Vor den Wahlen im Baskenland

Reizvolle Allianzen

Nach den Regionalwahlen im Baskenland wollen Volkspartei und Sozialisten erstmals koalieren.

Gestapo, Gestapo, Gestapo« hallt es duch den Kursaal in San Sebastián. Auf der Großleinwand über der Bühne blättert eine unsichtbare Hand in einer Namensliste der fast 800 von der Eta in den letzten 40 Jahren getöten Menschen. Dazu spielt das Kammerorchester die Musik aus dem Film »Schindlers Liste«. Die rund 2 500 Mitglieder der Bürgerinitiative ¡Basta ya! (»Es reicht!«) sind sich einig, um was es ihrer Meinung nach bei den nächsten Wahlen zum Regionalparlament am 13. Mai geht: um das Ende des Faschismus im Baskenland. Die Bürgerinitiative ruft wie auch das Friedensforum Ermua zur Wahl der »verfassungstreuen Parteien« auf, also der konservativen Volkspartei oder der Sozialisten. Der Wahlkampf wurde am letzten Aprilwochenende offiziell eröffnet.

»Wir sollen ausgelöscht werden«, sagt der angesehene spanische Ethik-Professor Fernando Savater. »Die Eta und ihr Umfeld betreiben wie die Horden der Nazis vor ihrer Machtergreifung eine Strategie der Einschüchterung, der Vertreibung und der Auslöschung aller, die nicht denken wie sie«, zieht Savater, der selbst am Widerstand gegen die Franco-Diktatur teilnahm, historische Vergleiche.

Eta-Gegner wie Savater müssen für solche Erklärungen und ihre Arbeit bei ¡Basta ya! um ihr Leben fürchten, so wie der ehemalige Widerstandskämpfer José Luis López de Lacalle, der vor einem Jahr wegen seiner kritischen Artikel in El Mundo ermordet wurde.

Aus dem Baskenland flüchten musste auch der Anthropologie-Professor Mikel Arzurmendi, der bis 1970 Mitglied der Eta war. In einer bewegenden Rede beschuldigte er auch die Baskische Nationalistische Partei (PNV) der Diskriminierung aller Nicht-Nationalisten. Den Anlass bietet eine Äußerung des amtierenden Ministerpräsidenten, des Nationalisten Juan José Ibarretxe, im Falle einer Koalition zwischen Konservativen und Sozialisten werde das Baskenland »von außerhalb« regiert. »Von außerhalb, sagen sie. Sie wollen uns draußen haben, einige sind schon in den Gräbern, andere mussten gehen«, protestiert Arzurmendi, der vor einem Jahr nach ständigen Drohungen der Eta an eine Universität in den USA geflohen ist.

Zeitweise erinnert das Treffen von ¡Basta ya! in San Sebastián an eine der Protestveranstaltungen gegen das Franco-Regime am Ende der sechziger Jahre. Azurmendi beendet seine Rede mit dem Ruf: »Viva la libertad - Es lebe die Freiheit!« Die Lieder sind dieselben Protestsongs, die schon zu Francos Zeiten gespielt wurden.

Erstmals in der spanischen Geschichte wollen jetzt die konservative Volkspartei (PP) und die Sozialisten eine Koalition im Baskenland bilden. Die ideologisch verschiedenen Parteien werfen den demokratischen wie den radikalen Nationalisten vor, schon die Kinder in der Schule in nationalistischen Mythen zu erziehen und es im Kampf gegen die Eta und ihr Umfeld an der notwendigen Konsequenz fehlen zu lassen. Ein Bild im Grundschulbuch Geographie zeigt etwa das Baskenland einschließlich der Nachbarregion Navarra und des französischen Baskenlands als zwischen Frankreich und Spanien aufgeteilte Nation.

