Menem vor Gericht

Der große Deal

In Argentinien werden der ehemalige Präsident Carlos Menem und vier seiner Minister wegen Waffenschiebereien vor Gericht geladen.

Carlos Menem ist für seinen luxuriösen Lebensstil bekannt. In den letzten Monaten war der frühere Präsident Argentiniens - 1989 bis 1999 - vor allem mit zwei Dingen beschäftigt: der Planung einer glamourösen Hochzeit mit der ehemaligen Miss Universum Cecilia Bolocco und der Vorbereitung seiner Rückkehr ins Präsidentenamt nach den Wahlen im übernächsten Jahr. Doch nun scheint die argentinische Staatsanwaltschaft die Pläne des 71jährigen Exzentrikers durchkreuzt zu haben. Am 30. April entschied der Bundesrichter Jorge Urso, Menem im Fall des illegalen Waffenverkaufs aus argentinischen Armeebeständen vor Gericht zu laden. Das könnte nicht nur einen politischen Skandal ungeahnten Ausmaßes nach sich ziehen, sondern auch das Ende der politischen Karriere des früheren Staatschefs bedeuten.

Vor einem Monat hat der ehemalige Direktor der staatlichen Waffenfabrik, Luis Sarlenga, ein überraschendes Geständnis abgelegt und damit Menem sowie eine Reihe weitere hochdekorierter ehemaliger Regierungsfunktionäre aus dessen zehnjähriger Regierungszeit schwer belastet. Bis zu diesem Zeitpunkt war Sarlenga die einzige Person, die wegen illegalen Waffenhandels vor Gericht stand. Die schon während Menems Präsidentschaft aufgenommenen Ermittlungen der Justiz haben ergeben, dass zwischen 1991 und 1995 offiziell nach Panama und Venezuela exportierte Rüstungsgüter mit einem Gewicht von insgesamt 6 500 Tonnen tatsächlich nach Kroatien und Ecuador geschmuggelt worden waren.

Gegen Kroatien hatte die Uno in dieser Zeit wegen der bewaffneten Konflikte auf dem Balkan ein Embargo verhängt. Ecuador befand sich in einem Grenzkrieg mit dem Nachbarland Peru. Sarlenga gilt als Mittäter wegen eines Exportdekrets, das neben ihm und Menem auch die Mehrheit der damaligen Minister unterschrieben hatte.

Der argentinischen Justiz zufolge beliefen sich die Einnahmen aus den Waffengeschäften auf 100 Millionen Dollar, von denen nur etwa 40 Millionen die staatliche Waffenfabrikation erreichten. Der Rest wurde offenbar für »Gewinnbeteiligungen« und Schmiergelder.

Anscheinend entschied sich Sarlenga zu einem Geständnis, weil er sich von seinen ehemaligen Komplizen im Stich gelassen fühlte. Der erste »Unberührbare«, den Urso daraufhin wegen des Vorwurfs der »Mitgliedschaft in einer illegalen Vereinigung« in Untersuchungshaft nahm, war Emir Yoma. Auf einem der Konten des Schwagers und engen Vertrauten Menems fanden die Behörden 400 000 Dollar, die er für die Beteiligung an den Waffengeschäften erhalten haben soll. Der als Organisator der Operationen geltende Unternehmer drohte nach seiner Festnahme öffentlich, er sei bereit, »den Ventilator anzuschalten«, wenn man ihm nicht helfe.

Journalisten bewerteten die Reaktion Yomas als erstes Anzeichen dafür, dass der Pakt des Schweigens sich nun auflöst. Die linke Tageszeitung Pagina 12 bemerkte zu den möglichen Auswirkungen des Geständnisses von Sarlenga, es sei nicht auszuschließen, dass sich die Beteiligten in der Hoffnung, sich selbst zu entlasten, nun gegenseitig beschuldigten. In diesem Sinne machte auch die Wochenzeitung La Prensa kürzlich mit einem Artikel auf, der den Titel trug: »Waffen spalten immer.«

Bereits vor zwei Wochen hatte die Staatsanwaltschaft eine Vorladung Menems beantragt. Richter Urso zögerte zunächst. Doch dann sagte am vorletzten Freitag überraschend Santiago Piaggio in dem Fall aus. Piaggio ist der ehemalige Freund von Patricia Omart, deren Vater Ruben Omart, ein Unternehmer und enger Menem-Freund, den Waffendeal eingefädelt haben soll. Der Aussage von Piaggio zufolge hat »Menem mit Omart zusammengearbeitet und gewusst, wohin die Waffen verkauft werden«. Menem seinerseits behauptet, er habe lediglich den Waffenexport nach Panama und Venezuela genehmigt.

Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft wurden die Entscheidungen über den Waffenschmuggel jedoch auf der höchsten Ebene des Staatsapparates getroffen. In einer der letzten Ausgaben der argentinischen Tageszeitung Clarin schloss sich die Redaktion dieser Sichtweise an: »Angesichts der großen Anzahl der Operationen und des langen Zeitraumes, in dem sie durchgeführt wurden, hätten die Aktionen ohne das Wissen und die Komplizenschaft ziviler und militärischer Funktionäre höchsten Ranges nicht erfolgreich verlaufen können.«

Am 13. Juli muss Menem vor Gericht erscheinen. Sollten sich die Vorwürfe gegen ihn bestätigen, droht dem ehemaligen Präsidenten eine Gefängnisstrafe bzw. wegen seines hohen Alters Hausarrest zwischen fünf und zehn Jahren. Doch vor Menem stehen noch einige weitere Politiker und Militärs in der Schlange, die als Drahtzieher des Rüstungsdeals gelten und vor Gericht geladen wurden. Dazu gehören der ehemalige Armeechef Martin Balza, der frühere Außenminister Guido Di Tella sowie die beiden ehemaligen Verteidigungsminister Erman González und Oscar Camilion.

Die Strategie der nach wie vor einflussreichen Anhänger Menems zeichnet sich bereits ab. Seine Verteidiger werden die richterlichen Untersuchungen gegen ihn als eine Form der »politischen Verfolgung« bewerten. Menem selbst besteht gegenüber der Presse auf einer Gegenklage und erklärte kürzlich: »Es handelt sich hier um eine groß angelegte Form der politischen Verfolgung. Das Bedauerliche ist allerdings, dass dies in einem demokratischen System passiert. Die Anschuldigungen gegen mich sind nichts weiter als Lügen. So versucht man nicht nur, den Mann zu demontieren, der in Argentinien die Demokratie voranbrachte, sondern auch, meine Partei zu zerstören.«

Zugleich geht das politische Establishment Argentiniens in Kampfstellung, um eines seiner wichtigsten Mitglieder zu verteidigen. Sogar der gegenwärtige Wirtschaftsminister Domingo Cavallo, der unter Menem Anfang der neunziger Jahre schon einmal das gleiche Amt bekleidete, vergaß seine Feindschaft mit dem ehemaligen Präsidenten und forderte die Justiz auf, »dem schwierigen Amt des Regierens mehr Respekt zu zollen«. Cavallo versucht offenbar, seine eigene Verteidigung vorzubereiten für den Fall, dass auch er vor Gericht erscheinen muss. Denn auch seine Unterschrift findet sich auf den Waffenexportdekreten.

Politikberater ziehen auch eine so genannte politische Lösung des Falls in Betracht. Das bedeutet konkret: Sollte sich die Situation für die Anhänger Menems verschlechtern, könnte sich die ehemalige Regierungsspitze darauf berufen, der illegale Waffenverkauf sei aus »Staatsraison« auf Druck der USA erfolgt.

Doch nicht einmal dieses Manöver würde Menem noch helfen, wenn sich der Rechtsanwalt Ricardo Monner Sans mit seiner Forderung durchsetzt, auch das Privatvermögen aller in den Waffenhandelskandal verwickelten Personen zu prüfen. Ein zweiter Prozess wegen illegaler persönlicher Bereicherung würde wohl das endgültige Aus für die politische Karriere des konservativen peronistischen Politikers bedeuten, der einmal davon träumte, den Friedensnobelpreis zu erhalten.