der Öffentlichkeit zu zeigen. Es sei denn, es ist gerade Karneval, und man möchte unbedingt als Schulmädchen aus den Sechzigern oder als Haremsdame gehen. Stickereien, womöglich noch solche, die Tierbabys, Blümchen oder Phantasiemuster zeigen, fordern die Umwelt praktisch dazu auf, der Trägerin gemeine Sachen anzutun.

Rüschen dagegen verkünden die unterschwellige Botschaft: »Ich bin drei Jahre alt, und meine Mami hat mich heute mal ganz besonders schön gemacht.« In einem rüschenbestückten Blüschen ernst genommen zu werden, ist völlig unmöglich, darin hässlich auszusehen, unumgänglich. Das ganze Gewalle nicht gleich bei der ersten Essensaufnahme zu bekleckern oder mit der ersten angezündeten Zigarette zu versengen, ist nur Chefsekretärinnen möglich.

Aber selbst die würden niemals etwas Gerüschtes anziehen, denn als Rüschenträgerin verbringt man praktisch den größten Teil des Tages damit, sich und die Textilverzierung aus Türklinken, Stäuchern, Autotüren, fremder Leute Anzugsjacken und Computertastaturen zu befreien.

Deshalb ist es nicht auszuschließen, dass die Modedesigner ihre Modelle noch vorm Ablauf des Sommers in die Werkstatt zurückrufen müssen.