Dem Wahlaufruf von ¡Basta ya! zugunsten einer dieser beiden Parteien hat sich jetzt auch die unbedeutende Kommunistische Vereinigung Spaniens angeschlossen. »Wie muss es um das Land bestellt sein, wenn es zu solchen Koalitionen kommt?« fragt der sozialistische Spitzenkandidat Nicolas Redondo.

»Die Faschisten kommen zurück, heize ihnen ordentlich ein«, heißt es auch auf einem Plakat der der Eta nahestehenden Jugendorganisation Haika über das Treffen von ¡Basta ya! in San Sebastián. Auch die gemäßigten Nationalisten in der PNV und der Baskischen Solidarität (EA) warnen die Bevölkerung vor der Rückkehr des Faschismus und des spanischen Nationalismus, den sie in dem konservativen Spitzenkandidaten Jaime Mayor Oreja verkörpert sehen. Mayor Oreja werde im Baskenland Politik mit Polizeiknüppeln machen, warnt etwa der PNV-Vorsitzende Xavier Arzalluz.

Tatsächlich wiegt die Vergangenheit der Volkspartei als Organisation der alten Politiker der Diktatur schwer im Wahlkampf-Gepäck Mayor Orejas. Doch was in Madrid vielleicht stimmt, ist im Baskenland anders. Der 48jährige Konservative stammt selbst aus San Sebastián und sieht sich als Opfer der franquistischen Sprachverbote, weil er die baskische Sprache, das »Euskera«, nie gelernt hat.

1977 trat er in die christdemokratische UCD ein und nicht in die Volksallianz des Franco-Ministers Manuel Fraga. Als die UCD später einging, galten die Christdemokraten in der späteren Volkspartei als Splittergruppe ohne großen Einfluss. Von 1996 bis vor wenigen Monaten war er Innenminister und kritisierte dabei den »schmutzigen Krieg« der sozialistischen Regierungen gegen die Eta. Zugleich sprach er sich aber auch gegen Verhandlungen mit Terroristen aus.

Von Verhandlungen will inzwischen sogar die PNV nichts mehr wissen. 1999 vereinbarten die gemäßigten Nationalisten noch mit der der Eta nahe stehenden Euskal Herritarrok (EH) die Unterstützung ihrer Minderheitsregierung. Das Experiment, den radikalen Nationalismus in die Politik einzubinden und damit die Eta zu isolieren, ist jedoch gescheitert. 29 Menschen sind seit der Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes im letzten Jahr gestorben.

»Mit Gewalt, Mord, Erpressung und Straßenkampf ist nichts zu machen«, sagt der amtierende Ministerpräsident und PNV-Spitzenkandidat Juan José Ibarretxe. Das ist ein deutliches Zeichen für die konservativen Stammwähler der PNV, die sich zwar als Nationalisten verstehen, den Separatismus jedoch für ein gefährliches Abenteuer halten.

Die Rückkehr der Eta wird für Euskal Herritarrok Konsequenzen haben. Umfragen zufolge droht eine Halbierung der 1998 erreichten 18 Prozent. Der Parteisprecher Arnaldo Otegi hält sich mit Äußerungen über die spanischen Parteien zurück. Stimmen sucht er vor allem bei den Wählern der PNV und der EA. Beide Parteien hätten kein klares Konzept für die »Lösung des politischen Konfliktes«, greift er die gemäßigten Nationalisten an. Sie wollten das Baskenland lediglich verwalten und nicht wirklich in die Unabhängigkeit führen.

Ob die Nationalisten im Baskenland erstmals seit 1982 die Wahlen verlieren werden, ist jedoch zweifelhaft. In den Umfragen liegen sie immer noch vorn. Eine hohe Wahlbeteiligung könnte aber die gesamtspanischen Parteien begünstigen. Den Schlüssel zur Regierungsbildung könnten am Ende die Parlamentarier der Vereinigten Linken in der Hand halten, die jedoch beteuert haben, auf keinen Fall die Volkspartei an die Macht bringen zu wollen.