Die Kohlenstoff-Connection

Diamanten ermöglichen dem liberianischen Staatschef Charles Taylor die Kriegsführung in Westafrika. Mit Sanktionen wollen die UN seinen Einfluss eindämmen, Großbritannien interveniert militärisch in den Konflikt.
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Charles Taylor, der Präsident Liberias, hat mächtige Feinde. Am 7. Mai sind UN-Sanktionen in Kraft getreten, die den Export von Diamanten sowie Auslandsreisen liberianischer Regierungsmitglieder verbieten. Sie wurden im UN-Sicherheitsrat von den USA und Großbritannien durchgesetzt.

Der größte Teil der von Liberia exportierten Diamanten stammt aus dem von der Revolutionary United Front (Ruf) kontrollierten Gebiet im Nachbarland Sierra Leone; die Ruf finanziert damit ihren seit zehn Jahren andauernden Guerillakrieg gegen die wechselnden sierra-leonischen Regierungen. Zudem muss sich Taylor mit einer erstarkenden Rebellion im Norden seines eigenen Landes auseinandersetzen. Die Kämpfe, die nach Angaben der UNHCR 60 000 Menschen in die Flucht getrieben haben, werden selbst von Taylors Regierung als »ernst« bezeichnet.

Seit 1989 ist Taylor der Prototyp des afrikanischen Warlords. Damals startete der ehemalige Staatsbeamte einen Guerillakrieg gegen das von den USA gestützte liberianische Regime und konnte nur von der westafrikanischen Eingreiftruppe Ecomog aufgehalten werden. Nach sieben Jahren Krieg gewann er 1997 die Präsidentschaftswahlen.

Die USA und Großbritannien sehen in Taylor den Hauptverantwortlichen für die bewaffneten Konflikte in Westafrika. Während einer gemeinsamen Reise mit dem französischen Kooperationsminister Charles Josselin nach Sierra Leone im April erklärte Clare Short, die britische Staatssekretärin für internationale Entwicklung: »Vernünftige Menschen stimmen darin überein, dass Charles Taylor hinter der massiven Destablisierung der westafrikanischen Region steckt. Alle - Frankreich, Großbritannien und die USA eingeschlossen - denken, dass wir eine Lösung für das Problem finden können, wenn wir eine Lösung für das Problem Charles Taylor finden.«

Trotzdem stimmte Frankreich den Sanktionen erst zu, als der Export von Tropenhölzern aus Liberia, die hauptsächlich nach Frankreich geliefert werden, aus dem Paket herausgenommen wurde.

Die Mitgliedsstaaten der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas, von denen die wirksame Umsetzung der Sanktionen abhängt, zeigten sich ebenfalls vestimmt. Offenbar ist die Regionalmacht Nigeria, die Taylor jahrelang bekämpft hatte, letzlich aber seine Machtergreifung in Liberia zuließ, der Ansicht, dass Frieden nur mit Taylor und nicht gegen ihn erreichbar ist.

Taylor konnte ein Vermögen anhäufen, indem er mit der Ruf Waffen gegen Diamanten tauschte. Doch im vergangenen Jahr verstärkten die Vereinten Nationen ihre Peacekeeping-Mission in Sierra Leone (Unamsil) auf 11 000 Soldaten, um einen Friedensvertrag zwischen der sierra-leonischen Regierung und der Ruf umzusetzen. Im Mai 2000 wurden die Ruf-Minister in der Einheitsregierung - unter anderem ihr Anführer Foday Sankoh - verhaftet, als die Unamsil versuchte, in die Ruf-Gebiete vorzurücken, und die Rebellen Hunderte Blauhelmsoldaten kidnappten.

Die Ruf ging in die Offensive und hätte beinahe die Hauptstadt Free-town überrannt. Im letzten Moment schickte Großbritannien, die Hauptstütze der Regierung Ahmed Tejan Kabbahs, etwa 1000 Elitesoldaten und drängte die Ruf zurück. Noch immer stehen etwa 700 britische Soldaten im Land und bilden die sierra-leonische Armee SLA aus. Die frühere Kolonialmacht gibt sich entschlossen, die Ruf zur Kapitulation zu zwingen und den Diamantenhandel unter Kontrolle zu bekommen.

