Allparteienregierung in Mazedonien

Proporz provoziert

Die Provokationsstrategie der UCK in Mazedonien scheint aufzugehen. Auch wenn seit dem Wochenende eine große Koalition, an der die beiden albanischen Parteien PDP und DPA beteiligt sind, die Mazedonier vor der Teilung des Kleinstaats bewahren soll, haben die Kämpfer der UCK ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg genau dorthin erreicht. Das Misstrauen zwischen den Angehörigen der slawischen Mehrheit und der albanischen Minderheit sitzt so tief wie nie zuvor, seitdem sich das Land 1991 auf friedlichem Wege von Jugoslawien trennte und in die Unabhängigkeit verabschiedete. Alle Versuche, eine nicht ethnisch segregierte Gesellschaft aufzubauen, die in Mazedonien zwar zögerlich, aber mit einigem Erfolg unternommen wurden, sind von den UCK-Offensiven der letzten Wochen zunichte gemacht worden.

Die UCK befindet sich nun in einer bequemen Situation. Militärisch und politisch hat sie von den jüngsten Kämpfen profitiert. Während sich die PDP und die DPA in der Allparteienkoalition verschleißen dürfen, die unter dem Druck der Nato und der EU gebildet wurde, können die bewaffneten albanischsprachigen Nationalisten ihre Basis weiter verbreitern. Dazu werden sich genügend Gelegenheiten bieten. Denn die politischen Repräsentanten der slawischen Mehrheit können auf die Forderungen der in der Regierung vertretenen albanischen Parteien nicht eingehen. Sie verlangen die Anerkennung der Albaner als »zweites staatsbildendes Volk«, und nicht mehr nur als große Minderheit.

Was recht harmlos klingt, ist sehr gefährlich. Denn es kann niemandem verborgen bleiben, dass die Anerkennung der albanischen Minderheit als »staatsbildendes Volk« lediglich eine Etappe auf dem Weg zur Sezession und der Vereinigung mit dem Kosovo wäre, was das erklärte Ziel der bewaffneten albanischen Nationalisten darstellt. Doch die Sezession ist ohne Bürgerkrieg nicht zu haben. Ein Bürgerkrieg zumal, in den schnell auch andere Kräfte eingreifen könnten. Bulgarische und griechische Nationalisten sehen in Mazedonien ohnehin ein Kunstprodukt und möchten das Land gerne eingemeinden.

»Mazedonien steht am Rande des Abgrunds«, meint Nato-Generalsekretär George Robertson. Da mag er ausnahmsweise Recht haben. Denn zumindest in Deutschland springen unbelehrbare Ethnofreunde den kriegführenden albanischen Nationalisten bei, auch wenn sie diese seit neuestem offiziell verdammen. »Das Argument mancher mazedonischer Politiker, man wolle nicht der verhängnisvollen Logik des Ethnoproporzes folgen, sondern eine Bürgergesellschaft aufbauen, in der jeder Einwohner ohne Ansehen von Herkunft und Volkszugehörigkeit die gleichen Rechte und Pflichten habe, ist nur vorgeschoben«, kommentiert Matthias Rüb in der FAZ, und fügt hinzu: »In den jungen Demokratien des Balkans ist es unausweichlich, dass sich für eine Übergangsperiode der demokratische Gedanke der gerechten Teilhabe an der Macht im Staate an die Zugehörigkeit zur jeweils eigenen Volksgruppe und auch Religion bindet.«

Rudolf Scharping und Joseph Fischer sehen das wohl genauso; zumindest lassen sie auf jede Verurteilung albanischer Terrorakte die Ermahnung an die mazedonische Regierung folgen, den Forderungen der albanischen Parteien in Mazedonien nachzugeben. So wird endlos weitergeführt, was vor zehn Jahren mit der verhängnisvollen Anerkennung Sloweniens und Kroatiens begann: vom Frieden reden und Kriege provozieren.