Dotwins - was soll der Quatsch?

Bring mich zum Licht

Millionen kleiner roter Pappscheiben schwärmen seit Ende April aus den McDonald's-Filialen und saugen sich im ganzen Land auf TV-Mattscheiben fest. Dort müssen die Dotwins so lange kleben bleiben, bis die betreffende Sendung auf ProSieben zu Ende ist, sonst sind nämlich die Chancen, im Gewinnspiel einen Volkswagen, eine Traumreise für zwei Personen oder ein T-D1-XtraPac zu ergattern, futsch.

Die stattliche Werbeallianz aus ProSieben, Deutscher Telekom, Deutscher Bank, Shell, McDonald's und Bild ist mittlerweile zu unerwarteter Publicity gelangt. Die Dotwins enthielten in Wahrheit einen geheimen Speicherchip der Siemens-Tochter Infinion, auf den während der Sendung durch Fernsehsignale Software aufgespielt wird, heißt es in einem der zahlreichen Boykottaufrufe im Internet, der auch in Gewerkschaftskreisen kursiert.

Die Software könne Gespräche im Wohnzimmer belauschen und aufzeichnen sowie - viel schlimmer - Schwarzgucker an die GEZ weitermelden, sobald der Dotwin zur Gewinnziehung an ProSieben eingesandt werde. Andere Kritiker wiederum vermuteten Außerirdische in Aktion: »Now we are free«, heißt der Dotwin-Soundtrack. Und wirbt nicht ProSieben sogar mit dem Motto: »Bring mich zum Licht«?

Was technisch noch halbwegs plausibel klingen mag - immerhin wurden schon in den Achtzigern, als es noch kein Internet gab, von den öffentlich-rechtlichen Sendern kleine Softwarepakete per Audiosignal an die Computerclub-Fans übermittelt -, entpuppte sich inzwischen als Verschwörungshysterie. Redakteure von Fachzeitschriften und Spezialisten der TU Berlin rückten den Dotwins mit dem Küchenmesser zu Leibe. Auch das Jungle World-Testlabor hat Hand angelegt: Die Dinger kommen tatsächlich ohne jedwede Elektronik aus.

Jeder Dotwin enthält lediglich eine Folie, die während der Sendung belichtet wird, so die ProSieben-Pressestelle. Ob sie wirklich technisch in der Lage ist, die Verweildauer vor der Glotze zu überprüfen, oder lediglich die Zuschauer vom Zappen abschrecken soll, bleibt unklar.

Im Detail weiß uns die Zeit aufzuklären. Demnach entfärbt sich die Fotofolie unter dem Einfluss des Fernsehsignals. Mit Hilfe eines Dotwin-Readers könne nachgemessen werden, ob der Zuschauer treu war und die Gewinnprämie verdient hat. Ein kleines Schlupfloch bleibt: die Werbepause. Ausgerechnet während der Werbeeinblendungen wird das Signal nicht ausgestrahlt, es darf gezappt werden!

ProSieben selbst macht auf eine weitere interessante Möglichkeit aufmerksam, dem Dotwin-Wahn zu entkommen. Wer unbedingt am Gewinnspiel teilnehmen möchte, kann dies auch ganz ohne die Klebepappe tun. Am Ende der Sendung werden für 15 Sekunden mehrere Dotwin-Symbole eingeblendet. Einfach deren Anzahl auf eine Postkarte schreiben, Sendetitel, Datum, Uhrzeit hinzu und ab in die Kirch-Medienzentrale nach München-Unterföhring. Name, Adresse und Telefonnummer nicht vergessen!