Drogenbekämpfung in Bolivien

Kein Frieden für die Cocaleros

George Bush lobt den bolivianischen Präsidenten Hugo Banzer gerne als Musterknaben im Kampf gegen die Drogen. Trotzdem steht der 1997 gewählte ehemalige Militärdiktator kurz vor dem politischen Aus. Ende April eskalierten zum dritten Mal innerhalb eines Jahres soziale Konflikte. Lediglich durch den massiven Einsatz der Polizei und des Militärs, in dessen Verlauf es erneut Tote gab, sowie durch halbherzige Verhandlungen mit den großen Gewerkschaften und Oppositionsparteien gelang es Banzer Anfang Mai, einen vorübergehenden Zustand der Ruhe wiederherzustellen.

Wie schon im vergangenen Jahr begannen die Proteste auch dieses Mal im Kokaanbaugebiet Chapere. Zuvor hatten spezielle Einheiten des Militärs mehrere Hundert Hektar Kokapflanzungen vernichtet. Die betroffenen Bauern, die Cocaleros, reagierten mit Straßenblockaden und Protestmärschen auf die Hauptstadt La Paz. Schnell schlossen sich ihnen die Gewerkschaften, Angestellte des Transportsektors und Indigenaverbände mit Streiks an. Sogar etwa 5 000 Rentner, die die im März von der Regierung zugesagte Wiedereinführung einer Mindestrente von umgerechnet 150 Dollar pro Monat fordern, gingen auf die Straße. 300 Pensionäre traten in den Hungerstreik, einer von ihnen starb vergangene Woche an den Folgen.

Der Dauerkonflikt zwischen den Cocaleros und Banzer ist paradigmatisch für die Situation der gesamten Andenregion. Wie in vielen Ländern Lateinamerikas wurde während der achtziger Jahre auch in Bolivien ein ultraliberales Wirtschaftsprogramm durchgesetzt. Tatsächlich kurbelten diese Maßnahmen die Wirtschaft an. Gleichzeitig schnellten allerdings auch die Arbeitslosenzahlen in die Höhe, die kleinbäuerliche Landwirtschaft geriet in eine chronische Krise. Heute leben etwa 80 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Die neoliberale Politik zwang einen großen Teil der Bevölkerung in den informellen Sektor, vor allem in den Anbau von Kokablättern.

Zur existenzbedrohenden sozialen Misere der Cocaleros kam es erst, nachdem die bolivianische Regierung, von den USA unter Druck gesetzt, vor zwei Jahren den Kokaanbau verbot. Die von internationalen Organisationen propagierten Substitutionsprogramme stellen in den Augen der bolivianischen Bauernverbände keine Alternative dar. Zum einen verschwinden die meisten Mittel im korrupten Staatsapparat. Aber selbst wenn sie ankämen, bliebe die Frage, welche Produkte der kleinbäuerlichen Landwirtschaft auf dem liberalisierten Weltmarkt gegen die multinationale Agroindustrie konkurrieren könnten.

Im Herbst vergangenen Jahres erklärte Banzer sich nach wochenlangen Protesten der Cocaleros bereit, auf den Bau von drei Militärbasen in Chapere zu verzichten und den Rückzug der Sicherheitskräfte aus der Region zu veranlassen. Kurz darauf kündigte er jedoch eine von den USA finanziell unterstützte Offensive auf juristischer und militärischer Ebene an.

Nach den jüngsten Auseinandersetzungen in Chapere hat Banzer den Bauern Anfang Mai zwar wieder einmal zugesichert, die Sicherheitskräfte abzuziehen, wenn sie die Blockaden beenden. Aber seine langfristige Strategie folgt dem militärischen Muster des so genannten Plan Colombia.

Einen Tag vor dem Amerika-Gipfel in Kanada traf sich Banzer mit seinen Amtskollegen aus Venezuela, Kolumbien, Peru und Ecuador im kolumbianischen Cartagena. Man einigte sich dort unter anderem auf eine gemeinsame Strategie zur Drogenbekämpfung. Der kolumbianische Präsident Andres Pastrana zeigte sich im Anschluss begeistert und bezeichnete die Übereinkunft als »Makrostrategie zur Verstärkung des Kampfes gegen den Drogenhandel«.