Wahlen in Italien

Demokratische Faschisten

Sanktionen, Beobachtung und drei Weise - als die schwarzblaue Regierungskoalition in Wien im Februar vergangenen Jahres ihr Amt antrat, reagierten die EU-Mitgliedsstaaten prompt und heftig. Niemand wollte Wolfgang Schüssel, der sich mit Hilfe einer rechtsextremen Partei zum Bundeskanzler wählen ließ, noch die Hand geben. Niemand - außer den deutschen Christdemokraten.

Falls Silvio Berlusconi am kommenden Sonntag die Wahlen gewinnen sollte, braucht er mögliche Sanktionen wie im Falle Österreichs kaum mehr zu befürchten. »Ich nehme nicht an, dass sie sich nochmals so blöd verhalten würden«, kommentierte der ehemalige CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble in der vergangenen Woche die möglichen Reaktionen der EU-Staaten auf einen Wahlsieg der Forza Italia. »Da würde ich 14 Tage nur noch laut lachen.« Die italienische Innenpolitik habe von dem Boykott gegenüber Haider gelernt und verhalte sich »viel klüger als die österreichische. Sie sagt von vornherein, dass alle Parteien demokratisch gewählt sind.«

Doch auch die deutschen Christdemokraten reagieren klüger. Sie demonstrieren schon vor den Wahlen in Italien den Schulterschluss mit Berlusconi statt sich erst um seine internationale Anerkennung zu kümmern, wenn er schon im Amt ist.

Mit dem Verweis auf die demokratische Legitimation einer möglichen Regierung unter Berlusconi ist für Schäuble der Fall allerdings schon erledigt. Dass der Hoffnungsträger der europäischen Konservativen der Beihilfe zum Mord, mafiöser Verbindungen und der Korruption verdächtigt wird, stört Schäuble dabei ebenso wenig wie die Aussicht, dass er mit Hilfe der rassistischen Lega Nord und der postfaschistischen Alleanza Nazionale regieren könnte.

Auch die Tatsache, dass Forza Italia im Süden des Landes kurz vor den Wahlen Bündnisse mit neofaschistischen Organisationen wie der Forza Nuova - deren Mitglied Andrea Insabato vermutlich einen Bombenanschlag auf die linke Tageszeitung il manifesto verübte - oder die Fiamma Tricolore einging, ist für ihn nicht der Rede wert.

Dass Berlusconi trotz der ungewöhnlich heftigen Kritik durch die liberale europäische Presse nicht mit weitergehenden politischen Sanktionen rechnen muss, hat er seiner deutschen Schwesterpartei zu verdanken. So ist die Forza Italia vor allem auf Drängen von Helmut Kohl im EU-Parlament in die Fraktion der Europäischen Volkspartei aufgenommen worden.

Und sie erhält auch weiterhin massive personelle und logistische Unterstützung von den deutschen Konservativen. Ohne die Hilfe der Konrad-Adenauer-Stiftung, so zitiert die Zeit einen Christdemokraten, hätte Berlusconi Mitte März seine Großkundgebungen in Rom kaum durchführen können. Auf diesen Veranstaltungen sprach auch der europapolitische Experte der CDU, Karl Lamers, dem Mann sein Vertrauen aus, der in Europa ansonsten eher den Ruf eines Gangsters genießt.

Das Kalkül der Konservativen ist dabei leicht zu erkennen. Im Lauf der nächsten zwölf Monate werden in den EU-Mitgliedsländern insgesamt neun Wahlen abgehalten. Neben der schwarzblauen Koalition in Österreich stellt die spanische Volkspartei von José Maria Aznar die einzige konservative Regierung in der EU. Das soll bald anders werden.

Die Union hofft darauf, dass mit einem Wahlsieg Berlusconis die europäische Rechte wieder die Mehrheit in Europa zurückgewinnen kann. Was in Wien erfolgreich war, soll sich auch in Rom wiederholen lassen. Die Konservativen wollen an die Macht. Wenn es nicht anders geht, auch mit der Hilfe von Faschisten.