Tatsächlich besteht nun zumindest in Sierra Leone eine bedingte Aussicht auf Frieden. In der vergangenen Woche einigte sich die Ruf mit der Regierung und den regierungstreuen Paramilitärs der Civil Defence Forces (CDF) auf die Entwaffnung aller Milizen. Damit hat die Ruf ihre Bedingungen einer gleichzeitigen Entwaffnung der Regierungsarmee SLA aufgegeben. Auf einer Kundgebung in der Stadt Makeni im Norden Sierra Leones erklärte Ruf-Leutnant Jonathan Kposowa, dass seine Miliz nie mehr gegen »das Volk« kämpfen würde: »Ich habe meine Jungs sogar angewiesen, mich zu töten, wenn ich ihnen befehle, wieder zu kämpfen.«

Ungeklärt blieb bislang allerdings die Frage, womit die noch zu entwaffnenden »Jungs« ihren Lebensunterhalt verdienen sollen. Konzessionen zur Ausbeutung der noch von der Ruf kontrollierten Diamantengebiete Sierra Leones sind von der Regierung schon vor Jahren an mehrere internationale Bergbaufirmen verkauft worden. Kaum vorstellbar, dass die Kämpfer sich in ein Leben als ausgebeutete Schürfer drängen lassen werden. Das »Kriegsgeschäft« bietet ihnen eine Möglichkeit, der wirtschaftlichen Aussichtslosigkeit zu entkommen. Einmal entwaffnet, müssten sie zudem die Rache der von ihnen unterdrückten Einwohner fürchten.

Seit einigen Monaten ist die Lage in Sierra Leone verhältnismäßig ruhig, nun findet der Krieg im unzugänglichen Grenzgebiet zwischen Sierra Leone, Liberia und Guinea statt. Seit vergangenem Herbst kämpft die Ruf gemeinsam mit guineischen Rebellen, die offenbar von Mohammed Touré, dem Sohn des ersten Präsidenten Guineas, Ahmed Sékou, angeführt werden, gegen die Armee Guineas. Das an Bodenschätzen extrem reiche Land bietet den Milizionären und ihrem Schutzpatron Charles Taylor neue Verdienstmöglichkeiten.

Außerdem ist Taylor seit Jahren ein Intimfeind des guineischen Präsidenten General Lansana Conte, der liberianischen Anti-Taylor-Milizen Unterschlupf bietet. Die Kämpfe haben mittlerweile 450 000 Flüchtlinge in Guinea, die bereits vor den Auseinandersetzungen in Liberia und Sierra Leone flohen, erneut in Bedrängnis gebracht.

Die guineische Armee setzt unter anderem Helikopter ein und griff wiederholt Dörfer auch jenseits ihrer Landesgrenzen an. Die Stationierung einer Ecomog-Truppe zur Grenzüberwachung lehnte Präsident Conte ab; offenbar fühlt er sich stark genug, die Angreifer selbst zurückzuschlagen. Seit Jahren trainiert die US-Armee seine Truppen, und auch auf die Hilfe der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich kann er zählen. In Guinea findet sich neben Gold, Diamanten und Eisenerz etwa ein Viertel der weltweiten Vorräte des Aluminium-Rohstoffs Bauxit. Ein Joint-Venture zwischen Guinea und dem internationalen Konsortium Halco - Teilhaber sind die größten Aluminium-Hersteller der Welt, unter ihnen die deutsche VAW Aluminium AG - ist die größte Devisenquelle Guineas.

Die Destabilisierung der Schatzkammer Guinea hat dazu geführt, dass der Krieg wieder nach Liberia zurückkehrte. Taylor behauptet, die Rebellenmiliz Liberians United for Reconciliation and Democracy (Lurd), die in der Provinz Lofa operiert, werde von Guinea und Großbritannien unterstützt: »Wir wissen, dass die Briten Sierra Leone praktisch rekolonisiert haben, also müssen kleine Länder sehr vorsichtig sein. Die mächtige britische Maschinerie arbeitet gegen Liberia.« Lokalen Zeitungen zufolge nahm Taylors Armee sierra-leonische Rebellen gefangen, die zugaben, von der britischen Armee ausgebildet worden zu sein. Taylor reagierte inzwischen mit einer nächtlichen Ausganssperre für Diplomaten sowie mit Zwangsrekrutierungen.

Die westlichen Staaten sind offenbar entschlossen, die rohstoffreichen Gebiete Westafrikas endlich zu stabilisieren. Vor allem die britische Regierung versucht, ihr militärisches Eingreifen in den Konflikt als »humanitäre Intervention« darzustellen, und wird dabei von den konservativen und liberalen Medien des Landes unterstützt. Die Rolle der westlichen Staaten bei der jahrzehntelangen Ausbeutung der Bodenschätze Westafrikas und die damit einhergehende Verarmung breiter Bevölkerungsschichten werden dabei nicht diskutiert.

Doch die Wurzel der Konflikte liegt in der Perspektivlosigkeit der Jugendlichen, denen der Krieg mehr Überlebenschancen bietet als der Friede. Mehr als die Hälfte der Westafrikaner sind jünger als 20 Jahre. Diese Situation wird von »Kriegsunternehmern« wie Charles Taylor ausgenutzt, der zweifellos der erfolgreichste ist. Selbst wenn es gelingen sollte, Taylor zu entmachten, wird die »Pazifizierung« der Region durch die westlichen Staaten zur Sicherung der Rohstofflieferungen wohl auch auf längere Sicht militärisch abgesichert werden müssen.